
Mehr als 300 qm Platz pro Schwein. Diese großzügige Fläche ist alles andere als alltäglich, aber möglich. Das zeigt Rupert Stäbler aus Halfing im Landkreis Rosenheim mit seinen Waldschweinen, die er an drei Standorten in hält.
Stäblers Leitmotive: eine artgerechte, freie Tierhaltung, Biofutter zum Fressen, das die Schweine selber im Wald finden und keinerlei vorbeugende Medikamentengabe. Seit sechs Jahren baut der 32-Jährige seine Art der Tierhaltung auf. Rupert Stäbler forschte in diesem Bereich und möchte die Schweinehaltung jetzt sukzessive vom Neben- zum Haupterwerb entwickeln.
Holzhütten für die Schweine

Die sieben Holzhütten fallen gleich auf, wenn man kurz nach dem Ortsausgang von Halfing Richtung Wald weiterfährt. Auffällig sind sie auch wegen ihrer spitz zulaufenden Bauform mit dem Dachansatz auf dem Boden. Die Hütten stehen auf einer einen Hektar großen Weide mit hohem Zaun. Man hält an einem Metalltor und geht in das erste eingezäunte Areal mit Vorplatz. Ein weiterer Zaun steht in 2 m Abstand. Das ist Vorschrift. Denn durch den so generierten Schwarz- und Weißbereich soll sichergestellt werden, dass sich die Afrikanische Schweinepest nicht in den Waldschweinebestand übertragen kann, wie Stäbler erklärt.
Im vorgelagerten Bereich finden sich jedoch erst einmal andere ganz Tiere. Drei neugierige Schafe sind geschäftig unterwegs. Sie haben eine Aufgabe als Saisonarbeiterinnen. Stäbler bekommt sie während der Weideperiode von einem Schäfer als „Rasenmäher“ für den Streifen zwischen den beiden Zäunen und die Zuwegung. „So wird kein Kraftstoff fürs Mähen verbraucht. Man muss sich doch auch wegen der Umwelt Gedanken machen“, findet er.
Schweineherden im Wald unterwegs
Gedanken macht der 32-Jährige sich über viele Aspekte seines Betriebes. Vor allem natürlich bei den Schweinen. Besser können sie es eigentlich kaum haben. Nach einiger Zeit kommen die ersten von ihnen aus dem Wald. Gemächlich, abwartend, aufmerksam. Die Situation wirkt fast unwirklich für hiesige Verhältnisse. Schließlich erwartet man im Zusammenhang mit dem Wald keine freilaufenden Hausschweine.
Genauso ging es Stäbler einst bei einem Urlaub in den Bergen Korsikas. „Da sind die Schweineherden so im Wald unterwegs wie bei uns die Kühe auf den Almen“, erzählt er. „Das Leitschwein hat eine Glocke um den Hals und die anderen folgen.“ Stäbler war beeindruckt. Ein völlig anderer Weg der Schweinehaltung sei das. Da müsste man doch auch in Bayern was machen können, war sein Gedanke.
45 ha Wald im Eigentum

Stäbler hatte daheim gute Voraussetzungen dafür. Seine Familie besitzt 6 ha Acker und 45 ha Wald. Der junge Mann studierte Agrarwissenschaften und dann Veterinärbiologie. Mit der vorhandenen Betriebsstruktur, der Unterstützung seiner Eltern und seinem Ausbildungsschwerpunkt Tierhaltung bot sich die Waldschweinehaltung geradewegs an.
Ab 2016 startete er einen Pilotversuch mit sechs Schweinen auf zwei Tagwerk Fläche. Der verlief erfolgreich. So baute Stäbler die Haltung weiter aus. Feinjustierungen waren und sind auch immer noch nötig. Vor denen scheut sich Stäbler auch nicht. „Man muss immer bereit sein, sich selbst zu überprüfen und Dinge anzupassen“, erklärt er.
So hatte Stäbler die Holzhütten, in denen die Schweine die Nacht verbringen, erst fix im Wald positioniert. Sie müssen aber mobil verstellbar sein, wie sich bald zeigte. In den Liegekuhlen, die die Schweine sich darin einrichten, sammelt sich bei Regen sonst nach einiger Zeit zu viel Wasser, so Stäblers Erfahrungswert.
