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Milchkonsum

Klimaneutrale Milch: Verbraucher treiben an

Bayern
Dietmar Fund
am Montag, 09.12.2019 - 08:51

Die Molkereien haben die neuen Nachfragetrends schon erkannt und differenzieren ihr Angebot entsprechend.

Mettenheim/Lks. Mühldorf - Die deutschen Verbraucher sind gesundheitsbewusster geworden. Das kann man aus den Absatzzahlen herauslesen. Außerdem wollen immer mehr von ihnen wissen, wie die Bauern die Kühe halten, aus deren Milch die Milcherzeugnisse hergestellt werden. Darauf müssen sich die Milchbauern einstellen. Das waren die beiden wichtigsten Erkenntnisse, die rund 70 Besucher des „Info-Treffs Milch“ in Mettenheim vermittelt bekamen. Dorthin hatte der Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB) eingeladen.

Neuster Trend ist die "klimaneutrale Milch"

Die Molkereien haben die neuen Nachfragetrends schon erkannt und differenzieren ihr Angebot entsprechend. Sie gehen mit immer neuen Bezeichnungen wie „Heumilch“, „Weidemilch“ oder „Bergbauernmilch“ auf die Arbeitsweise ihrer Landwirte ein. Die dänische Molkerei Arla thematisiert jetzt sogar die „klimaneutrale Milcherzeugung“ und hat seit September in Schweden wie andere Molkereien eine „klimaneutrale“ Biomilch im Angebot. Auch 1750 deutsche Milchbauern, die an Arla liefern, können ab 2020 an dem „Klimacheck-Programm“ teilnehmen, das auf die klimaneutrale Produktion abzielt. Sie werden mit einem Cent mehr pro Kilogramm Milch belohnt. Ein entsprechendes Label sei aber in Deutschland noch ein Fernziel, erklärte Markus Teubner, Pressesprecher von Arla Foods.

Das Marketing mit solchen neuen Bezeichnungen hat Erfolg. Das zeigte der Marktbericht des Kemptener VMB-Geschäftsstellenleiters Jürgen Geyer. Demnach hat laut Erhebungen der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft mbH (AMI) in Bonn von 2017 bis 2018 nicht nur der Verkauf von Bio-Frischmilch in Deutschland um 8,7 % zugenommen. Der Zuwachs beim Verkauf von „Weidemilch“ war mit 11,1 % sogar noch höher, während der Absatz von Frischmilch außerhalb von Bio- oder Weidemilch insgesamt um 1,9 % zurückging.

Rückgang bei Butter

Beim Butter verkaufte der Lebensmitteleinzelhandel im selben Zeitraum 6,1 % weniger, was der Referent angesichts des gleichzeitigen Zuwachses der Mischfette um 7,1 % als Ausdruck eines gestiegenen Gesundheitsbewusstseins wertete. Beim Käseabsatz berichtete er ebenso wie beim Quark von einer Stagnation praktisch auf Vorjahresniveau. Beim Joghurt wiederum sei der Absatz um 2 % zurückgegangen, was wegen des zunehmenden Absatzes von Naturjoghurt auf eine schwächere Nachfrage nach süßem Fruchtjoghurt zurückzuführen sei. „Obwohl der Butter-Absatz im Handel in den letzten Jahren rückläufig war, hat er sich insgesamt bei rund sechs Kilo je Kopf und Jahr stabilisiert. Genauso ist es beim Käse mit rund 24 Kilo je Kopf und Jahr“, bilanzierte Geyer. „Darin spiegelt sich, dass die Verbraucher immer mehr verarbeitete Produkte wie etwa Tiefkühlpizza kaufen.“ Geyers Fazit: „Normale Frischmilch bleibt ein Sorgenkind, der Konsum von Milchprodukten hat in Deutschland offenbar eine Grenze erreicht. Wenn wir die Milchmenge halten, wird der Export weiter eine wichtige Rolle spielen.“

