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Kongress

Wälder im Trockenstress

Über Trockenstress in Nordbayern: sprachen (v. l.) der Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbandes Josef Ziegler und Angelika Morgenroth (Vorsitzende der WBV Bamberg) mit Moderatorin Regina Wallner vom BR und Hubertus Wörner (Leiter der Bayerischen Forstverwaltung)
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am Montag, 20.03.2023 - 14:11

Ein Kongress soll Wege aus der Klimakrise aufzeigen. Eine Erkenntnis lautet: Waldbesitzende müssen Öffentlichkeit mitnehmen.

Dr. Peter Pröbstle, der Leiter der LWF

Würzburg „Eigentlich geht man in den Wald, um Stress abzubauen - jetzt hat der Wald selber Stress“. Das stellte Dr. Peter Pröbstle, Leiter der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) beim Kongress „Wälder im Trockenstress“ fest. Weil der Klimawandel die Wälder und ihre Besitzer besonders in Franken vor große Herausforderungen stellt, fand diese Tagung an einem der hotspots in Würzburg statt.

In Oberfranken seien 1700 ha Wald einfach abgestorben. Das sei eine der Herausforderungen, denen Wissenschaftler und Praktiker gemeinsamm begegnen wollen.

Nordbayern bessonders betrofffen

Trockenstress in Nordbayern: das erleben (v. l.) Hubertus Wörner (Leiter der Bayerischen Forstverwaltung) , Birgitt Ulrich (Geschäftsführerin der FVU), Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbandes Josef Ziegler und Angelika Morgenroth (Vorsitzende der WBV Bamberg)

Der Leiter der bayerischen Forstverwaltung Hubertus Wörner vertrat die erkrankte Ministerin Michaela Kaniber, die nach Würzburg gekommen war, weil sie praxisnahe Ansätze hören und sehen wollte, aber wegen hohen Fiebers unverrichteter Dinge die Heimreise antreten musste. Wörner sagte: „Besonders schwer trifft es den Norden Bayerns“. In Bad Kissingen, dem trockensten Ort Bayerns habe es im Sommer 2022 nur 28 mm geregnet. Das sei buchstäblich eine brandgefährliche Geschichte. „

Die Herausforderungen sind heute schon riesig“, sagte er und nannte die abgestorbenen Fichten im Frankenwald und abgestorbene Buchen in Unterfranken als Beispiele. „Wir haben wenig Zeit und müssen den Wald aktiv umbauen“, sagte er und verwies auf 95.000 ha Privatwald, die bereits in klimastabile Wälder umgebaut seien. Hinzu käme etwa dieselbe Fläche im Staatswald. „Wir können nicht darauf warten, dass sich der Wald allein rettet“, betonte er.

An der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf werde untersucht, welche Methode, Jungwald zu bewässern, am besten geeignet sei. In Teisendorf werde der Frage nachgegangen, welche Baumarten sich künftig für den Klimawandel eignen. „Wir arbeiten auf breiter Front und mit Hochdruck“, sagte Wörner. Dabei sei die Zusammenarbeit mit den JägerInnen wichtig, denn „wo es zuviel Wild gibt, verschwinden ausgerechnet die Baumarten, die wir brauchen“. Er zeigte sich zuversichtlich, „dass wir gemeinsam einen Weg aus der Klimakrise finden - das sind wir unseren Kindern und Enkeln schuldig“.

Kimastationen belegen Regendefizite

Anpassungskonzepte sind das Thema von: (v. l.) Fürst Ferdinand zu Castell-Castell, Lucia Stark, Marina von Thüngen, Sven Finnberg und Walter Faltl, die Regina Wallner interviewte.

Ein Impulsreferat hielt Dr. Klaas Wellhausen, Leiter der Abteilung Boden und Klima an der LWF. Er gab einen kurzen Wetterrückblick auf das Jahr 2022, dessen Regendefizite sich deutlich an den Klimastationen zeigten. Ob das normal sei, komme darauf an, was man als Vergleich nimmt. „Man geht davon aus, dass sich die Situation verschärfen wird mit steigenden Winterniederschlägen und Defiziten im Sommer“, sagte er. Das bedeute, „wir werden es mit schwierigen Bodenwassersituationen zu tun haben“.

