Tomaten schmecken ihm noch immer. Und das, obwohl sein Betrieb jedes Jahr zehntausende der roten Früchte erntet. Florian Böck steht in seiner 18 000 m2 großen Tomatenhalle, um ihn herum schlängeln sich Tomaten an Seilen zur Decke empor, hängen dicke Früchte an den Trieben. Langsam geht Böck an den meterhohen Pflanzen vorbei, mustert aufmerksam die einzelnen Rispen. Es ist früh am Morgen, in der Halle ist es noch frisch, der 44-jährige Gärtnermeister trägt einen dicken grauen Pullover. In der Nacht freuen sich die Tomaten über kühlere Temperaturen, sagt Böck, im Idealfall etwas über 14 Grad.
Marzano, Radetto und Kawaguchi
Tomaten, das ist für Florian Böck mehr als ein Betriebszweig. Er sei ein „massiver Tomatenfan“, sagt er, während er an den gelben, grünen und roten Früchten vorüber schreitet. Ein Messer hat er immer in der Hosentasche, um die Qualität zu testen. „Da gibt es beim Geschmack gewaltige Nuancen. Man kann auf Ertrag steuern oder nach Geschmack.“
Böck ist, wenn man so will, beruflich bedingt ein Tomatensommelier; spricht von „Geschmackstomaten“, die in seinem riesigen Gewächshaus im oberbayerischen Vaterstetten bei München heranwachsen. 15 verschiedene Sorten baut er an. In der Halle stehen vor den Reihen kleine Schilder, auf denen die jeweilige Sorte steht, etwa San Marzano-, Radetto-, oder ganz neu: Kawaguchi-Tomaten, eine rund 500 gr schwere, rosafarbene Fleischtomate. Am 15. Dezember wird gesetzt, ab März bis Ende November geerntet und nach der dreiwöchigen Reinigung des Gewächshauses geht es von vorne los.
Die Tomate ist das Steckenpferd des 44-Jährigen – und inzwischen ein bedeutsamer Geschäftsbereich des Familienbetriebs, der auf eine mehr als 126-jährige Geschichte zurückblickt. Angefangen hat ursprünglich alles mit dem Radi, der von den Münchner Biergärten eifrig nachgefragt wurde.
Ein Familienbetrieb in fünfter Generation
Immer wieder musste der Betrieb umsiedeln, um sich zu vergrößern. Inzwischen bauen die Böcks auf 70 ha Freiland- und 11 ha Gewächshausfläche an. Der 67-jährige Seniorchef Wilhelm Böck, seines Zeichen Vizepräsident des Zentralverbandes Gartenbau in Deutschland, kümmert sich um den Verkauf am Großmarkt in München und hilft immer noch im Betrieb mit, als „Kontrollorgan“, wie er mit breitem Grinsen sagt. Doch Kontrolle braucht Sohn Florian nicht. Der Betrieb ist für die Familie eine Herzensangelegenheit, jede Generation hatte ein Steckenpferd und entsprechende Spuren hinterlassen, sagt Seniorchef Wilhelm. „Mein Vater widmete sich dem Freilandgemüse, ich habe die Jungpflanzen eingeführt und Sohn Florian konzentriert sich auf Tomaten und die Online-Vermarktung.“
Wenn Florian Böck durch das große Tomatengewächshaus führt, ist ihm der Stolz anzumerken. Der Erfolg mit den „böckgemachten“ Tomaten, wie es auf den Schildern steht, gibt ihm Recht. Und das soll es noch nicht gewesen sein. Der Gärtnermeister ist jemand, der anpackt, viele Ideen hat und auch weiß, wie er seine Erzeugnisse mit passendem Marketing in Szene setzt. Das erste Geld habe der Familienbetrieb mit dem Radi verdient. Diese Zeiten seien längst vorbei. „Wer isst heute noch Radi?“, fragt Böck – und gibt die Antwort gleich selbst: Kaum jemand. Der Betrieb müsse sich ständig weiterentwickeln und mit der Zeit gehen. „Ich war nie der Typ, der sagt, wir machen alles wie bisher.“
Bayerischer „Ingwa“ mit Geschmacksexplosion
