Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Herdenschutz

Oberbayern: Almabtriebe mitten im August

Barbara Höfler
am Mittwoch, 24.08.2022 - 16:00

Im Ammergebirge reißt ein unbekanntes Raubtier wöchentlich Schafe. Von etlichen fehlt jede Spur. Die Weidetierhalter trieben die Herden vorzeitig ab.

Dass es im Wochentakt Schafe reißt, mehr ist bis zum heutigen Mittwoch nicht bekannt über das Raubtier, das derzeit im den Ammergauer Alpen sein Unwesen treibt. Laut LfU laufen die DNA-Analysen noch.

Die Arbeit geht dem Labor auch nicht aus, denn am Sonntag fanden Weidetierhalter schon wieder ein gerissenes Schaf, diesmal auf der Friederalm auf 2000 m. Nun hat auch die Weidegemeinschaft Frieder ihre Schafe abgetrieben, einen Monat vor der Zeit.

Geschützte Bergschafe tot

Schafriss

Die Weidegenossenschaft Farchant holte ihre Schafe bereits am Mittwoch vergangener Woche. Mitten in der Nacht, erst auf die Reschbergwiesen und anderntags weiter ins Tal. Dort weiden die Tiere jetzt, auf ihre Besitzer aufgeteilt, das Futter ab, das für den Winter bestimmt war.

Zwei Mal hat das Raubtier dort zuvor zwischen Brünstlkopf und Notkarspitze zugeschlagen: Am 10. Juli fanden die Weidegenossen sechs der vom Aussterben bedrohten Bergschafe gerissen vor, darunter drei trächtige und einen wertvollen Zuchtbock. Seitdem wechselten sie sich ab, schauten jeden Tag nach den 180 Tieren.

Doch in der Nacht auf Dienstag, 16. August, fanden sie auf der Gießenbachalm abermals ein totes Schaf. Zwei waren so schwer verletzt, dass sie vor Ort geschossen werden mussten. Ein viertes mit Bisswunden an der Brust „haben wir mitgenommen und hoffen, es kommt durch“, sagt Hans Hibler, Vorsitzender der Werdenfelser Bergschafzüchter. Zwölf Schafe werden noch gesucht. „Bis zum bitteren Ende“, sagt Hibler.

In der Folge trieb auch die Weidegenossenschaft Garmisch am vergangenen Samstag ab. Denn bei der Enningalm Richtung Stepberg riss das Raubtier bereits in der Nacht auf Freitag, 12. August, erst ein Schaf, anderntags noch vier. Zusammengetrieben auf der Stepbergalm wachte zunächst der Hirte Herrmann Ostler über sie – eingezäunt und die Nächte hindurch unter Flutlicht – bis es am Samstag weiter in einen gezäunten Solarpark ins Tal ging.

Untypische Verletzungen

Die richtige Entscheidung, wie sich am Sonntag zeigte: Da fand Anton Hornsteiner bei der Kontrolle auf der nur 5 km Luftlinie entfernten Friederalm ein totes Jährlingsschaf mit heraushängendem Gedärm, ca. 400 Höhenmeter vom Rest der Herde entfernt. Hornsteiner, dem Vorsitzenden der Almgemeinschaft Frieder, gehören 45 der rund 85 Schafe, die im Juni in zweistündigem Fußmarsch durch steiles Gebiet hoch auf die ehemalige Garmischer Ochsenalm getrieben wurden.

Beim Durchzählen waren es jetzt nur noch an die 75 Tiere. Schon vor fünf Wochen, so erzählt Hornsteiner, hatten sie hier oben an zwei verschiedenen Tagen jeweils ein Schaf mit ähnlichen Verletzungen aufgefunden, eins tot, das andere starb kurz danach. Wie der Jährling wiesen auch sie eine Wunde von ca. 10 x 10 m im Bauch/Brustbereich auf. Untypisch sowohl für einen Wolf als auch für einen Bären. „Wir haben das für Unfälle gehalten“, sagt Hornsteiner. Diesmal verständigten sie den örtlichen Netzwerker, der Proben ans LfU-Labor gab.

Analyseergebnisse dauern

Theoretisch sollen die Analyse-Ergebnisse dort innerhalb von zehn Werktagen vorliegen. Doch für den Riss vom 10. Juli kam das Ergebnis erst jetzt, fast sechs Wochen später: nicht verwertbar, weil Riss zu alt, heißt es offiziell. Den Farchanter Weidetierhaltern gegenüber war dagegen von Hund die Rede.

Sepp Glatz, Vorsitzender des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern (AVO) hofft, dass die übrigen Proben Klarheit bringen. „Steht der Beutegreifer fest, können wir Antrag auf Entnahme stellen“, sagt Glatz. Wie es auch ausgeht: Im Ammergebirge wird wohl Ruhe einkehren. Am Wochenende will auch die Weidegenossenschaft Graswang vorzeitig die Schafe abtreiben. Traurig, aber dann gibt es dort keine mehr.