
Einer muss anfangen, dann folgen meist die Anderen nach. Landwirt Josef Schmid aus Riegsee zum Beispiel baut neuerdings Hanf an. Doch die Junkies in der Gegend haben sich zu früh gefreut: Die Blüten seiner Pflanzensorte enthalten nur einen verschwindend geringen Anteil an Tetrahydrocannabinol (THC) – jenem Stoff, der rauschähnliche Zustände verursacht, und sind deshalb für alle Kiffer völlig uninteressant. Zudem ist der Anbau in diesem Fall behördlicherseits genehmigt und streng überwacht, wie Schmid betont. Er ist laut dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Weilheim bislang der Einzige, der im Landkreis Garmisch-Partenkirchen eines seiner Felder mit dieser Nutzpflanze bestellt.
Hanf stellt nach seinen Worten einen nahezu unglaublich vielseitig verwendbaren Rohstoff dar, der über viele Jahrhunderte hinweg das Leben zahlreicher Menschen auf der ganzen Welt maßgeblich geprägt hat. „Das ist eine absolut faszinierende Pflanze“, sagt Schmid mit sichtlicher Begeisterung. In den vergangenen Jahrhunderten war Hanf ein in vielen Lebensbereichen verwendeter Werkstoff, etwa für die Herstellung von Schiffsseilen, Segeln, Papier, Kleidung, Medikamenten, Ölen, Dämmplatten und vielem anderen mehr. „Doch in den 1930-er Jahren ist er mit Absicht komplett vom Markt verdrängt worden“, bedauert Schmid. Zuvor habe sogar der amerikanische Fahrzeughersteller Henry Ford ein Auto gebaut, dessen Karosserie komplett aus Hanffasern gepresst war. Gefahren sei es mit Hanföl, das aus den Samen der Pflanze gewonnen wird.
„Allein in den USA gab es vor 1900 rund 7000 Farmen, die nur Hanf angebaut haben“, erzählt der Riegseer. Sie seien allerdings den Lobbys der damals stark expandierenden Rohöl- und Pharmaindustrie sowie der Baumwollproduzenten ein Dorn im Auge gewesen, weil diese im Anbau der vielseitig verwendbaren Pflanze eine massive Konkurrenz witterten. Mittels einer List erwirkten diese Großunternehmen behördlicherseits ein Anbauverbot. Ihr Argument war vor allem die berauschende Wirkung der THC-haltigen Blüten: „Plötzlich wurden die Hanfbauern als Kindermörder beschimpft“, so der Landwirt.
Hanfanbau nimmt zu
„Auch bei uns war der Hanf komplett verschwunden, doch nun kommt er ganz langsam wieder zurück“, freut sich Schmid, der heuer zusammen mit seinem Freund David Schuster aus Peißenberg erstmals 0,6 ha mit Hanfpflanzen bebaut hat. Die Fläche ist mittlerweile abgeerntet, nur am Rand stehen noch einige bis zu anderthalb Meter hohe Stängel. Fast liebevoll streicht der engagierte Bauer mit seinen Händen über die Blätter. „Die Vermarktung bei uns steckt noch in den Kinderschuhen, in den Ländern ringsum ist man da schon viel weiter“, erzählt er, etwa im niederösterreischischen Hanftal, wie er das Anbaugebiet von 270 ha nennt. Immer noch grassiere in Deutschland die Angst vor der vermeintlich gefährlichen Pflanze.
„Dabei ist der Hanf eine natürliche Alternative zum Kunststoff“, weiß Schmid. „Ich bin davon überzeugt, dass in spätestens zehn Jahren bei uns wieder überall Hanf angebaut wird.“ Seine Ernte – sechs riesige Rundballen – wartet bereits auf den Transport zu einem Abnehmer in der Schweiz, der die hochwertigen Fasern zu verschiedenen Produkten verarbeiten wird.
„Nächstes Jahr will ich eine noch größere Fläche mit Hanf bestücken“, kündigt der Landwirt an. Inzwischen hat bereits ein Grundstücksnachbar ebenfalls Interesse am Anbau signalisiert. Es ist also schon Bewegung drin.