Lohr am Main/Lks. Main-Spessart - „Was sollen wir tun?“ Diese Frage stellte Christine Moser, die bei Remlingen zwei Hektar Wald besitzt, ebenso wie Arnsteins Bürgermeister Franz-Josef Sauer, der über 1.800 ha Kommunalwald zu bestimmen hat. Beide nahmen teil am „Wald im Wandel- Dialogforum“, das in der Bayerischen Forstschule und Technikerschule für Waldwirtschaft stattfand. Mit dem Vortrags- und Informationstag für Waldbesitzer und Waldinteressierte wollte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt an den Waldbesitzertag im letzten Jahr anknüpfen, wie der Leiter des AELF Ludwig Angerer sagte.
Zwei Hitzesommer in Folge und das großflächige Waldsterben machen die Bedrohung durch den Klimawandel sicht- und spürbar. Der Einfluss des Menschen führte von der Vergangenheit bis heute zu starken Veränderungen der Umweltbedingungen. „Der weltweite Verlust der Artenvielfalt ist dabei ebenso alarmierend wie der anthropogen verursachte Klimawandel“, sagte Angerer.
Ein Experiment, das uns überfordert
Die beiden Themenkomplexe „biologische Vielfalt und Wald im Klimawandel“ waren Inhalt zweier Vortragsreihen, die rund 100 Interessierte besuchten. Hans-Peter Dietrich, Abteilung Boden und Klima an der Bayerischen Landesanstalt für Waldwirtschaft und Forsten (LWF), stellte fest: „Der Wald schaut besorgniserregend aus“. Seit über 30 Jahren finde an der LWF eine intensive Überwachung im Umweltmonitoring statt. Vier von 19 Waldklimastationen gibt es in Unterfranken. In der Natur finde derzeit ein Experiment statt, „das uns (über)fordert“. Die Umwelt und die Standortbedingungen ändern sich rasch und dramatisch. „Die 200-jährigen Spessarteichen erleben Dinge, die es seit König Ludwig noch nie gab“.
Die Messungen haben ergeben, dass der Schwefeleintrag und -austrag mit dem Sickerwasser stark rückläufig ist, „die Luftreinhaltung war effektiv“. Allerdings seien die Stickstoffeinträge vielerorts zu hoch. Die Wälder seien bereits stickstoffgesättigt. „Wir brauchen wirksame Strategien, um den Stickstoffeintrag zu vermindern“, sagte Dietrich.
„Franken wird ein Klimahotspot“, sagte er auch, „Es war schon warm und wird noch wärmer“. Dass sich die Extreme häufen, belegte er mit dem vierten Jahrhundertsommer in 16 Jahren. Wassermangel führt bei den Bäumen zur Transpirationseinschränkung. In der Folge breche das Dickenwachstum ein. Wenn die Bäume unter Trockenstress stehen, haben Schädlinge und Krankheiten ein leichtes Spiel. 4,5 Mio. fm Schadholz seien allein bei der Fichte durch den Borkenkäfer im letzten Jahr angefallen, heuer werde es mehr.
Die LWF verfüge über ein mächtiges Standortinformationssystem. Die Baumarteneignungskarten sind online verfügbar als Hilfe für die Praxis.
Für die Zukunf seien Luftreinhaltemaßnahmen das A und O. Die Praktiker können „Anpassungsprozesse einleiten und begleiten durch eine geeignete Baumartenwahl“. „Ein klimagerechter Wald braucht Mischbestände“, sagte Dietrich auch.
Was man aus Urwäldern lernen kann
„Wie können wir aus Urwäldern lernen?“ Dieser Frage ging Prof. Dr. Erwin Hussendörfer nach, der Professor für Waldwachstumslehre an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft und des Ökologischen Jagdverbandes ist. Er zeigte ein Bild eines Borkenkäfers „I bin der Borki und da bin I dahoam“. Er sprach sich für größere Totholzvorräte aus: „Eine Totholzanreicherung kann einiges zu klimastabilen Wäldern beitragen“. Christoph Riegert von der FBG Arnstein meinte jedoch: „Wir verlieren die Baumartenmischung, wenn wir nichts mehr tun“. In der Diskussion wurde auch das Beispiel des Hainigs in Thüringen genannt. „Wir wissen nicht, wie Wälder eigentlich funktionieren“, sagte Hussendörfer, „wir müssten mehr in Ökosystemen denken“.
Christoph Schulz, Abteilung Waldbesitz, Beratung, Forstpolitik, (LWF) informierte über die Ökosystemleistungen des Waldes, die im Augsburger Stadtwald erforscht wurden. Er riet zur Risikostreuung durch Baumartenmischung, zum Anbau klimatoleranter, heimischer Baumarten und grundsätzlich zur Offenheit für neue Baumartenzusammensetzungen. Außerdem gelte es, die Vielfalt der Forstwirtschaft zu erhalten.
Der Leiter der Forstschule Robert Staufer moderierte später die Podiumsdiskussion, an der auch Prof. Ulrich Mergner, Leiter des Forstbetriebs Ebrach der Bayerischen Staatsforsten, und Hartwig Brönner, Landesbund für Vogelschutz in Main-Spessart teilnahmen. „Die Einnahmen aus dem Wald gehen gegen Null“, sagte Rienecks Bürgermeister Wolfgang Küber. In dieser Situation gelte es, die Fördermittel des Freistaates sinnvoll einzusetzen, um den Wald vorwärts zu bringen, sagte der Leiter des AELF. Auch wenn der Wald anders aussehen werde als bisher, werde dem Rohstoff Holz auch in Zukunft große Bedeutung zukommen. „Spechte züchten“, rät Hartwig Brönner, der auch Mut zu mehr Naturwald machte- allerdings nicht auf der ganzen Fläche. Arnsteins Bürgermeister Sauer fordert „der Gesellschaft muss auch der Wald etwas wert sein“. Auch Ulrich Mergner forderte, dass das System unabhängig vom Holzmarkt finanziert werden müsse.
Angepasste Wildbestände forderte Hussendörfer. Angerer erinnerte außerdem an den Genossenschaftsgedanken und an Waldflurbereinigungen. Ein hervorragendes Modell sei die gemeinsame Waldpflege.