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Agrarhandelstag 2023

Fleischmarkt: Wird das Fleisch künftig nur noch exportiert?

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Gerd Kreibich
am Montag, 15.05.2023 - 15:58

In Deutschland sinkt die Fleischerzeugung. An Bundesagrarminister Cem Özdemir und der Ampelkoalition wird scharfe Kritik laut.

Bad Birnbach/Lks. Rottal-Inn - Eine Kristallkugel, aus der sich die Zukunft der Fleischmärkte herauslesen lässt, die gibt es leider nicht – dieser Umstand wurde im Rahmen des Agrarhandelstages des Bayerischen Vieh- und Fleischhandelsverbandes in mehreren Redebeiträgen bedauert. Denn Tatsache ist: der Fleischmarkt in der Bundesrepublik befindet sich in einem großen Wandel und alle Akteure stehen vor großen Herausforderungen. Doch nicht nur Deutschland ist betroffen: europaweit nahm die Gesamtfleischerzeugung von Rindern, Schweinen, Geflügel und Schafen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um 1,7 Mio. t oder 4 % auf 41,25 Mio. t. ab.

Angesichts dieser rückläufigen Zahlen bildete das Thema „rückläufiger Fleischverzehr in Deutschland“ einen Schwerpunkt der Tagung, zu der Experten, Erzeuger und Vertreter des Vieh- und Fleischhandels aus ganz Bayern gekommen waren. Und auch die Bundesregierung, insbesondere das Agrarministerium, wurde scharf kritisiert. „Nachdem das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir Ende 2022 die Eckpunkte des Bundesprogrammes zum Umbau der Tierhaltung vorgestellt hatte, wurde dies nicht ohne Grund durch den Bauernverband heftig kritisiert, denn Özdemir hatte machte den Umbau und die Förderung von tier- und umweltgerechten Um- und Neubauten von Bedingungen abhängig, die ein Großteil der betriebe gar nicht erfüllen können“, unterstrich Verbandsvorsitzender Michael Gasteiger in seinem Bericht.

Fleischerzeugung verlagert sich ins Ausland

Nachdem der Bundesminister schon mehrfach betont habe, dass er die Nutztierhaltung in Deutschland massiv zurückfahren wolle, „werden damit schlimme Befürchtungen wahr“, so Gasteiger. In Anbetracht des weltweit steigenden Fleischverzehrs sei auch davon auszugehen, dass bei einer Verlagerung der Fleischerzeugung ins Ausland die Tierhaltung in Regionen mit deutlich niedrigeren Tierschutzstandards verlegt wird.

Agrarhandelstag 2023

Die aktuellen Zahlen bestätigen die Befürchtungen des Verbandsvorsitzenden: so ist die Fleischproduktion in Deutschland im Jahr 2022 um 8,1% gesunken, beim Schweinefleisch beträgt der Rückgang 9,8%,  beim Rindfleisch 8,2%, beim Geflügelfleisch 2,9 %.

„Stabile Betriebsergebnisse in schrumpfenden Vieh- und Fleischmärkten — Risiken, Chancen und Zukunftsperspektiven“, schon mit dem Titel seines Vortrages konnte sich Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen der Aufmerksamkeit der Zuhörer sicher sein.  Der Experte sieht derzeit zumindest eine Entspannung bei der Schweinemast.  Denn die Futterkosten seien der wichtigste Kostenfaktor in der Schweineerzeugung, hier sei derzeit eine Entlastung zu spüren. Doch Dr. Albert Hortmann-Scholten wies auf eine andere Bedrohung hin: „Wenn in Zukunft tatsächlich nur noch Fleisch aus den Haltungsformen 2,3 oder 4 vom Handel abgenommen werden, dann gibt einen Stellplatz nicht mehr für 500 Euro, dann muss man schon das Doppelte rechnen – da werden sich viele Betriebe überlegen, ob sie das investieren wollen, insbesondere angesichts eines rückläufigen Fleischverzehrs im Inland“.  Derzeit werde bereits mit einem Rückgang der Schweineschlachtungen um 5 bis 7% gegen über dem Jahr 2022 gerechnet.

Tierwohlfleisch: Verbraucher geht nicht mit

Für den Fachmann von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen steht fest, dass der Verbraucher den Weg beim Tierwohlfleisch ohnehin nicht mitgehen werde, denn: „Hochpreisige Lebensmittel sind in Zeiten der Inflation nicht absetzbar. Der Markt ist bei weitem nicht so groß wie ihn sich die Politik gerne schönredet“, so Dr. Hortmann-Scholten. Und auch die Ankündigung beispielsweise von Alsi, in absehbarer Zeit nur noch Fleisch der Haltungsformen 3 und 4 zu verkaufen, sei offensichtliche eine reine Marketing-Kampagne: „In Deutschland wird das nicht klappen, wer soll denn die notwendigen Ställe bauen?“

„Die Bundesregierung will offensichtlich die Halbierung der Nutzviehbestände im Eiltempo erreichen“, warnte Dr. Hortmann-Scholten.  Dies werde für die Märkte Folgen haben: Betriebsaufgaben, Verlagerungen und Fusionen bei den Schlachthöfen seien zu erwarten, „das schwächt den Standort Deutschland“, warnte der Fachmann. Für Deutschland könne dies bedeuten, dass man verstärkt von Importen abhängig werde – ganz abgesehen davon, dass die Entwicklung der Viehbestände in Deutschland (ohne Geflügel) in Deutschland seit 1980 ohnehin bereits fast halbiert wurde.  „Wenn das so weitergeht, dann werden wir die Fleischerzeugung exportieren“, warnte der Experte.

Albert Hortmann-Scholten

Die Politik wurde beim Agrarhandelstag von Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber vertreten. Die Politikerin verdeutlichte schon zu Beginn ihrer Rede, dass die Staatsregierung zum Tierhaltungsstandort Bayern stehe.  Auch wenn aktuell die Situation der Fleischerzeuger- und vermarkter nicht ideal sei, gäbe es dennoch Chancen für alle Marktbeteiligung auf eine positive Zukunft. Tatsache sei aber auch: „Es geht längst nicht mehr nur um Versorgungssicherheit und ein funktionierendes Marktgeschehen, Aspekte wie höhere Haltungsstandards, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit stehe immer stärker auf der Wunschliste der Gesellschaft“, betonte die Ministerin.

Erzeuger und Vermarkter würden in Zukunft am Markt bestehen können, wenn hohe Qualitäten gebündelt und zu marktfähigen Preisen angeboten, und zwar vor allem auf den Märkten „vor unserer Haustür“. Diesen Weg könne aber, so die Ministerin, nur die gesamte Wertschöpfungskette gemeinsam antreten. „Wir brauchen jeden einzelnen Tierhalter, Transporteur, jeden Mitarbeiter in der Schlachtstätte, jeden Metzger, die Fleischverarbeiter, den Lebensmitteleinzelhandel, die Gastronomie und die Verbraucher“, machte Michaela Kaniber deutlich und sie stellte eine Forderung auf: Es müsse wieder bewusstwerden, dass die Nutztierhaltung das wichtige Rückgrat der bayerischen Landwirtschaft sei und genau die die gesellschaftlich gewünschte bäuerliche Agrarstruktur in Bayern sichert.