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Marktnische

Die Krone der Melone

Der Melonenbauer mit einem Referenzobjekt: Marinus Niederthanner wagte es mit dem Anbau der „Inntaler Wassermelonen“.
Martina Fischer
am Montag, 05.09.2022 - 13:02

Marinus Niederthanner probiert auf dem elterlichen Betrieb im Inntal etwas aus, das es fast nur als Import gibt: Südfrüchte. Seine Melonen aus regionalem Anbau gehen weg wie warme Semmeln – wenn das Wetter mitspielt.

Mia miassn nur schnell was herrichtn“, ruft Marinus Niederthanner, „die Edekas san alle laar!“ Zum vereinbarten Termin ist der 22-Jährige sichtlich in Eile. Große grüne Transportkisten voller Melonen müssen auf einen Hänger verladen, Bestell- und Lieferlisten gecheckt werden.

Schließlich übernimmt wegen des Interviews mit dem Wochenblatt Mutter Veronika die Auslieferung. Die geht an die Edeka-Märkte der Familie Prechtl mit Standorten in Raubling, Brannenburg, Bad Aibling und Bad Feilnbach, alle nur zwischen vier bis maximal 25 km vom Acker entfernt. Sie bekommen nicht wie die meisten Supermärkte ihre Melonen aus 1560 km Luftlinie von Spanien her. Die „Inntaler Wassermelonen“ von Junglandwirt Marinus Niederthanner können, außer „beim Prechtl“, noch in zwei Melonenhäuschen erworben werden, eines in Oberaudorf und das andere direkt am Hof in Nußdorf. Kasse auf Vertrauensbasis.

Welche Größe darfs sein? Im Verkaufsstandl gibt es jedes Volumen.

Das spart natürlich Personal, aber „vergessen“ die Kunden dadurch nicht bisweilen das Bezahlen? „Ja leider“, sagt Niederthanner. Rund ein Viertel der seltenen, begehrten Ware werde von Leuten gestohlen.

Das passiert beim ein Hektar großen Melonenfeld nicht so leicht. Es ist umzäunt. Das allerdings aus einem anderen Grund: wegen der Rehe. Jedoch nicht etwa, um Verbissschäden an den Melonen zu vermeiden. Das Durchlaufen stellt das Problem dar, wie sich früh nach der ersten Pflanzung zeigte: Den Pilotversuch startete Marinus Niederthanner 2020.

Bereits damals verwendete er abbaubare Schwarzfolien aus Maisstärke. „Das passt, weil die Melonen einjährig sind“, erklärt er. Kleine Löcher werden für die Setzlinge gestochen. Nach der Ernte werden die Folien untergepflügt und verrotten. Auch die Rehe „stachen“ – auf ungünstige Weise – mit ihren Klauen Löcher in die Folie. Nach zwei Wochen folgte der Zaunbau zur Problemlösung.

Wie kommt ein junger Landwirt aus dem Chiemgau eigentlich zum Melonenanbau? Es war eine bewusste Wahl aufgrund der Struktur des elterlichen Hofes, erklärt er. Der Nebenerwerbs-Betrieb der Niederthanners umfasst 28 ha. Der Großteil davon wird mit Weizen und einem geringen Anteil Mais bestellt. Beides „Massenprodukte“, die bei wenig Fläche dementsprechend wenig profitabel sind, sagt Marinus Niederthanner.

Arbeitsintensiver, aber auch interessanter war für ihn immer ein anderer Betriebszweig, der Erdbeeranbau. Den betreibt die Familie seit dem Jahr 2000 auf 6,5 ha an zwei Standorten – einer in Pang und einer in Nußdorf am Inn. Die Abnehmer sind zu 95 % Selbstpflücker, die Felder von 8 bis 20 Uhr für sie geöffnet. Der wirtschaftliche Ertrag ist gut, bietet also durchaus eine Zukunftsperspektive.

Schön rausgeputzt: Freundin Magdalena hilft beim Melonenwaschen.

Nach dem Fachabitur stellte sich für Marinus Niederthanner die Frage, welchen Berufsweg er einschlagen möchte. Erst dachte er an ein Landwirtschaftsstudium. Dann fand er eine weitere Möglichkeit, die für ihn maßgeschneidert schien: eine Ausbildung zum Gärtner mit Fachrichtung Obstbau. Die wird an der Berufsschule Heilbronn in Baden-Württemberg angeboten.

