Leipheim/Lks. Günzburg – Wenn das niedrige Preisniveau der Lebensmittel an die Substanz geht, suchen viele Betriebe ihr Heil in der Direktvermarktung. Dazu gehört jedoch mehr als hochwertige hofeigene Produkte. Auf dem Direktvermarktertag für Schwaben und Oberbayern-West erklärten die Referenten, wie sich das Kundengespräch, die Warenpräsentation und das Marketing professionalisieren lassen. „In der Direktvermarktung könnten wir heute längst da sein, wo Österreich und Südtirol bereits sind,“ sagte der Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Dr. Hermann Kolesch. „Aber bei uns hat die Agrarpolitik falsche Zeichen gesetzt.“
Erhard Würth vom Fachzentrum Diversifizierung und Strukturentwicklung am AELF Nördlingen begrüßte mehr als 50 Interessierte, unter ihnen Behördenchef Manfred Faber, Stephanie Kopold-Keis vom AELF Wertingen und Johann Bergmaier, Leiter des Sachgebiets Ernährung, Bildung und Diversifizierung in der Land- und Hauswirtschaft bei der Regierung von Schwaben. Die Ämter treibe die Frage um, welche Chancen die bayerische Landwirtschaft mit den gegebenen Strukturen noch hat, sagte Faber. Eine Antwort darauf laute: Die Betriebe sollten nicht nur erzeugen sondern auch direkt vermarkten.
Kolesch ging auf „Stellenwert und Kommunikation im Zusammenhang mit Lebensmitteln in der Gesellschaft“ ein. „Der Verbraucher interessiert sich für Produkte, die etwas Wertvolles darstellen, einen ideellen Charakter und eine traditionelle Verbindung haben. Sie suchten verstärkt nach Orientierung, die Vertrauen schafft, und nach Produkten, die mit Achtsamkeit hergestellt werden – Werte also, wie sie die heimische Landwirtschaft pflege. Dazu gehöre auch die Vorstellung von Heimat, wie sie Millionen Leser in den Hochglanzmagazinen suchen, die den Begriff „Land“ in ihrem Titel führen.
Die Sehnsucht nach der heilen, überschaubaren Welt wird jedoch vom Klimawandel, dem Artenschwund und einer angeblich industriellen Landwirtschaft gestört. Die Gesellschaft wünscht sich einen vielfältigen und auf die Region ausgerichteten Ackerbau, die Tierhaltung soll kleiner und artgerechter werden, der Lebensmittelkonsum bewusster und gesünder. „Wir werden diesen Transformationsprozess gemeinsam im Dialog mit der Gesellschaft gehen müssen“, bekundete Kolesch. Deshalb hat das Landwirtschaftsministerium ein Drei-Säulen-Konzept der Premiumstrategie für bayerische Lebensmittel auf den Weg gebracht:
Die Auszeichnung von 100 Genussorten
die Genussakademie Bayern in Kulmbach mit praxisorientierten Qualifizierungen und Workshops rund um das Thema „Genuss“
und die Genuss-Schätze Bayern (Begleitung spezieller Wertschöpfungsketten für hochwertige Produkte).
Es gilt also, die heimischen Lebensmittel neu über die „Marke Bayern“ zu positionieren. Und wer könnte das besser als die bayerischen Direktvermarkter? Kolesch empfahl ihnen auf Transparenz zu setzen und Informationen zu vermitteln. „Erzählen Sie die Geschichte Ihres Betriebs, schaffen Sie einen Mythos um Ihre Produkte, erhöhen Sie die Wertschöpfung, indem Sie Emotionen schaffen.“ Am besten lasse sich das über die sozialen Medien kommunizieren, in denen Millionen von Verbrauchern und potenziellen Kunden täglich präsent sind. Den persönlichen Kontakt zum Kunden könnten die sozialen Medien allerdings nicht ersetzen. Ihnen fehle die Kreativität und die Herzlichkeit. „Datenbanken können nun einmal nicht lächeln“, betonte Kolesch. Durch das persönliche Gespräch mit den Verbrauchern seien die Direktvermarkter prädestiniert, ein neues Bild und Verständnis der Landwirtschaft zu schaffen. „Menschen vergessen, was gesagt und getan wurde. Aber sie vergessen nicht, wie sie sich in bestimmten Situationen gefühlt haben.“
Der Münchner Innenarchitekt Daniel Kükenhöhner hat 2018 die Agentur Petzinger übernommen,die maßgeschneiderte Geschäftskonzepte für inhabergeführte Bio-Lebensmittelläden erstellt. „Wer Erfolg haben will, benötigt eine Strategie“, wusste Kükenhöhner. „Direktvermarkter müssen für ihre Produkte einen Wiedererkennungswert schaffen, ihre Kunden überraschen und ihnen ein Aha-Erlebnis bieten.“ Heute genüge es nicht mehr, den Konsumenten zufriedenzustellen, er will begeistert werden.