Dr. Wellhausen erinnerte aber auch daran, dass die Branche bereits große Herausforderungen wie Waldsterben und Sturmwürfe bewältigt habe, und appellierte an die Waldbesitzenden, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Ohne Regen stirbt der Wald weg

Dass das gar nicht so einfach ist, ging aus der Runde „Trockenstress in Nordbayern“ hervor. Angelika Morgenroth, die 1.Vorsitzende der Waldbesitzervereinigung (WBV) Bamberg und Waldbesitzerin, sagte: „Wir haben in den letzten fünf Jahren einen forstlichen Tsunami erlebt“. Die Fichte sei den Waldbesitzern unter den Händen dahingeschwunden. Weil fast fünf Monate kein Regen gefallen sei, sei der Wald „vor unseren Augen weggestorben“.

Doch sie dankte dem Team der WBV und allen, die aktiv Hilfe geleistet haben. „Wir brauchen auch das Verständnis der Gesellschaft und der Jagd“ sagte sie unter Beifall. Den Waldumbau könne man sich nur mit Naturverrüngung leisten. Sie selber habe eine Naturverjüngung auf einem halben Hektar, auf dem sich 14 Baumarten etablierten und sogar die Tannen 5 Monate Trockenheit überlebten. „Wir müssen pflegen und hegen - das kostet Geld und Engagement“.

Beim Wald reden zu viele mit

Josef Ziegler, der Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbandes, kündigte an, dass den Wäldern ein „gigantischer Transformationsprozess“ bevorstehe, dabei gelte es, die Öffentlichkeit mitzunehmen. „Gnade uns Gott, wenn die Fichten im Süden anfangen zu brennen, dann werden die Vermögensschäden dramatisch“, sagte er. Weil in puncto Wald zu viele mitreden, sei diese Art der Kommunikation tödlich für die Wälder „und für uns“. In den nächsten hundert Jahren müsse man alle fünf Jahre „schauen, wo wir stehen und feststellen, dass sich schon wieder alles verändert hat“.

Hubertus Wörner, der Leiter der Bayerischen Forstverwaltung, äußerte sich zuversichtlich, dass auch der Bedarf an forstlichem Personal nachwächst. Er sagte: „Wir müssen uns zusammenspannen, draußen wird die Welt gerettet“.

Standortwandel erkennen – Anbaurisiken abschätzen

Trockenstress in Nordbayern: das erleben (v. l.) Hubertus Wörner (Leiter der Bayerischen Forstverwaltung) , Birgitt Ulrich (Geschäftsführerin der FVU), Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbandes Josef Ziegler und Angelika Morgenroth (Vorsitzende der WBV Bamberg)

Standortwandel erkennen – Anbaurisiken abschätzen war das Thema von Wolfgang Falk, Abteilung Boden und Klima, LWF. Er sagte: Wir errechnen Zukunftsszenarien und fahren an die Orte, die das Klima schon haben, das uns erwartet“. In solchen Analoggebieten kommen Baumarten wie Vogelkirsche, Zerreiche, Robinie oder Flammeiche häufiger vor als bei uns. Seit 2013 gebe es das Bayerische Standortinfomationssystem (BaSIS), auf dessen Grundlage es sich lohne, mitzumachen.

Er empfahl besonders den Försterfinder, digitale Baumexperten und die Praxishilfe I und II. Aber auch die Schulungen für Waldbesitzer und Forstleute. „Wir können und müssen auch bei Unsicherheit handeln“, sagte er.

Hitze-und trockenresiliente Baumarten

„Die Mischung macht es“, betonte er und empfahl mehr hitze-und trockenresiliente Baumarten. „Resiliente Wälder heißt, dass sie stärker widerstehen und sich schneller erholen“. Unter Beifall monierte ein Tagungsteilnehmer, dass das BaSIS mit den Informationen der FBGen lebe, aber die Waldbesitzer keinen Zugriff darauf hätten.

Trockene Waldzukunft braucht klimafitte Baumherkunft war das Thema von Dr. Joachim Hamberger, dem Leiter des Bayerischen Amtes für Waldgenetik. Er stellte fest, dass „unsere Baumarten im Lauf der letzten 10 000 Jahre aus dem Mittelmeerraum zu uns eingewandert“ sind. Er empfahl die HuV (Herkunfts- und Verwendungs)-Empfehlungen und betonte: „die Wahl der Herkunft ist genauso wichtig wie die Wahl der Baumart“.

