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Bauerntag

Ferkelerzeuger: Die Lage ist dramatisch

Ferkel
Fritz Arnold
am Freitag, 15.07.2022 - 11:55

Die Lage für Tierhalter wird immer schwieriger. Es braucht eine ökonomische und agrarpolitische Perspektive.

Ulsenheim/Lks. Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim - Wenn die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nicht noch weiter sinken soll, braucht es ökonomische und agrarpolitische Perspektiven für die Tierhaltung. Das war der Tenor auf dem Bauerntag des BBV-Kreisverbandes Neustadt/Aisch-Bad Windsheim.

Kreisobmann Jürgen Dierauff rückte im Festzelt in Ulsenheim die Zukunftsaussichten der Tierhaltung in den Mittelpunkt, weil deren Lage immer schwieriger wird – durch ökonomischen Druck, überbordende Bürokratie und Tierschutzauflagen. Dabei seien es gerade die Einnahmen aus der Rinder-, Schweine- und Geflügelhaltung, die – zusammen mit Biogas – das Rückgrat auf den Höfen bilden. Denn um nur vom Ackerbau leben zu können, sind die Flächen meist zu gering.

Immer weniger Ferkelerzeuger

Dass die Betriebe und Tierzahlen stetig gewachsen sind, habe mit ökonomischen Grundsätzen zu tun, nicht mit angeblichen politischen Zielen unter dem Motto „Wachsen oder Weichen“, erläuterte der Betriebswirtschaftler Norbert Schneider von der LfL. Angesichts gestiegener Baukosten von 10 000 € pro Stallplatz für eine Kuh oder eine Zuchtsau sowie der extremen Teuerung bei den Betriebsmittelpreisen für Futter, Dünger und Energie, lägen die Vollkosten sowohl in der Milch- als auch in der Ferkelerzeugung heute deutlich über dem, was am Markt bezahlt werde. Deshalb gebe es derzeit auch kaum Investitionen in neue Stallgebäude, so Schneider. In Bayern – dem einstmaligen Exportland für Ferkel – liege der Selbstversorgungsgrad aktuell nur noch bei 65 % und könnte bald auf 30 % rutschen.

Bauerntag-Ulsenheim_LF

Um aus diesem Dilemma herauszukommen, forderte Mittelfrankens BBV-Präsident Günther Felßner staatliche Gelder, wie sie als Vorschlag auch die Borchert-Kommission unter breiter Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen erarbeitet habe. Dafür wären rund 4 Mrd. € staatliche Mittel notwendig. Versuche über Zuschläge im Lebensmitteleinzelhandel seien gescheitert – weil die Verbraucher letztlich zwar beteuerten, mehr für besseres Tierwohl zahlen zu wollen, im Laden dann aber doch eher zu Billigprodukten aus dem Ausland griffen.

Felßner bedauerte, dass die Bundesregierung von dem Borchert-Vorschlag wieder abgerückt sei. Auch rätselte er, was es bedeute, wenn Bundesagrarminister Cem Özdemir in der Rede beim Deutschen Bauerntag hervorhebe, welche große Bedeutung der biologische Dünger aus der Tierhaltung für die Bodenfruchtbarkeit habe, während wenig später seine Staatssekretärin eine Halbierung der Tierzahlen forderte.

Felßner: Landwirtschaft wichtiger denn je

Insgesamt aber zeigte Felßner sich für die Landwirtschaft nicht ganz pessimistisch gestimmt: Die Weltbevölkerung wachse jeden Tag um 250 000 Menschen und erreiche bald die 10 Mrd., verfügbare Fläche für die Nahrungsmittelerzeugung nehme aber nicht zu. Auch seien entscheidende Zukunftsherausforderungen ohne die Landwirtschaft nicht zu lösen, etwa Artenvielfalt und die Abkehr von Kohle und Öl hin zur Nutzung der Sonnenergie über Photovoltaik und Biogas. Das sollte aber nur über Anlagen in Bürger- und Bauernhand erfolgen und nicht über Konzerne, so Felßner. Auch könnten die Bauern über CO2-Bindung durch Humusaufbau einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dabei gelte es, brauchbare Finanzierungsmöglichkeiten zu finden.