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Unbrauchbare Messtellen in Franken

Schweinfurter Bauern kämpfen gegen Rote Gebiete

Über die neuen Roten Gebiete informierten (v. l.) BBV-Bezirksgeschäftsführer Eugen Köhler, BBV-Kreisobmann Michael Reck, Unterfrankens BBV-Vizebezirkspräsident Edgar Thomas und Alois Kraus.
Ludwiga Friedl
Ludwiga Friedl
am Dienstag, 02.05.2023 - 15:17

Drei von sechs Messstellen für Rote Gebiete sind in Unterfranken unbrauchbar. Der Bayerische Bauernverband in Schweinfurt übt scharfe Kritik an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.

Die neuen Roten Gebiete machen die Landwirte wütend. Nur schwer können sie ihren Zorn im Zaum halten beim Ortstermin an einer neugebohrten Messstelle westlich von Geldersheim. Im September 2020 hatte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber persönlich - und sehr medienwirksam - die Bohrung für diesen Messpunkt gestartet. Nun aber ist die Messstelle nicht verwertbar, da sie nicht dem erforderlichen Standard entspricht, wie Uwe Seidl und Benjamin Schulz vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen erklären.

 

Untaugliche Rote-Gebiete-Messtestelle in Franken sorgt für Wut bei Landwirten

Auf einem Feld stehen viele Landwirte, die zwei Männern in Warnjacken bei ihrem Vortrag zu Roten Gebieten zuhören.

Auf Nachfrage sagen sie auch, dass im Zuständigkeitsbereich ihres Wasserwirtschaftsamtes seit 2020 sechs neue Messstellen gebohrt wurden. Drei davon liefern, wie in Geldersheim, keine Messwerte. „Hier wurde Steuergeld in eine untaugliche Messstelle versenkt“, steht auf einem der Schilder, die der BBV aufgestellt hat. Weitere Kommentare verkneifen sich die Landwirte. Es wurde offenbar zu tief gebohrt, so dass sich sehr altes Tiefenwasser mit jüngerem Grundwasser mischt. „Uns würde interessieren, ob hier überhaupt einmal Werte gemessen wurden, und wenn ja, wie hoch diese waren“, sagte Schweinfurts BBV-Kreisobmann Michael Reck bei dem Ortstermin. Trotz mehrmaliger Nachfrage haben die Landwirte bislang keine Auskunft darüber erhalten.

Denn in der Region Geldersheim ist ein sehr großes Rotes Gebiet entstanden, in dem sie die verschärften Vorgaben einzuhalten haben. Dabei seien die nächsten Messstellen gut 6,5 km entfernt und hätten mit der Düngung im Raum Geldersheim nichts zu tun. „Die Einschränkungen hier sind fachlich nicht begründet“, sagt der Kreisobmann.

Düngung 20 % unter Entzug ist nicht praktikabel für Landwirte

Vor allem bei der Düngung: 20 % unter Entzug - da stellen sich jedem Praktiker, der eine gute fachliche Ausbildung absolviert hat, die Nackenhaare auf. Eugen Köhler, BBV-Bezirksgeschäftsführer Unterfrankens, erklärt, dass Zwischenfrüchte, die nicht angedüngt werden dürfen, auch kein Nitrat aus tieferen Schichten holen können, weil sie schlicht nicht genügend Wurzelwachstum bilden können. „Wenn man einem Leistungssportler 20 % weniger Nahrung gibt, kann er auch keine Spitzenleistung bringen“, vergleicht Reck.

„Und ich muss jetzt eine 300.000 € teure Güllegrube bauen, weil ich nicht genügend Lagerkapazität habe“, sagt einer der anwesenden Landwirte. Er bezweifelt, dass er so schnell überhaupt die nötigen Baugenehmigungen bekommt.

Düngeverordnung: Auch Biobetriebe kommen unter Druck

Den zeitlichen Druck durch die neue Düngeverordnung kritisiert Claus Hochrein von „Land schafft Verbindung“ (LsV). Die Landwirte müssen sie ausnahmslos einhalten, obwohl das Messstellennetz aus ihrer Sicht mehr als fraglich ist.