Wie der Wald(um)bau gelingen kann, das hinterfragte Dr. Hans-Joachim Klemmt, der Leiter der Abteilung Waldbau, LWF. „Warten Sie nicht, bis die Natur Sie zwingt“, rät er zum frühzeitigen Umbau der Wälder. Bei der Durchforstung empfiehlt er, die Produktionszeit auf der Fläche zu variieren. „Reichern Sie Vorhandenes mit Neuem an - bringen Sie klimaresistente Mischbaumarten ein“. Außerdem rät er zur 4+Regel, also mindestens vier Baumarten einzuplanen und mit Pflegemaßnahmen zu steuern. Bewässerung könne den Anwuchserfolg erhöhen, sei aber kein Allheilmittel auf Dauer. Weil der Klimawandel die größte Herausforderung sei, müsse der Waldbau anpassungsfähig sein. „Lassen Sie sich beraten“, rät er.

Buche hat mit der Witterung Probleme

Damit überschneiden sich die Anpassungsstrategien im Bayerischen Staatswald, die Walter Faltl vorstellte, der Bereichsleiter Waldbau bei den BaySF. Er berichtete, dass zur Zeit bei der Buche fast die Hälfte ZE (zwangsbedingte Einschläge) seien. „Ein stabiler Klimawald mit hoher Biodiversität ist unsere Kernaufgabe“, sagte er. Ein struktur- und artenreicher Dauerwald, der einen hohen Zuwachs leisten soll, Humus anreichert und CO2 bindet, sei dabei das waldbauliche Leitbild. Fichten werden schon in einem Alter von 55-65 Jahren, Buchen ab 80-90 Jahren genutzt, um Verjüngungsverfahren zu erreichen und rechtzeitig Mischbestände zu etablieren.

Eine „waldangepasste Schalenwildbejagung“ hält er für wichtig. Ebenso eine intensive Pflege unterm Schirm von Altbäumen. Dabei helfen frühe, mäßige und häufige Eingriffe. Im Staatswald gebe es auch ein Biotopbaum- und Totholzmanagement. Im letzten Geschäftsjahr seien Buchen, Tannen, Traubeneichen, Stieleichen, Douglasien, Kirschen, Elsbeeren, Edelkastanien und Spitzahorn ausgebracht. So solle weitergemacht werden, „wenn wir denn das Material bekommen“. Praxisanbauversuche gebe es auch mit Libanonzeder, Atlaszeder und Rumänischer Weißtanne.

Aufforstungsplan mit 30 verschiedenen Baumarten

Lucia Stark aus Rimpar-Gramschatz bekam 2021 einen Staatspreis für vorbildliche Waldbewirtschaftung. Sie hat „4 ha Wald durch Einheirat erworben“. Bis in die 60er Jahre habe man dort Laubholz gefällt und Fichten gepflanzt. Das sei unproblematisch gewesen bis zur Sturmserie 1990 mit Windwurf und dem Trockenjahr 2003 mit Borkenkäfer. „Da haben wir begonnen, mit Mammutbaum, Fichtentanne und Eßkastanie zu experimentieren“, sagte Stark, die nach eigener Aussage mit ihrer Familie den Klimawald auch genießen kann, obwohl es 2009 zu einem schweren Windbruch kam.

Sohn Simon hat einen Aufforstungsplan mit 30 verschiedenen Baumarten gemacht, die in Gruppen gepflanzt und eingezäunt wurden. Dort aufkommende Naturverjüngung in Form von Birken, Hainbuchen und Lärchen wurde größtenteils entnommen. „Rückschläge gab es durch Spätfröste bei der Walnuss oder durch das Eschentriebsterben“, berichtete die engagierte Waldbäuerin, die vor allem Förster German Michael Hahn für sein „immer offenes Ohr“ dankte.

Marina von Thüngen besitzt 80 ha Wald bei Burgsinn, über zwei Stunden Fahrt von ihrem Wohnsitz entfernt und bezeichnet sich als „Sonntagswaldmensch“ mit viel Experimentierlust. „Auch für Sie haben wir Waldpflegekonzepte anzubieten“, sagte später FVU-Geschäftsführerin Birgitt Ulrich.

Fürst Ferdinand zu Castell-Castell, der zusammen mit seinem Cousin Fürst Otto zu Castell-Rüdenhausen 4600 ha Wald bewirtschaftet, zitierte seinen Forstbetriebsleiter Ludwig Neeb, dessen Arbeit darin besteht: „Holz machen und Rehe schießen“. Unter begeistertem Beifall sagte er „einen schönen Wald schießt man sich“.