Kundenbewertung wichtiger als der Preis
Eine erste Visitenkarte ist der Internetauftritt. Nicht der Preis eines Produkts, sondern die Kundenbewertungen seien inzwischen ein wichtiges Kriterium für Käufer. Die zweite Visitenkarte sei die Fassade des Hofladens und die attraktive Gestaltung des Eingangsbereichs. Schirme, Fahnen, Markisen oder Sitzbereiche strahlen Gemütlichkeit aus. „Das Auge isst mit, nicht nur auf dem Teller, sondern bereits beim Einkauf, noch bevor der Kunden den Laden betritt.“
Wer erfolgreich direktvermarkten will, sollte ein Profil entwickeln: Welche Zielgruppe spreche ich an? Sollen es Familien mit Kindern sein? In diesem Fall wären ein Hofladen ohne Spielecke oder ein Betrieb ohne Streicheltiere ein „No go“. Mit welchem Produkt oder Sortiment hebe ich mich vom Mitbewerber ab? „Mit Bio locken Sie niemanden mehr hinter dem Ofen hervor“, sagte Kükenhöhner. Auch „Regionalität“ sei inzwischen ein sehr emotionaler Begriff, mit dem Direktvermarkter gegenüber dem LEH Punkte sammeln. „Geben Sie Ihren Produkten ein Gesicht, werben Sie damit, dass die Lebensmittel am Hof oder vom nur wenige Kilometer entfernten Berufskollegen produziert werden.“ Das Profil des Hofladens muss sich wie ein roter Faden durch Webseite, Visitenkarten oder Flyer ziehen, über die Gestaltung der Räumlichkeiten, die Kleidung der Mitarbeiter bis hin zu den Etiketten auf den Produkten.
Zum erfolgreichen Verkauf gehört die perfekte, professionelle Warenausleuchtung. „Das kostet zwar Geld, aber amortisiert sich. Richten Sie Ihren Laden lieber mit gebrauchten Möbeln ein, investieren sie dafür in die Beleuchtung und rücken Sie Ihre Produkte ins rechte Licht.“ Kükenhöhner ermunterte zur Reduktion: Was brauche ich wirklich und was ist lediglich „nice to have“? Ruhige Hintergründe setzen die Produkte in Szene. Nicht zu unterschätzen sei die psychologische Wirkung von Farben.
Der Laden muss gut ausgeleuchtet sein
Das Marketing versteht Kükenhöhner als Zusammenspiel aller Medien. Wer keine Webseite managen wolle, dürfe nicht vergessen, dass 80 % der Bevölkerung im Internet unterwegs seien. Das Agieren in sozialen Medien benötige seine Zeit, weil es zeitnah erfolgen muss. „Wer hier mit vielen Bildern arbeitet, Emotionen schafft, die Menschen zum Lachen bringt, ist auf der Gewinnerseite.“
Mögen die Ideen, die bäuerliche Direktvermarkter entwickeln, noch so innovativ und zweckmäßig sein – am Ende könnte noch das Baurecht einen Strich durch die Rechnung machen. Dipl. Ing. Rainer Mense, Bauberater am AELF Coburg, erklärte deshalb, welche Anforderungen das Baurecht an die Aufstellung von Selbstbedienungshäuschen und -automaten stellt.
Abschließend erläuterten erfolgreiche Direktvermarkter ihre Strategie. Reiner Mense stellte den „Cube“, eine Automateneinhausung am AELF Coburg, vor. Paul Jakob vom „Scheicherhof“ in Allmering schilderte seinen neugebauten Hofladen mit Verarbeitungsküche und Martin Stiegler aus Cadolzburg gewährte den Direktvermarktern einen Einblick in seine Haselnussvermarktung „Franken-GeNUSS“.