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Fachmesse

Biofach: Optimismus in der Ökoflaute

Biofach
Philipp Seitz
Philipp Seitz
am Donnerstag, 16.02.2023 - 15:45

Die Nachfrage nach Biolebensmitteln geht in Deutschland zurück. Doch auf der Biofach in Nürnberg geben sich Verbände und Produzenten optimistisch.

Nürnberg - Anton und Helga Juffinger haben es sich schön eingerichtet: In der Nürnberger Messehalle haben sie eine Holzhütte aufgebaut. Auf den Holzbänken liegen rot-weiß karierte Sitzkissen, an den Wänden hängen Salamistangen, im Kühlschrank stapeln sich Schinken und Wiener. Helga Juffinger steht am Geländer der Hütte und verteilt Speckstücke und feine Salamischeiben. „Bio ist nicht mehr wegzudenken“, sagt Juffinger. Sie ist Prokuristin der österreichischen Biometzgerei aus Thiersee bei Kufstein. Bei der Biofach, der Weltleitmesse für Biolebensmittel, präsentiert die Metzgerei ihr Produktportfolio. Bio steht auf allen Verpackungen.

Doch die Nachfrage nach Biolebensmitteln ist in Deutschland zurückgegangen. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Branche einen Umsatzrückgang von 3,5 Prozent (mehr zur Biodelle lesen Sie hier.). „Wir haben die Boom-Jahre hinter uns“, erklärt Tina Andres, die Vorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Doch Helga Juffinger zuckt mit den Schultern. „Das ist schon Jammern auf hohem Niveau.“ Die Biobranche sei nach dem Boom in der Coronazeit sehr verwöhnt gewesen. Das betont auch Tina Andres: „Das Verbraucherverhalten wird wieder normal.“

Helga Juffinger am Stand der Metzgerei

Von einer Krise will auf der Biofach niemand sprechen. Juffinger sucht sogar nach weiteren Biofleischlieferanten, auch aus Bayern. Dabei geht der Trend bei der Messe weg vom Fleisch. Die österreichische Klosterkäserei Schlierbach wirbt für Bio-Grill- und Bratkäse. Der Land- und Gastwirt Georg Mayr steht hinter dem Grill. Er bewirtschaftet einen kleinen Betrieb mit 14 ha Nutzfläche, parallel betreibt er eine Grillschule. „Beim Fleisch wird immer mehr hinterfragt, wo es herkommt“, sagt er. Das bestätigt Tina Andres. Gefragt seien regionale, nachhaltige Lebensmittel.

Bundesagrarminister Cem Özdemir spielt bei der Eröffnung auf diese Entwicklung an. „Der vegetarische Landwirtschaftsminister will niemanden das Fleisch wegnehmen“, sagt er. Dennoch wolle er die Chance nutzen, dass immer mehr Menschen zu pflanzlichen Lebensmitteln greifen. Immer wieder wird Özdemirs Rede von Applaus unterbrochen.

Auf der Biofach wird der Bundesminister herzlich empfangen. Avraham Marian Cioceanu, der Präsident des rumänischen Bioverbandes, hat sich ein Schafvlies, eine traditionelle rumänische Hirtenbekleidung angezogen und umarmt den Minister. „Er ist ein sehr guter Vertreter der Bio-Bauernverbände“, lobt Cioceanu.

Dass Özdemirs Kurs bei der Biobranche ankommt, wissen die Grünen: Der bayerische Fraktionschef Ludwig Hartmann und die ehemalige Landwirtschaftsministerin Renate Künast sind ebenfalls gekommen.

Auf der Messe kündigt Özdemir an, dass er sich für mehr Biolebensmittel in Kantinen, Mensen und Restaurants einsetzen möchte. Bis 2030 sollen 30 Prozent der Landwirtschaftsfläche ökologisch bewirtschaftet werden, eine Informationskampagne wird gestartet und Gelder in die Öko-Forschung investiert. Zufrieden zeigt sich Naturland-Präsident Hubert Heigl: „Wir sind angekommen. Es ist bewusst geworden, dass Ökolandbau ein wesentlicher Teil der Landwirtschaft sein muss.“

Biofach: Branche fordert niedrigere Steuern

Doch noch läuft aus Sicht der Biobranche nicht alles rund. Bölw-Chefin Andres wünscht sich niedrigere Steuern für Biolebensmittel. Der WWF kritisiert, dass in den Behördenkantinen der Bioanteil schneller steigen müsse. 20 Prozent bis 2025 sei für die Bundesregierung eine magere Zielmarke.

Cem Özdemir

Selbst Cem Özdemir kämpft auf der Biofach mit Problemen: Ausgerechnet am Messestand seines Ministeriums fällt immer wieder das Mikrofon aus. Özdemirs Worte gehen im Lärm der Messe unter. Es ist ein Auftritt, der unfreiwillig passend wirkt. Der Bund setzt sich hohe und plakative Ziele im Biobereich, deren Erreichbarkeit allerdings weit entfernt scheint. Die Branche wächst zwar in der Fläche, aber nicht beim Umsatz. Das 30%-Ziel ist noch meilenweit entfernt.

Am Stand der oberbayerischen Milchwerke Berchtesgadener Land ist die Stimmung trotz der branchenweiten Umsatzdelle gut. Vor 50 Jahren, also bereits 1973, stieg die Molkerei in die Biomilchverarbeitung ein. Fünf Bauern wagten damals den Schritt. Heute beliefern die Molkerei nach eigenen Angaben rund 100 Demeter und 500 Naturland-Höfe. Natürlich sei der branchenweite Umsatzrückgang zu spüren, sagt Felix Pichler vom Marketing. „Man darf sich von Negativprognosen aber nicht anstecken lassen.“

Preis von Biolebensmitteln bleibt stabil

Die Preise für bio und konventionelle Produkte seien stark zusammengerückt. „Bio wird immer mit teuer in Verbindung gebracht, aber das hat sich geändert“, sagt Pichler. Darauf verweist auch Minister Özdemir: Die Preise von Bioprodukten seien in Krisenzeiten stabil, die größere Unabhängigkeit von Mineraldünger wirke „quasi wie eine Inflationsbremse“. Entsprechend zuversichtlich sei die Molkerei, betont Pichler. „Wir feiern jetzt unser 50-jähriges Biojubiläum und wollen Bio weiter stärken, auch wenn es die Branche gerade nicht so leicht hat.“ Vielleicht sei es aktuell genau der richtige Zeitpunkt.

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