Suhle braucht verdichteten Waldboden
An anderer Stelle wiederum war das Wasser sehr erwünscht. Für eine geräumige Suhle musste der Schweinebauer an einer Stelle den ansonsten zu durchlässigen Waldboden verdichten. Sonst wäre das Wasser davongelaufen. Jetzt können die Schweine sich darin von Ungeziefer reinigen und sich bei trockenem heißem Wetter abkühlen.
Diese Offenheit für neue Erkenntnisse ist bei Stäbler auch mit wissenschaftlichem Interesse gepaart. Seine Promotion verfasste er zum Thema „Schweine im Hutewald“ mit Forschungsfokus auf deren Verhalten in natürlicher Umgebung. Dabei fand Stäbler etwa heraus, dass die Tiere 25 % des Tages mit Wühlen verbringen und mehr Zeit für Grünfutteraufnahme aufwenden als für Kraftfutteraufnahme.
Für ihre Körperlagerung schaffen sie Kuhlen im weichen Boden, die zudem der Gelenkschonung zuträglich sind. Die Schlachtkörperuntersuchung von Stäblers Tieren ergab, dass keine Einschränkungen durch die Waldhaltung gegeben sind. Die Tiere sind gesund und gut entwickelt. „Natürlich muss man sich aber auch bei Waldhaltung um die Schweine kümmern“, betont Stäbler. Diese sei kein Selbstläufer. So schaut einmal täglich bei seinen Schweinen vorbei und prüft die Lage. Wenn nötig nimmt er Haltungsänderungen vor. Durch den abriegelbaren Fütterungsbereich, der auch als Pferch dient, hat er auch die Möglichkeit einer genaueren Untersuchung der Tiere.
Auf einem Hektar Weide und drei Hektar Wald rund 70 Tiere
Auf der Fläche in Halfing hat Stäbler bei gut einem Hektar Weide und drei Hektar Wald 70 Tiere: Sauen und kastrierte Eber, Kreuzungen aus Schwäbisch-Hällisch mit Pietrain und Duroc. Wetterabhängig kommen die Tiere ab Mai mit 25 kg Gewicht dorthin. Nahrung finden sie nach Belieben auf der Weide, im Wald und im Fütterungsbereich. Unter anderem bekommen sie übrigens Gerste vom betriebseigenen Acker.
Die Schlachtung erfolgt dann wiederum witterungsabhängig ab Oktober bis Weihnachten mit dann 150 kg in einem nur wenige Kilometer entfernten Schlachtbetrieb. Handwerklich sei der geführt und es erfolge eine schnelle Betäubung mit der Elektrozange, sagt Stäbler. „Mir ist es wichtig, wie es da abläuft.“ Vom ersten bis zum letzten Tag.
Einen weiteren Standort haben die Schweine in Stephanskirchen, wo 25 Tiere auf 2 ha leben. Stäbler hält aber auch Waldschweine in Regensburg, gut 100 Stück, dort auf 14 ha. Um sie kümmert sich ein anderer. Die Stückzahlen so gut wie möglich an den Standort anzupassen, sei eminent wichtig, sagt er. Sonst erfolgt eine Überweidung des Hutewaldsystems. „Und die Nutzung soll ja auf lange Zeit erfolgen.“
Vermarktung über Supermärkte und Metzgereien
Die Vermarktung des Schweinefleisches erfolgt über eine Reihe von Edeka-Supermärkten und Metzgereien im Raum München, Rosenheim und Traunstein sowie auf Wochenmärkten und über eine Genossenschaft in der Regensburger Gegend. Auch kann man Fleisch nach Vorbestellung ab Schlachthof oder am Hof der Stäblers in Rosenheim abholen. Das ist durch die besondere Haltungsform zarter, mit hellweißem Speck und ohne Wasseraustritt beim Braten, versichert Stäbler.
Für die Zukunft plant er eine „Weiterentwicklung mit Augenmaß“. Dazulernen und Offensein für Neues, sagt er, seien auch nach sechs Jahren in wichtiger Bestandteil seiner Arbeit. Unabdingbar ist für Stäbler sowieso sein wichtigstes Ziel: die möglichst 100 % artgerechte Haltung, bei der es den Schweinen einfach gut geht. Schaut man sich die Tiere beim Wühlen im Wald und in ihren selbst ausgehobenen Liegekuhlen an, bekommt der Begriff „Schweineleben“ jedenfalls eine ziemlich klar positive Konnotation.