München - Wie sich doch die Geschichte wiederholt: Im Jahr 2019 war es Ministerpräsident Markus Söder (CSU), 2021 Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). Beide plädierten für mehr Windräder im Wald. Im Sommer 2019 hatte Söder angekündigt, „in den nächsten zwei bis drei Jahren hundert Windräder“ in den bayerischen Staatswäldern aufzustellen. Die Bilanz: Kein einziges Windrad kam bis heute dazu. Lediglich vier sogenannte Standortsicherungsverträge wurden laut den Bayerischen Staatsforsten (BaySF) seitdem abgeschlossen, um den Bau möglicher Windräder vorzubereiten. 34 Anlagen sind in Planung. Aber ein Windrad aufstellen? In dieser Zeit unmöglich, unter anderem wegen der langen Verfahrensdauer. Also quasi Stillstand seit fast drei Jahren.
Koalitionskrach wegen Windoffensive Wald
Ende Oktober kam dann der Aufschlag von Aiwanger, der gleich zum Koalitionskrach führte: Söders Stellvertreter war extra nach Oberfranken gereist und hatte öffentlichkeitswirksam seine „Windoffensive Wald“ vorgestellt. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) reagierte prompt und warnte davor, „die bayerischen Wälder unkontrolliert mit Windrädern vollzupflastern“. Jetzt werden alle etwas mehr als nur Wind machen müssen: Bis März soll die Staatsregierung einen Plan vorlegen, wie sie trotz der 10-H-Abstandsregel den Ausbau der Windkraft voranbringen will. So hat es Ministerpräsident Markus Söder vergangene Woche bei einem Besuch von Robert Habeck (Grüne) mit dem neuen Bundeswirtschaftsminister in der Münchner Staatskanzlei vereinbart.
Rund 1100 Windräder gibt es derzeit in Bayern, 100 davon im Staatswald. In den vergangenen beiden Jahren wurden ganze zehn Windräder genehmigt. Das Wirtschaftsministerium hatte zuletzt allerdings 300 geeignete Standorte allein in den Wäldern lokalisiert. An jedem Standort sei die Errichtung von ein bis fünf Anlagen möglich, sagte Aiwanger in Oberfranken. Zwei Drittel seien im Privatwald, ein Drittel in den Staatsforsten möglich. Das ergäbe zusätzliche 500 bis 1000 neue Anlagen. Aiwanger sieht im Wald den großen Vorteil, dass Windräder „nicht so stark auffallen und daher eine größere Akzeptanz durch die Bevölkerung zu erwarten“ sei.
Die Privatwaldbesitzer sind aufgeschlossen
Hans Ludwig Körner vom Bayerischen Waldbesitzerverband spricht von einer „hochinteressanten ökonomischen Option“. „Wir sind allgemein dafür, aber das ist natürlich eine Eigentümerentscheidung“, sagt Körner. Und es müsse vor Ort durchsetzbar sein. Windkraft im Wald könne den Waldbesitz stabilisieren. Auch für Aiwanger sind die Einnahmen für die Forstwirtschaft eine Chance, die Bewirtschaftung der Wälder und den Waldumbau zu finanzieren.
Söder will neben dem Ausbau der Photovoltaik und Wasserkraft zwar an der 10-H-Regel festhalten, erwägt aber Ausnahmen, beispielsweise im Staatswald oder beim Repowering, also dem Austauschen alter Windräder gegen neue, wie er in München erklärte. „Wir werden darlegen, was unsere Pläne sind und wo wir uns bewegen können“, meinte Söder. Es sei positiv, dass Habeck auf den Dialog setze. Der neue grüne Klimaschutzminister könnte auch mit der Brechstange kommen: Die bayerische 10-H-Abstandsregel ist im Baugesetzbuch des Bundes verankert. Die Ampel-Koalition könnte sie einfach streichen – ohne Bundesrat und CSU.
Naturschützer sind bezüglich der Pläne der Staatsregierung skeptisch
Laut Landesbund für Vogelschutz sei nicht der Artenschutz der Verhinderer der Windkraft, sondern das Festhalten an 10-H. Dadurch werde die Planung neuer Anlagen völlig unnötig in ökologisch wertvolle Gebiete gedrängt. Auch der Bund Naturschutz lehnt den vorrangigen Windkraftausbau in den Staatsforsten und das Festhalten an 10-H ab. Das Potenzial in den Wäldern sei nahezu erschöpft. Im Flächenland Bayern gebe es genügend Platz für Windräder im Einklang mit Mensch und Natur. Windkraftanlagen in Bürgerhand, die regionalen Strom liefern, seien ein Erfolgsmodell, das müsse endlich auch in der Bayerischen Staatskanzlei ankommen.
Gut durchdachte Regelungen für Ausnahmen
Kaniber forderte im vergangenen Jahr von Aiwanger „gut durchdachte Regelungen für Ausnahmen von der 10-H-Regel“, um die Windenergie auszubauen. Daran werden die Mitglieder der Staatsregierung jetzt gemeinsam arbeiten müssen. Wobei: Söder hat die Lösung offenbar schon parat. Er brauche nicht die Zeit bis März, um einen Plan vorzulegen, sagte er beim Habeck-Besuch. Das gehe „auf Knopfdruck“.