Image und Absatz vorantreiben

VMB-Geschäftsführer Dr. Hans-Jürgen Seufferlein knüpfte an den stagnierenden Inlandsabsatz von Milchprodukten an und schilderte die Idee, über den Bayerischen Milchförderungsfonds und 0,05 ct/kg Milch auch die Image- und die Absatzförderung voranzutreiben. Der VMB setze dazu eine neue, für Smartphones und Tablet-PC optimierte Homepage ein. Er sei stolz auf eine erweitere Darstellung der Milchverkaufsstellen. Die Milchbauern könnten ihre Betriebe kostenlos auf der Internetseite www.milchverkaufsstellen.bayern registrieren lassen. In Bayern gebe es keine amtliche Stelle, die solche Betriebe sammle.

Seufferlein schärfte den Besuchern ein, dass Milchbauern mit Anbindehaltung nun „Bewegung zeigen“ müssten. Mit der bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber sei die Kombinationshaltung konzipiert worden.

Neue Anforderungen an den Tierschutz, die Milchhygiene und das betriebliche Umfeld kommen auf die Milchbauern ab Januar 2020 auch beim „Qualitätsmanagement Milch“ zu, das für den Produktionsprozess aller Milcherzeuger verpflichtend ist. „Wir müssen immer mehr Anforderungen erfüllen, aber beim Preis wird das nicht honoriert“, kritisierte daraufhin ein Zuhörer. Der VMB-Geschäftsführer entgegnete ihm, die bayerischen Milchbauern seien „immer die Getriebenen und nie die Treiber“. Ein bundesweiter Standard sei aber nötig, denn ohne ihn würde jeder große Lebensmitteeinzelhändler genauso wie die Molkereien seinen eigenen Standard definieren. „Bündelt Euch nicht nur, wenn es um den Milchpreis geht, sondern auch bei den Standards“, riet Seufferlein.

Eindringlich appellierte er zum Schluss an seine Landwirte, nichts zu tun, was dem Tierschutz widerspreche, denn der Fokus liege gerade auf ihnen.

Bevölkerung schaut stark hin

Wie stark die Bevölkerung „hinschaut“ und wie man das ins Positive wenden könnte, hatte eingangs Silvio Reimann geschildert, Geschäftsführer der Milch-Land GmbH aus dem thüringischen Veilsdorf. Sein Betrieb bewirtschaftet mit 110 Mitarbeitern, sieben Auszubildenden und fünf Aushilfen 4800 ha Land, baut 15 Feldfrüchte an und hält an zwei Standorten 4650 Rinder.

Von denen sind 2020 Milchkühe, 400 Mastrinder und der Rest weibliche Nachzucht. Entlang des Grünen Bandes, der ehemaligen Zonengrenze, weiden 550 Mutterschafe. Zwei Biogasanlagen betreibt Reimann fast nur mit Gülle. Damit ist er zwar von der Größe her mit den Milchbauern in Bayern überhaupt nicht vergleichbar, aber der Öffentlichkeit muss auch er sich stellen. Das tut er, indem er sich in Vereinen und in seiner Gemeinde engagiert und von Kindergärten über Schulen bis hin zu Praktika den „Verbraucher-Nachwuchs“ anspricht. Außerdem lässt Reimann Gülle schon seit Jahren direkt im Schlitzverfahren in den Boden einbringen und nur bis Samstagmittag ausfahren, an Sonntagen gar nicht.

Reimann übermittelt seinen Mitbürgern die Botschaft, dass es ihm nicht mehr auf quantitatives, sondern auf qualitatives Wachstum ankomme. Lieber wolle er mit seinen Kühen einen Liter Milch weniger erzeugen, wenn sie dafür gesund seien und alt würden. Seine Kühe stehen schon seit Anbeginn auf der Weide und in Laufställen. Von einem ist er überzeugt: „Wir haben gelernt, mit immer weniger Mitarbeitern immer mehr Kühe zu betreuen, um mit immer weniger Milchgeld auszukommen. Das ist eine gefährliche Entwicklung, die korrigiert werden muss“.