Darüber ist auch Andreas Römert zornig. Die Flächen des Biolandwirts liegen nun in einem neuen Roten Gebiet. „Seit 30 Jahren führe ich einen Biobetrieb“, berichtet er. „Aus unserer Sicht müssen die Einschränkungen der Roten Gebiete solange ausgesetzt werden, bis eine fachlich nachvollziehbare Begründung vorliegt und eine Anpassung der Düngung und Bewirtschaftung tatsächlich Einfluss auf den jeweiligen Messpunkt haben kann“, fordert der Kreisobmann.

Neue Rote Gebiete: viele unnötige, zusätzliche Auflagen

In einer Pressemitteilung bekräftigt der Verband, dass die Landwirte „beim Wasserschutz mitgehen, wenn auf Augenhöhe kooperativ gearbeitet wird“. Die neuen Roten Gebiete stellen für sie aber keine fachlich fundierte Grundlage dar. „Sie beeinträchtigen viele ordnungsgemäß wirtschaftenden Betriebe mit unnötigen zusätzlichen Auflagen“, kritisiert Kreisobmann Michael Reck. Pauschale Düngereduktion auf Basis fragwürdiger Nitratmessstellen und Abgrenzungsmethoden seien reine Bevormundung und „so jedenfalls ungeeignet, Wasserschutz und Landwirtschaft zusammenzubringen“.

Der Bauernverband kritisiert die Ausweisung der neuen Roten Gebiete im Dezember 2022 auf alleiniger Grundlage von Nitratmessstellen und größtenteils rein mathematischen Modellen ohne Hydrogeologischen Hintergrund.

Wissenschaftlich fragwürdige Grundlagen

Drei Frauen in roten Jacken protestieren gegen Rote Gebiete.

Kritisiert wird auch, dass mehrere Quellen einbezogen wurden, obwohl oberflächennahe Quellen in Unterfranken und noch kritischer im Keuper massiv in der Schüttung und im Nitratgehalt schwanken. „Dass jeweils nur der höchste Messwert des Jahres herangezogen wird, sehen wir ebenfalls kritisch“, sagte der Kreisobmann, der Unterstützung von Unterfrankens stellvertretendem BBV-Bezirkspräsident Edgar Thomas und seinem Amtsvorgänger Alois Kraus bekam.

„Schon bei nur zwei Proben im Jahr ist der Durchschnitt wissenschaftlich höchst fragwürdig“.Andererseits werden sehr gute Nitratwerte von Wasserversorgern wie der Rhön-Maintal bei Poppenhausen nicht herangezogen. Trotz der sehr guten Werte werde dieses Gebiet für Rot erklärt.

Düngedaten der Landwirte werden nicht mehr berücksichtigt

„Wenn sich in knapp fünf Jahren die Rote Gebietskulisse dreimal grundlegend ändert, was hat das noch mit fachlicher Grundlage zu tun?“, fragen die Landwirte. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass Bayern wieder deutlich mehr Rote Gebiete nach Berlin und Brüssel melden musste, um Strafzahlungen nach Brüssel zu entgehen“, mutmaßte der Kreisobmann.

„Wir brauchen dringend wieder die Einbeziehung der aktuellen Düngedaten der Landwirte, die bei der Neuausweisung gegenüber 2021 einfach nicht mehr berücksichtigt wurden“, fordern die Verbandsvertreter. Der Landkreis Schweinfurt war 2021 aufgrund ordnungsgemäßer Düngung, nachgewiesen über gute Stickstoffsalden, überwiegend grün.

Bauern schimpfen: Özdemir kümmert sich zu wenig um landwirtschaftliche Betriebe

Als „Unding“ empfinden sie es, dass sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir um die Legalisierung von Cannabis kümmert. „Aber seine Hausaufgaben macht er nicht, ordnungsgemäß wirtschaftende Betriebe von den unnötigen Auflagen zu befreien“, schimpfen sie.

Unterfranken ist Wassermangelgebiet, wird festgestellt. „Die Landwirte haben in Unterfranken schon gute Stickstoffsalden“. Dennoch seien sie immer bereit, neue Erkenntnisse für besseren Ertrag bei weniger Kosten durch Düngung, Pflanzenschutz und Pflegemassnahmen der Kulturen zu übernehmen. Sie fordern „Hilfe zur Selbsthilfe“.

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