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Milchviehhaltung

Weidehaltung im Visier

Stephan Herbert Fuchs
am Freitag, 13.05.2022 - 07:00

Oberfränkische Biobauern sehen ihre Milchviehbetriebe in Gefahr und machen gegen EU-Öko-Verordnung mobil.

Weideverpflichtung-Ökobetriebe_LF

Kommt die Verpflichtung zur Weidehaltung, befürchten viele Biomilchlieferanten aus Oberfranken, dass sie mit allen negativen Konsequenzen wieder auf konventionelle Erzeugung umstellen müssen.

Einer der Betroffenen ist der Landwirt Hermann Grampp aus Melkendorf bei Kulmbach. Er hat jetzt mehrere Berufskollegen mobilisiert, um gegenüber Politik und Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass viele fränkische Milchviehhalter vor einer unlösbaren Aufgabe stehen.

Die Europäische Union drängt die deutschen Bauern dazu, die EU-Öko-Verordnung in die Tat umzusetzen. Zentraler Bestandteil der Verordnung ist die Weideverpflichtung für Öko-Milchvieh. „Das ist für uns nicht machbar“, sagen Hermann Grampp und seine Berufskollegen. Ursache dafür sind die kleinteilige Struktur der bewirtschafteten Flächen und die massiven Streulagen aufgrund der typisch fränkischen Realteilungsgebiete.

Die geforderten Weiden müssten in Hofnähe, neben den Stallungen sein, was, anders als zum Beispiel in Norddeutschland oder in Oberbayern, schon aufgrund der örtlichen Gegebenheiten unmöglich ist.

Dazu kommt, dass Bauern wie Hermann Grampp in den zurückliegenden Jahren teilweise Millionenbeträge investiert haben, um sämtliche Biostandards zu erfüllen. „Und jetzt soll alles umsonst gewesen sein?“, fragen sich er und seine Berufskollegen.

Hälfte der Biomilch könnte wegfallen

Markus Küfner aus Bindlach im Landkreis Bayreuth beispielsweise. Zusammen mit einem Partner bewirtschaftet er einen Biobetrieb mit 170 Kühen. „Weidehaltung ist bei uns unmöglich“, sagt Küfner. Auf der einen Seite grenzt der Hof direkt an die Bundesautobahn A9, auf der anderen Seite an die Eisenbahnlinie Bayreuth-Neuenmarkt. Wo soll er die geforderten Weiden hernehmen?

Harald Reblitz aus Coburg geht es ähnlich. Er ist Vorstandsvorsitzender bei den Milchwerken Oberfranken-West in Meeder bei Coburg. 15 bis 20 % der angelieferten Milch sei Biomilch. Reblitz befürchtet, dass die Hälfte davon wegfallen würde, wenn die Weideverpflichtung Wirklichkeit wird. Wie das zur politisch geforderten Steigerung des Ökoanteils passen soll, erschließt sich keinem der Beteiligten.

Auch die Verpächter spielten nicht mit, wenn es darum geht, wertvolles Ackerland in Grünland umzuwandeln, so Harald Küfner aus Untergräfenthal. Er werde die Milchviehhaltung notfalls ganz aufgeben, denn ein zurück auf konventionelle Erzeugung komme für ihn nicht in Frage.

K.o.-Kriterium für die Biohaltung

Gerd Böhner vom Lärchenhof bei Bindlach würde seine derzeit 180 Milchkühe deutlich reduzieren müssen, wenn er zur Weidehaltung gezwungen würde. Böhner spricht von einem echten K.o.-Kriterium. Dabei hatte er so viel Herzblut in die Milchviehhaltung gesteckt und immer wieder investiert.

„Wir stehen vor dem Nichts“, brachte Holger Hofmann aus Burghaig seine Situation auf den Punkt. Er hatte erst 2015 einen neuen Laufstall gebaut und „aus Überzeugung“ auf Bio umgestellt. Direkt an seinen Hof angrenzend hat er überhaupt keine Flächen. Die nächsten seien rund zwei Kilometer entfernt.

Ähnlich ergeht es Herbert Kunick aus Sonnefeld. Er müsste vier Kreis- und Staatsstraßen queren, um sein Milchvieh auf eine Weide und zurück zum Melkroboter zu bringen. Er brachte allerdings einen Kompromiss ins Spiel: so könnte man unter Umständen die Trockensteher, oder das Jungvieh auf die Weiden bringen, um die Öko-Verordnung zu erfüllen.

Europa lässt sich nicht überall eins zu eins umsetzen

„Europa lässt sich eben nicht überall eins zu eins umsetzen“, sagt der Landtagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Landtag, Martin Schöffel. Er setzt bei der Umsetzung der EU-Öko-Verordnung auf mögliche Ausnahmen sowie auf lange Übergangsfristen. Schließlich komme es auch darauf an, wie der Begriff Weide definiert werden soll, so Harald Köppel, Geschäftsführer des Bauernverbandes.

Köppel geht aber auch davon aus, dass der Handel die Daumenschrauben weiter anziehen wird.

Klaus Schiffer-Weigand vom Landwirtschaftsamt plädierte ebenfalls dafür, nach Kompromissen zu suchen: „Eine Totalverweigerung in Sachen Weide werden wir nicht durchbringen.“

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