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Marktnischen

Auf Öl gestoßen und es bringt Geld

Unscheinbar wirkt die Ölpresse, aber ihre Produkte sind es nicht. Hier überwacht Markus Hiermeier den Fortschritt seiner Schneckenpresse beim Mohnpressen.
Andrea Hammerl
am Donnerstag, 27.10.2022 - 10:41

Markus Hiermeier aus Wellheim im Landkreis Eichstätt betreibt eine Ölmühle im Altmühltal. Mit seiner Geschäftsidee war er für den CeresAward nominiert.

Nicht nur Mohn wird gepresst, auch Kürbiskerne: Getrocknet werden die Körner bei 38 Grad in der Trocknungsanlage, die Familie Hiermeier auf einem Lkw installiert hat.

Langsam tropft das nahezu farblose Mohnöl aus der Ölrinne der Schneckenpresse in die darunter stehende Edelstahlkanne. Parallel tritt aus der Pressdüse ein zylinderförmiger Presskuchen heraus und fällt als 2 – 3 cm lange Pellets in eine graue Kiste. Im Kernstodl der Familie Hiermeier in Wellheim im Landkreis Eichstätt wird Öl gepresst, regelmäßig, aber in kleineren Mengen. „Das tut der Qualität gut“, erklärt der Betriebsleiter Markus Hiermeier. Körner länger haltbar als Öl. „Wir pressen jede Woche, je nach Bedarf, so dass das Öl immer frisch zum Kunden kommt.“

Für ihr exzellentes Mohnöl waren die Hiermeiers beim Ceres-Award 2022 im Oktober in der Kategorie „Beste Geschäftsidee“ nominiert.

Blaumohn aus dem Altmühltal

Im Kerndstodl: Sylvia Hiermeier kümmert sich um die Direktvermarktung der Produkte im Hofladen.

Die schockgefrosteten und dann bei –10 bis 12 Grad gelagerten Mohn-Vorräte reichen für etwa anderthalb Jahre, sodass Ernteausfälle kompensiert werden können. Dazu trägt auch die von Wellheim bis Buxheim reichende Anbaufläche bei, die zum einen das Erntezeitfenster vergrößert, zum anderen das Risiko beispielsweise für Hagelschäden minimiert.

Der Blaumohn aus eigenem Anbau im Altmühltal wird besonders langsam gepresst, auch das kommt der Qualität, insbesondere dem Erhalt der essenziellen Fettsäuren zugute, ebenso die Trocknung bei 38 Grad. Je langsamer gepresst wird, desto schonender für das Öl, zudem wird die Ausbeute höher. Doch nicht nur Mohn wird gepresst auf dem Betrieb Hiermeier, sondern auch Ölkürbis, Hanf und Sonnenblumen von den eigenen Feldern. Zum Vergleich: Bei Sonnenblumenkernen läuft die Presse schneller, wodurch 8 bis 10 l/h gepresst werden, bei Mohn sind es lediglich 2 bis 3 l.

Farblos rinnt das Mohnöl aus der Presse. Ein wertvolles Speiseöl mit besonderer Geschmacksnote.

Wie ist die Familie auf Mohn gekommen? Lachend erzählt der 47-Jährige, dass der ältere Sohn Niklas den Ausschlag gab. Er isst sehr gerne Mohn, also startete die Familie einen Anbauversuch. „Wir haben schon immer Nischen gesucht“, erzählt Markus Hiermeier aus der Familiengeschichte.

So war sein Vater Franz einer der ersten in der Region, der Raps anbaute. Er selber entkernte kurz nach der Übernahme des Hofes den Milchvieh-Anbindestall und baute ihn in einen Fressliegeboxen-Laufstall um. 2009 begann Markus Hiermeier mit dem Anbau von Sojabohnen, als das noch kaum ein anderer auf dem Schirm hatte. Mit der 100 kWp-Photovoltaikanlage auf dem Scheunendach ist der Betrieb rechnerisch energetisch autark.

Mit 19 übernahm er den Hof

Der Blaumohn, wie er auf der Wiese steht: In den Kapseln befinden sich die Mohnsamen, die Hiermeiers zu Öl verarbeiten, aber auch trocknen.