Da er in der Küche gerne mit Ingwer kocht, wagte Florian Böck ein Experiment und pflanzte einige Ingwerpflanzen im Gewächshaus. Heute produziert er auf rund 5000 m2 Ingwer, im vergangenen Jahr waren es rund 30 Tonnen – und die Nachfrage steigt stetig. Rund um den Ingwer kreierte Böck eine eigene Marke – den bayerischen „Ingwa“ – und erzeugte, wie er selbst sagt, „einen Hype“ rund um das ohne Pflanzenschutzmittel erzeugte Produkt. Der Ingwer sei sofort verzehrbar, ohne schorfige Haut, und dabei regional erzeugt, betont Böck. „Das ist eine wahre Geschmacksexplosion.“
Ein Werbevideo zum bayerischen Ingwa der Gärtnerei Böck sehen Sie hier:
Die gekonnte Vermarktung ist eines der Erfolgsgeheimnisse. Florian Böck gibt ein eigenes „Genussheft“ heraus, in welchem er über die Produktion der Lebensmittel und Pflanzen informiert. Für die Kunden gibt es einen Kalender mit Hochglanzfotos, die zeigen, wie die Lebensmittel vor Ort erzeugt werden. Und der Gärtnermeister ist immer auf der Suche nach neuen Ideen. Er führte eine „Rette-mich-Kiste“ für geschmacklich einwandfreie Lebensmittel ein, deren Erlöse der frühere Hobbyfußballer an gemeinnützige Vereine spendet. Kindergärten versorgt er mit Gemüsebeeten, die schon früh auf den Stellenwert von Lebensmittel aufmerksam machen.
Auch das Thema Nachhaltigkeit bedient der findige Betriebsleiter. Etwa 10 % seiner Pflanzen und Kräuter liefert Böck im „Pottburri-Topf“, einem Topf, der nicht aus Plastik, sondern komplett aus biologisch abbaubaren Materialen wie Sonnenblumenschalen besteht. Und Böck bietet sämtliche Produkte rund um die Tomate an, wie etwa gefriergetrocknete Tomaten, denen das Wasser entzogen wurde und die wie Chips schmecken. Überschüssiges Gemüse verarbeitet er zu Gemüsefond oder Tomatensoße. 4 t Gemüse spendet er pro Jahr an die Tafel in Poing und die Nachbarschaftshilfe Vaterstetten. Für sein Engagement gegen Lebensmittelverschwendung nominierte ihn das Bundeslandwirtschaftsministerium für den Bundespreis „Zu gut für die Tonne“. Sein Erfolgsrezept? „Immer die Augen offenhalten.“
Onlinedirektvermarktung ist „die Zukunft“
Einen besonderen Schwerpunkt bildet derzeit die Onlinevermarktung an Privatkunden, sein „Baby“, wie Böck sagt. Er betreibt seit vier Jahren einen „digitalen Hofladen“. Seit Corona habe die Nachfrage nochmals deutlich an Schwung gewonnen. Ein Ende sei nicht in Sicht. Allein im April habe er Bestellungen von 100 Neukunden erhalten. Das Sortiment ist umfangreich, neben eigenen Produkten verkauft Böck Eier und Kartoffeln vom Nachbarn oder Zwiebel aus Ismaning. Hinzu kommen Milch, Wurst, Brot sowie eine Auswahl an Obst und Gemüse.
Die Kunden erhalten die bestellten Lebensmittel und Pflanzen an bestimmten Liefertagen entweder gegen Aufpreis von 2 € an die Haustüre geliefert oder sie können sie in der gekühlten Abholstation am Hof mitnehmen. In erster Linie gehe es darum, regionale Lebensmittel mit Vertrauen kaufen zu können, beschreibt Böck die Philosophie. Ein Nebeneffekt: Der Betrieb ist unabhängig vom Lebensmitteleinzelhandel, der einst der größte Auftraggeber war. Die digitale Direktvermarktung gewährleiste größten Handlungsfreiraum, schließlich kann schnell reagiert und bei Bedarf der Preis angepasst werden. „Die Online-Direktvermarktung ist die Zukunft.“ Bis zu 1000 Kisten liefert der Betrieb pro Woche. Manchmal findet sich darin auch der „böck’sche Radi“. Den gibt es, trotz so mancher Neuerung, immer noch – im Onlineshop aktuell für 2,90 €, natürlich „böckgemacht“. Daran hat sich seit 1896 nichts geändert. Und das soll auch so bleiben, sagt Gärtnermeister Florian Böck.