Aufgrund seines Fachabiturs hätte sich der junge Landwirt für eine verkürzte Lehre entscheiden können. „Das wollte ich aber nicht, sondern lieber die ganze Lehrzeit.“ So lernte er drei Betriebe und deren Arbeitsweise kennen, zuerst in Schwabach bei Nürnberg, dann in Wasserburg am Bodensee und schließlich in Eberdingen nahe Stuttgart.

Heuer schloss Niederthanner die Lehre ab. Der Melonen-Versuch erfolgte sozusagen ausbildungsbegleitend. Inspiration hierfür bot ein Obstbauseminar, das die Azubis besuchten. „Ich habe mir gedacht: Das könnte bei uns auch funktionieren.“ Los gings 2020: Nachbarn, Freunde und Familie halfen mit beim Pflanzen von 5000 Setzlingen aus Italien.

Die Wassermelonen seien eigentlich gar nicht sehr anspruchsvoll, findet der 22-Jährige. Wie viele andere Pflanzen bräuchten sie einen leichten Boden ohne Staunässe. Die Schwarzfolie müsse verlegt werden. Ende Mai wird dann gesetzt. Wie überall im Obstbau sei der größte Feind der Hagel. Pflanzenschutz sei nicht viel nötig, findet der Junglandwirt, der die Früchte konventionell anbaut. Bei denen gebe es nur ganz typische Probleme mit Mehltau, Blattläusen oder Spinnmilben. Auch scheinen die Melonen gar nicht so extrem sonnenhungrig, wie man vielleicht vermuten möchte.

Frost geht natürlich gar nicht, weiß Niederthanner. Im Frühjahr kann die Pflanzung deshalb erst nach den Eisheiligen erfolgen. Aber ein Sommer wie in den Mittelmeerländern sei auch nicht nötig. Schaden tut die Wärme trotzdem nicht. Denn heuer spielte der sonnige Sommer beim Anbau gut mit. Die Ernte konnte bereits Mitte August erfolgen. 2020 und 2021 war sie erst Anfang September möglich.

Das ist ein springender Punkt beim hiesigen Melonenanbau. Falls es zu viel regnet oder eher kühl ist, sind die Früchte erst im Spätsommer erntereif. „Das ist leider fast zu spät, weil die Leute die Wassermelone als typische Sommerfrucht sehen“, sagt Niederthanner.

Prächtige Melone: Hier warten sie auf die Auslieferung zum „Prechtl“.

Auch bei den Fruchtgrößen konnte der junge Landwirt in den ersten drei Anbaujahren bereits einiges über die Kundenpräferenzen erfahren. „Ich habe gedacht: große Melonen sind super“, sagt er. Es folgte die Erkenntnis: „A bissl Kleinere gehen besser.“ Früchte zwischen 4 und 5 kg sind die Verkaufsrenner. Das heißt aber nicht, dass es nur diese Größe bei Niederthanners gibt. Das Melonen-Angebot rangiert zwischen 1,5 bis 12 kg – für alle Kundenbedürfnisse eine. Der Kilopreis liegt zwischen 1,00 und 1,50 €.

Mit wachsender Erfahrung passte der Melonenbauer auch die Sorten an. Waren es 2020 noch sechs Sorten, wurden 2021 nur noch vier Wassermelonen-Varietäten angebaut. Dieses Jahren drei. „Jetzt kommen wir an einen Punkt, an dem die Konstellation langsam passt“, freut er sich. Seit Anfang an und immer noch dabei ist nur eine: „Top Gun“ – attraktiv grün gestreift mit frühem Reifezeitpunkt. Die anderen werden nicht verraten.

„Wir haben auch viel Lehrgeld bezahlt“, sagt der 22-Jährige, wenn er sein erfolgreiches Melonenprojekt bilanziert. Im Obstbau will er gerne tätig bleiben. Dann aber lieber auf der „sicheren Schiene, nicht zu exotisch“. Äpfel würden sich anbieten. Zu den eher schnell zu vermarktenden Erdbeeren und Melonen könnten sie eine gute Ergänzung darstellen. „Die kann man auch gut lagern“, überlegt er. Ein Kühlhaus wäre dann noch nötig. Vielleicht das nächste Projekt des jungen Landwirts.