19 Jahre alt war der gelernte Landwirt, als er als jüngstes von fünf Kindern anno 1993 den Hof vom Vater übernahm, der aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten wollte. Parallel besuchte er die Winter- und später die Meisterschule, die er mit 22 Jahren abschloss. Zum Zeitpunkt der Hofübernahme wurde nur etwa die Hälfte der heutigen Fläche bearbeitet, zum Betrieb gehörten dreißig Milchkühe samt Nachzucht, zwölf Zuchtsauen und rund hundert Mastschweine. Die Schweine schaffte der Landwirtschaftsmeister als erstes ab und konzentrierte sich zunächst auf Milchviehhaltung und Bullenmast.

Doch der Platz war begrenzt, die Hofstelle liegt mitten im Ort. „Rückblickend hätte man damals aussiedeln sollen“, meint Ehefrau Sylvia, die Vollzeit und mit vollem Einsatz im Betrieb engagiert ist. Stattdessen wurde nach der Hochzeit 2002 schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite eine zweite Hofstelle im ehemaligen Garten errichtet.

Der Weg zum heute reinen Ackerbaubetrieb begann eigentlich schon 2003 mit einem Pilotversuch mit Hanfsamen. Richtig in die Ölsaatenproduktion stieg die Familie dann vor sechs Jahren mit dem Anbau von Ölkürbissen ein, 2018 folgte der Mohn. Die Milchkühe wurden abgeschafft, danach die letzten Mastbullen zum Schlachthof gegeben.

Mit ein Grund für den radikalen Umstieg war die Hofnachfolge. Während viele Landwirte keinen Nachfolger finden, zeichnete sich bei Familie Hiermeier früh ab, dass beide Söhne, Niklas (20) und Kilian (17), im Betrieb bleiben wollen. Der ältere absolviert in Triesdorf ein duales Landwirtschaftsstudium, der jüngere befindet sich gerade im Berufsgrundschuljahr für die Landwirtschaftslehre in Pfaffenhofen. Beide arbeiten zu Hause mit, soweit es ihre Zeit zulässt.

Eingeengte Hoflage

Die Erweiterungsmöglichkeiten waren daheim jedoch begrenzt, viele Flächen liegen im FFH- oder Wasserschutzgebiet, ein Viertel der Nutzfläche ist teils anmooriges Grünland. Mit den klassischen Betriebszweigen hätte der Hof keine zweite, geschweige denn eine dritte Familie ernähren können. „Wir haben nach einer Nische gesucht und sind auf die Idee mit dem Kernstodl gekommen“, erzählt Sylvia Hiermeier.

Mittlerweile ist der Betrieb auf Bioanbau umgestellt. Auf 30 % der Nutzfläche wird die Hauptfrucht angebaut, der Ölkürbis. Etwa 15 % entfallen auf Mohn, der Rest auf Soja, Sonnenblumen, Zuckerrüben und Hanf. Folgekultur für den Kürbis ist ein brauweizengeeigneter Winterweizen. Die Fruchtfolge wechselt bei Kürbis und Mohn alle drei Jahre, bei den anderen Kulturen alle vier bis fünf Jahre, je nach Standort.

Auf einer kleinen Fläche von 1 ha wurde heuer versuchsweise Senf angebaut, der zweite Versuch, nachdem der Ertrag im vergangenen Jahr auf einem Steilhang wenig erfolgreich gewesen war. Als Untersaat für Kürbis und Mohn dient Weißklee, was den Unkrautdruck senkt, den Boden begrünt, ihn feucht und die Kürbisse sauber hält. Außerdem reichern Knöllchenbakterien den Boden mit Stickstoff an. In feuchteren Jahren erhofft sich Hiermeier, dass der Klee Wasser bindet und den Mohn besser abtrocknen lässt.

Kreislaufwirtschaft und naturnahes Arbeiten

Kreislaufwirtschaft und naturnahes Arbeiten ist der Familie eine Herzensangelegenheit. „Wir bauen relativ viele blühende Kulturen an“, erklärt Markus Hiermeier. Sonnenblumen, Mohn und Kürbis blühen, wenn Insekten sonst nicht viel finden. Sonderkulturen funktionieren allerdings auch nur, wenn Herzblut dabei ist. „Wer nicht bereit ist, die Vermarktung selbst zu übernehmen, sollte die Finger davon lassen“, rät er. „Über den Landhandel funktioniert es nicht. Wir haben vom Anbau bis zum Endprodukt alles in einer Hand, das ist unsere Philosophie“.

Viele Hofnachfolger machen erfinderisch. Hiermeiers suchten Nischen für ihre Söhne – und fanden sie.

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