Rund 70 % der Verbraucher würden für ein regionales Angebot mehr bezahlen – das gibt eine Umfrage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wieder. Und doch spiegeln sich diese Lippenbekenntnisse zur Regionalität im Einkaufsverhalten zu wenig wider. Warum das so ist – und vor allem, wie es sich ändern lässt – war Thema des oberbayerischen Direktvermarktertags, den die Landwirtschaftsämter vergangene Woche unter dem Motto „Innovationen in der Direktvermarktung“ online veranstaltet haben.
Organisatorin Sabine Biberger vom federführenden AELF Ingolstadt-Pfaffenhofen stellte die zentralen Aussagen der BMEL-Studie „Trends in der Direktvermarktung“ an den Anfang des Vortragsmarathons, der die rund 85 Teilnehmer erwartete. Zu den zwölf wichtigsten Trends zählen demnach Kooperationen sowie die Inanspruchnahme von Dienstleistern für Bestellvorgänge, Verarbeitung, Logistik und Marketing, außerdem das aktive Einbinden von Kunden und das Aufgreifen boomender ideeller Werte wie Tierwohl, Klima- und Naturschutz.
Gesellschaftliche Entwicklungen mitgehen
Biberger warb dafür, besondere Geschmackserlebnisse zu bieten und besondere Ernährungsformen aufzugreifen, auch wenn man sie selbst nicht unbedingt praktiziere. Auch über Naturschutz-, Beweidungs- und Tierschutzprojekte könnten Direktvermarkter zeigen, dass sie nicht stehenbleiben und gesellschaftliche Entwicklungen mitgehen.
Marlies Resch, Leiterin des „Food Startup Inkubators“ der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf referierte über ein im März 2021 gestartetes Projekt zur Lebensmittelherstellung am eigenen Hof, an dem sich insgesamt 247 Landwirtinnen und Landwirte beteiligt haben. „Die größte Herausforderung bei einem Einstieg ist der Zwischenschritt von der eigenen Küche in die Pilotproduktion“, erklärte die Lebensmitteltechnologin.
Resch schilderte das Projekt „Sonnengläschen“: Drei Studentinnen verarbeiteten dabei für den Handel ungeeignete Tomaten und Knoblauchknollen der Betriebe Gemüseanbau Steiner und Biohof Kirchweidach im Landkreis Altötting, zu veganen Brotaufstrichen. Diese vermarkten sie über ihren Webshop unter dem Motto „Lebensmittel retten“. Solche Konzepte zu entwickeln, kann man in Freising im zweisemestrigen Zertifikatskurs „Food Startup Gründung“ lernen, der 6000 € kostet, aber auch per Stipendium finanziert wird.
Wie man topfit im Marketing sein kann und trotzdem nah an der Landwirtschaft dran, zeigte die Marketing-Betriebswirtin Maria Tonks aus Drößling (Landkreis Starnberg). Mit ihrer Agentur „Wurzelblick“ will sie Direktvermarkter darin bestärken, „ihre Echtheit von innen heraus zu stärken und nach außen zu zeigen“. Tonks stammt selbst von einem Hof – Milchviehbetrieb mit Ackerbau und Wald – und band diesen familiären Hintergrund in ihr Referat mit ein.
Der Kunde gibt die Prioritäten vor
„Preise sind immer relativ und jede Kaufentscheidung ist emotional“, lautete einer ihrer Kernsätze. „Am wichtigsten ist, was den Kunden wichtig ist. Welchen Nutzen bieten Sie außer Ihrem Produkt?“ So könne ein Zusatznutzen sein, den Produzenten und die Herkunft der Produkte zu kennen, was Vertrauen erzeuge und Sicherheit gebe. Besondere Sorten, besondere Frische, die Wertschöpfung in der Region kämen hinzu. Eine „ganz starke“ Wirkung habe auch das Kauferlebnis am Bauernhof, vor allem mit Kindern und wenn die Stalltüre offenstehe. „Das ist etwas ganz anderes als im Supermarkt, wo man nur eines gefragt wird: „Haben Sie eine Payback-Karte?“