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Rettung

Bockkitz lebt mit Jägerfamilie zusammen

Reh Hansi und Katja Hitzelsperger
Ludwig Holly
am Montag, 28.02.2022 - 12:21

Es ist eine ungewöhnliche Geschichte: Bockkitz Hansi ließ sich einfach nicht mehr abschütteln. Nun gehört das Kitz schon fest zur Familie Hitzlsperger dazu.

Forstinning/Lks. Ebersberg Es kommt immer wieder vor, dass ein verwaistes Rehkitz mit der Flasche aufgezogen wird. Dass es später dann aber mit Menschen zusammenlebt, ist schon etwas Außergewöhnliches. Genau das ist auf dem Bauernhof der Familie Hitzlsperger der Fall, in der „Wagmühle“, wo in den letzten Wochen daher viel Medienrummel war.

Reh Hansi

Wie es dazu kam, erzählt Tochter Katja, die auf dem Hof mit sechs Brüdern aufwuchs. Der Jüngste von ihnen ist Thomas Hitzlsperger, ehemaliger Fußball-Nationalspieler und heute Vorstand des Bundesligaclubs VfB Stuttgart. Es war am Muttertag 2021, als die 45-Jährige mit ihrer Tochter Maria und ihrer Deutsch-Drahthaar-Hündin Distel eine nahe gelegene Wiese nach Rehkitzen absuchte, weil der Nachbar am nächsten Tag mähen wollte. Eine Routinearbeit für die erfahrene Jägerin in der Setzzeit der Rehe, im Mai und Juni.

Es dauerte auch nicht lange, bis die Jagdhündin wieder ein zwei Tage altes Rehkitz aufspürte. Katja wickelte es in ein Grasbüschel, damit es wegen des menschlichen Geruchs von der Geiß nicht verstoßen wird und legte es in der Nachbarwiese ab. Aber das Kitz duckte sich nicht, wie üblich, ins Gras oder flüchtete, sondern lief wieder zu ihren Rettern zurück.

Im Gras gefunden und nicht mehr losgeworden

Als auch der dritte Versuch misslang und von der Geiß weit und breit nichts zu sehen war, nahm die Jägerin das Kitz schließlich mit. „Die Gefahr war groß, dass das Kleine in der Nacht leichte Beute für den Fuchs geworden wäre“, sagt sie.
Seitdem ist das Bockkitz Mitglied der Familie. Es wurde von Woche zu Woche zutraulicher und lebte sich schnell bei der Jägerfamilie ein. „Hansi“, wie Mutter Anneliese ihn taufte, fühlt sich sehr wohl in seinem ungewohnten Zuhause. Bereits nach zwei Tagen hatte er sich mit Haushund Distel angefreundet und seitdem liegen beide in ihren Körbchen im Flur oft friedlich nebeneinander.
Aufgezogen wurde das Kitz mit Schafsmilch. „Die etwas fettärmere Kuhmilch vertragen Rehe nicht“, erklärt Katja, die früher schon verwaiste Kitze aufzog und sie dann an ein Wildgehege abgab. Diese wurden aber nie so zutraulich. Mit Hansi ist alles anders.
Jetzt bekommt das junge Tier täglich eine Ration Spezialfutter mit Mais, Hafer, Lacerna und Apfeltrester, auch mal ein Pferde-Leckerli. Familienmitgliedern gegenüber ist es sehr entspannt und richtig zutraulich. Sind Fremde im Haus, bleibt es zwar ruhig und auch neugierig, aber es hält Abstand.

Jeden Morgen kommt er zum Frühstück

Gegen Abend verlässt Hansi das Haus und verschwindet im nahe gelegenen Wald. Ob es dann Kontakt zu anderen Rehen hat, weiß die Familie nicht. Am nächsten Morgen, manchmal auch erst nach zwei Tagen, steht es dann wieder an der Haustür und will ins Haus hinein, wo es sein spezielles Frühstück bekommt.
„Wenn es im Haus ist, braucht es auch seine Streicheleinheiten. Dann kommt es zu mir und dann kuscheln wir zwei und es folgt mir auch auf Schritt und Tritt, wenn ich in den Hof oder Garten hinaus gehe“, erzählt Katja.
Sehr wichtig ist der Landwirts- und Jägerfamilie, dass das junge Reh trotzdem weiterhin wie ein Wildtier leben kann. „Wir haben es nie angebunden oder eingesperrt oder zu etwas gedrängt.“ Die Tür steht immer offen. Wie es weitergeht, wenn das junge Bockkitz geschlechtsreif wird? „Das ist ungewiss“, sagt Vater Ludwig Hitzlsperger. Die ganze Familie hofft, dass alles gut geht und Hansi lange oder für immer bleibt, denn alle haben das Tier längst ins Herz geschlossen. Reh-Mama Katja erklärt: „Wir wissen nicht, ob es immer wieder kommt oder eines Tages endgültig wegbleibt, weil es sich anderen Rehen angeschlossen hat. Das wäre natürlich, aber wir wären sehr traurig. Wie es sich entscheidet, das wissen wir nicht.“

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