
Fleisch aus dem 3D-Drucker, Gemüse aus der Lagerhalle - was vor 60 Jahren noch kaum vorstellbar war, wird weltweit immer häufiger zur Realität und zum herausfordernden Forschungsansatz für die Wissenschaft. „Sind damit Landwirte künftig überflüssig?“ - mit dieser provokanten Frage hatte das Bildungswerk des Bauernverbands Erding-Freising zu einem Vortrag mit Prof. Marius Henkel der TU München geladen. Kreis Obmann Jakob Mayer begrüßte die rund 70 Gästen in den Räumen der Raiffeisenbank Erding und betonte, dass gerade die Bauern wissen sollten, wie die Landwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten aussehen könnte. „Wenn man das Thema konsequent zu Ende denkt, dann ist vielleicht der Flächenverbrauch kein Thema mehr“.
Prof. Henkel stellte neben den verschiedenen Arten des Fleischersatzes auch die Forschungsprojekte seine Lehrstuhls vor. Er zeigte, wie mit biotechnologischen Methoden tierische landwirtschaftliche Produkte ersetzt werden können und skizierte die Herausforderungen, die Natur im Labor nachzubilden. Im Vortrag ging es neben der Qualität der Produkte und dem hohen Energiebedarf bei der Produktion auch um die zukünftige Rolle der Landwirtschaft, eine gerechte Lebensmittelverteilung und das Tierwohl.
77 Prozent der Nutzflächen werden für Viehzucht und Futteranbau verwendet
Die Wirtschaftlichkeit der Verfahren rückte er in den Fokus. Derzeit werde 77 Prozent der Nutzfläche für Viehzucht und Futteranbau verwendet, obwohl nur 17 Prozent unserer Nahrung aus tierischen Produkten kommen. „Aus 8cal an Futtermitteln generieren wir nur 1cal an Nahrungsmittel“, führte Prof. Henkel aus. „Das ist ineffizient“.
Fleischersatz liegt im Trend und die Branche wächst: Allein 2022 wurde eine Menge von 104.300 Tonnen (t) an Fleischalternativen hergestellt. Das sind 6.400 t oder 6,5 % mehr als im Vorjahr. Vergleicht man die Menge mit 2019, wuchs die Produktion sogar um 72,7 %. Der Verkaufswert ab Werk von Tofuwurst, Sojabratling oder Veggie-Burgern als vegetarische Ersatzprodukte lag 2022 bei 537,4 Mio Euro und übertraf damit das Vorjahresniveau um 17,3 %.
Die Deutschen essen immer weniger Fleisch
Statistisch nehmen die Produkte am Fleischmarkt dennoch bisher nur eine Nischenstellung ein. Der Wert des in Deutschland produzierten Fleisches einschließlich Fleischwaren lag 2022 bei 42,4 Mrd Euro und erreichte damit fast das 80-fache des Wertes der Fleischersatzprodukte. Die Tendenz zu weniger Fleisch setzt sich in Deutschland aber fort. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verzehr lag 2022 bei 52,0 kg, was innerhalb von zehn Jahren einen Rückgang von 8,9 kg oder fast 15 % entsprach. Seit Beginn der Verzehrsberechnung im Jahr 1989 wurde nie weniger Fleisch konsumiert als heutzutage.
Derzeit ist es möglich, mit verschiedenen Methoden lebenswichtige Proteine zu gewinnen: pflanzliche Rohstoffe imitieren, Lebensmittel aus Biomasse herstellen oder Fleisch aus Zellkulturen nachzüchten. Auch spielt die Fermentation eine große Rolle. Erfolge wurden auch bereits mit sogenanntem „kultivierten Fleisch“ erzielt. Hier werden Tieren Zellen entnommen und unter Laborbedingungen zum Wachsen und Vermehren gebracht. Laut einer Prognose von McKinsey könnten im Jahr 2030 so zwei Millionen Tonnen an kultiviertem Fleisch hergestellt werden. Demgegenüber stehe allerdings die Prognose der globalen Fleischproduktion von 375 Millionen Tonnen pro Jahr.
Fleisch aus dem 3D-Drucker ist sehr teuer
Über biotechnologische Verfahren wie der Präzisionsfermentation ist man in der Lage, zum Beispiel natürliche Produkte wie die Kuhmilch zu imitieren. „Im Gegensatz zur traditionellen Fermentation gelingt das aber nur mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen“, berichtet Prof. Henkel. „In den USA können Produkte aus dem so gewonnenen biosynthetischen Milchprotein gekauft werden, in der EU sind diese derzeit nicht zugelassen.“ Hybridprodukte vereinen die geeigneten Eigenschaften aus den verschiedenen Ansätze: pflanzlichen Rohstoffen, kultivierte tierische Gewebe, fermentierte proteinhaltigen Nahrungsmittel oder biosynthetische Proteine mischen und zu neuen Produkten vereinen. Um den teils poröse Strukturen des neuen Materials mehr Struktur zu geben, werden Blutgefäße über 3D-Druck realisiert und miteinander kombiniert. Fleisch aus dem 3D-Drucker ist somit bereits Realtität, „Allerdings ist die Herstellung sehr kostenintensiv“, berichtet Prof. Henkel. „Derzeit zahlt man für ein künstlich erzeugtes Kilo Rindfleisch rund 100 Euro“.
Zum Abschluss beleuchtete Prof. Henkel das „Vertical Farming“, bei dem landwirtschaftliche Produkte vertikal, in mehreren Ebenen übereinander, beispielweise mitten in der Stadt, gezogen werden. Diese Form der Landwirtschaft spare Platz und Ressourcen, derzeit verhindere der hohe Energiebedarf den Erfolg von Vertical Farming, so die Ansicht von Prof. Henkel. „Vertical Farming ist (bisher) nicht wirtschaftlich und somit keine Konkurrenz zum Ackerbau“.
Technologie macht Fleischersatz möglich
Lebensmittel im Labor nachzubauen, ist möglich. Allerdings fällt es noch schwer, die Natur zufriedenstellend zu imitieren oder eine überzeugende Wirtschaftlichkeit zu erreichen. In den neuen Verfahren liegt nach Ansicht von Prof. Henkel großes Potenzial, die Ernährung sicherzustellen. So groß, dass in vielen Ländern wie den USA, Israel oder Japan die Forschungen in diesem Bereich intensiv gefördert wird. Die größten Marktchancen sieht Prof. Henkel, derzeit bei Hybridprodukten. Die so hergestellten Produkte sind teilweise sehr nahe an dem fleischhaltigen Original-Produkt: So ist zum Beispiel der pflanzliche Burger einer US-Firma eine Mischung aus Sojahack mit einem Bluthämoglobin aus pflanzlichen Stoffen und das Produkt scheint beim Anschneiden wie ein Steak zu „bluten“.