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Technik

Die Abgaswärme effizient nutzen

AWN-Anlage
Ernst DeubelliErnst Deubelli
am Donnerstag, 08.04.2021 - 13:48

Auf dem Kapsner-Hof bei Schnaitsee werden Anlagen zur „Abgas-Wärme-Nachverstromung“ gebaut. Nun kann ein kleines Jubiläum gefeiert werden.

Auf den ersten Blick ist es nur ein kleines, aber doch beachtliches Jubiläum: Rund eine Million Kilowattstunden zusätzlichen Strom hat die AWN-Anlage auf dem Kapsner-Hof bei Schnaitsee im Kreis Traunstein seit dem Start vor sieben Jahren erzeugt – nur durch Nutzung der sonst ungenutzten Abwärme aus einer Biogasanlage und das ohne Leistungsverlust für die angeschlossene Wärmenutzung. AWN steht für „Abgas-Wärme-Nachverstromung“.

Im Einsatz in Schnaitsee ist die technologisch modernste Abgasnachverstromungsanlage, die mit einem robusten Dampfmotor ca. sieben bis acht Prozent mehr Strom erzeugt. Die Familie Kapsner betreibt auf dem Hof bei Schnaitsee nicht nur eine Biogasanlage zur Beheizung mehrerer Häuser, sondern auch Bullenmast und Milchviehhaltung.

Mit den Partnerbetrieben eng verbunden

Mit dem Unternehmen sind außerdem 30 Partnerbetriebe in der Landwirtschaft verbunden, um die notwendige Nahrung für die Bakterienkulturen in der Biogasanlage bereitzustellen. Außerdem läuft auf dem Hof in Poschen bei Schnaitsee noch eine große Trocknungsanlage für Heu- und Hackschnitzel, nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch im Lohnbetrieb. Die Idee zur weiteren energetischen Nutzung der heißen Abgase aus der Biogasanlage, ohne jedoch Einschränkungen in der Nutzwärme hinnehmen zu müssen, stammt von einem Berufskollegen in Halsbach im Landkreis Altötting. Der Kontakt zu den Entwicklern und Herstellern der AWN-Anlagen in Unterneukirchen war schnell hergestellt.

Abgas-Wärme-Nachverstromung

Richard Langlechner, der das Unternehmen AWN aufgebaut hat und mit seinem Sohn Reinhard leitet, freut sich über die Leistungsbilanz und über die erfolgreiche Mundpropaganda. Rund 40 Anlagen wurden mittlerweile in einem Umkreis von rund 70 km allein auf persönliche Empfehlung hin installiert. Und bei einem Besuch in Schnaitsee begeisterte sich auch ein befreundeter Landwirt aus Österreich für das System, so dass er sofort eine Anlage für seinen Hof im Burgenland orderte. Auch Thomas Kapsner hat inzwischen zwei Anlagen in Betrieb und eine dritte wird in Kürze installiert.

Für die beiden Unternehmer Thomas Kapsner und Richard Langlechner von „AWN GmbH – Strom aus Abgas“ in Unterneukirchen im Kreis Altötting ist die Leistung jedoch die Bestätigung für ihr Engagement und bedeutet zugleich die Einsparung von rund 1000 t Kohlendioxid, das bei Erzeugung der gleichen Strommenge in einem konventionellen Kohlekraftwerk angefallen wäre.

Die Erfolgsgeschichte der neuen Anlagen zur energetischen Nutzung der Abwärme aus Biogasanlagen beginnt vor gut zehn Jahren, im Grunde eigentlich vor knapp 50 Jahren. Damals machte Richard Langlechner, selbst in der Landwirtschaft aufgewachsen, als Jüngster in ganz Bayern seinen Meister im Kfz-Handwerk, gründete einen eigenen Betrieb und konnte sich als Jungunternehmer keinen der damals auf den Markt drängenden Fahrzeugprüfstände leisten.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Langlechner machte damals mit einem Rundfunk- und Fernsehtechniker aus der Not eine Tugend. Die beiden konstruierten einen eigenen Teststand, der sich rasch den handelsüblichen Anlagen überlegen zeigte und im Lauf der Jahre den Weltmarkt eroberte. Vor über zehn Jahren verkaufte Richard Langlechner das Unternehmen, das sich auf Entwicklung und Herstellung dieser Teststände spezialisiert hatte, wollte sich aber mitnichten zur Ruhe setzen. Er gründete ein neues Unternehmen, die AWN GmbH, mit dem Fokus auf energetische Abwärme-Nutzung aus Biogasanlagen, um deren ökologische und ökonomische Bilanz zu verbessern. Der Prototyp der Anlage ging vor rund zehn Jahren in Betrieb und liefert heute noch zuverlässig elektrischen Strom.
„Da geht viel zu viel Energie durch den Schornstein“, war die Analyse Langlechners angesichts des Energieverlustes in Biogasanlagen. Der Kfz-Meister und Unternehmer konzipierte und entwickelte kurzerhand eine Technologie, nutzte seine Kontakte zu Entwicklern, Hochschulinstituten und Unternehmen im Anlagenbau, um entsprechende Lösungsansätze umsetzen zu können. Ziel: Robust, einfach, rentabel.
AWN

Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen AWN, das seinen Sitz am ehemaligen Cartec-Standort in Unterneukichen hat, 15 Mitarbeiter in Technik, Verwaltung und Vertrieb. Es hat bereits rund 50 technisch ausgereifte Anlagen auf den Markt gebracht. Die Kosten einer Anlage, die in Modulbauweise an individuelle Ansprüche angepasst werden kann, betragen rund 150 000 €.

Bearbeitet werde zunächst vor allem der deutschsprachige Raum mit Fokus auf die Biogasanlagen in der Landwirtschaft, sagt Vertriebsleiter Daniel Starflinger. Geprüft wird derzeit auch die Anpassung der Technologie an Hackschnitzelanlagen. „Eine zusätzliche Herausforderung ist hier jedoch der Feinstaub-Anteil im Abgas. Vorstellbar wären auch Aggregate, die Abgas von Lastschiffen in der Binnenschifffahrt nutzten – und, und, und“, ergänzt Richard Langlechner. Vor weiteren Expansionen soll jedoch der Kernmarkt mit solider Technologie versorgt werden.

Mut zum technischen Querdenken

Und Technologie ist reichlich geboten, denn die Dampfmotoren in den Anlagen, welche die Generatoren antreiben, arbeiten mit über 500 °C in den Zylindern. „Das liegt deutlich über den durchschnittlichen Betriebstemperaturen von Formel-1-Motoren“, sagt Fachmann Langlechner. In den modernen Anlagen steckt die Forschungsleistung eines Hochschulteams aus Berlin, das zunächst einen Motor für das „Zero-Emissions-Konzept“ entwickeln wollte, das sich der VW-Konzern mal auf die Fahnen geschrieben hatte.
Integriert ist auch die Erfahrung eines renommierten deutschen Turbinenherstellers und vor allem das Know-how, aber auch der Mut zum technischen Querdenken des Unterneukirchner Unternehmers mit der Weiterentwicklung der Motoren in der AWN GmbH. Die Anlagen sollten außerdem umweltfreundlich, ausschließlich mit destilliertem Wasser und ohne jegliche chemische Zusätze arbeiten. „Ökologisch wie ökonomisch gedacht, denn chemische Zusätze machen Maschinen anfälliger und serviceintensiver“, betont Richard Langlechner.
Gegenüber anderen Technologien wird die Motorwärme für die Mehrerzeugung von Strom nicht verbraucht. In Langlechners Dampfprozess bleibt die von den Biogasmotoren produzierte Abwärme für den Betrieb zum Beispiel für Stallheizungen, ein Fernwärmenetz, eine Hackschnitzeltrocknung oder Ähnliches weitestgehend nutzbar. Dieser Nutzungsaspekt ist überlebenswichtig für fast alle Biogasbetreiber beziehungsweise für Betreiber von Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen in Kommunen, Krankenhäusern oder Schwimmbädern.
Wie lässt es sich erklären, dass die Prozesswärme erhalten bleibt und gleichzeitig zusätzlicher Strom produziert wird? Langlechner: „Das liegt zum einen am höheren Wirkungsgrad unseres Verdampfers im Vergleich zu den meisten herkömmlichen Abgaswärmetauschern. Als Abgaswärmetauscher werden grundsätzlich Rohrbündelwärmetauscher eingesetzt. Das heiße Abgas wird dabei durch Rohrbündel geleitet. Das Prinzip des AWN-Verdampfers ist gegensätzlich: Der heiße Abgasstrom umströmt ein Rohrschlangensystem mit einer sehr großen Oberfläche. Aufgrund der größeren Wärmetauscherfläche sind die Wärmeübertragung und somit auch der Wirkungsgrad entsprechend höher. “
Für die Betreiber der Anlagen gilt: Bei Einspeisung nach EEG erhalten sie für den Strom aus der Nachverstromungsanlage zusätzlich zur bisherigen Einspeisevergütung einen Technologiebonus von 2 ct/kW. Darüber hinaus steigt die Stromkennzahl der Anlage, was zu zusätzlichen KWK-Einnahmen führen kann. Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, den Strom zur Deckung des Eigenstrombedarfs einzusetzen. In diesem Fall sei ein Investitionszuschuss durch KFW/BAFA von bis zu 40 % möglich. Fachliche Beratung und Antragsstellung werden von AWN als Dienstleistung zu den Anlagen angeboten. Weitere Details zu AWN und der Technologie sind im Internet abrufbar. Die Internetseite lautet: www.strom-aus-abgas.de.

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