In einer Woche, am 13. und 14. Mai, treffen sich die G7-Agrarminister in Stuttgart, um über die Folgen des Ukrainekriegs für die weltweite Ernährungssicherheit zu diskutieren. Auch der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solskyi wird vor Ort sein, um über die Lage auf den ukrainischen Bauernhöfen zu berichten.
Im Vorfeld des Treffens sind die Erwartungen groß, dass die G7-Agrarminister nicht nur kurzfristige Lösungen finden, sondern auch den Grundstock für einen langjährigen Umbauprozess in der Agrarpolitik legen. Dies äußerte Alexander Müller in der Diskussionsrunde „Ernährungssicherung als Folge des Ukrainekriegs“, die grüne EU-Abgeordnete organisierten. Müller war Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium (2001-2005) sowie früherer stellvertretender Direktor der Weltlandwirtschaftsorganisation FAO. Derzeit ist er als Geschäftsführer und Mitgründer des TMG Think Tank for Sustainability aktiv.
Rasche und langfristige Lösungen erwartet
Müller hält es für dringend erforderlich, dass sich die Länder der Erde an einen Tisch setzten, um die Krise zu bewältigen. Da dies offenbar unmöglich sei, appellierte Müller an die G7-Staaten, zusammen mit den besonders betroffenen Ländern einen raschen Weg aus der Ernährungskrise, deren Umfang noch nicht abschätzbar sei, zu suchen. Im Zentrum müsste dort neben der akuten Bewältigung unbedingt ein Punkt stehen: „Wir brauchen einen zehnjährigen Transformationsprozess“, der zu einem agrarökologischen, von fossilen Energien unabhängigen Agrarsystem führe.
Seiner Meinung nach zeichnete sich die Krise anhand aktueller Zahlen bereits Monate vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ab. Die Düngerpreise stiegen bereits seit dem Herbst vergangenen Jahres, und inzwischen befindet sich der Food-Price-Index auf einem Allzeithoch. Doch im Gegensatz zur letzten Welternährungskrise 2008 reagiere die Welt kaum, auch die FAO halte unverständlicherweise die Füße still.
Wissenschaftler gegen Aufweichen von Green Deal
Professor Peter H. Feindt, Leiter des Fachgebiets Agrar- und Ernährungspolitik an der Berliner Humboldt-Universität, warnte ebenfalls davor, dass kurzfristige Maßnahmen zur Produktionssteigerung langfristig problematisch wirkten. Denn eine etwaige Flächenausweitung treffe unter anderem rasch auf weitere, kaum hinnehmbare Biodiversitätsverluste.
Schon bisher habe die Agrarpolitik den Fokus zu wenig auf widerstandsfähige Agrarsysteme gelegt. So dürfe auch das Farm-to-Fork-Paket der EU jetzt keinesfalls ausgehebelt werden. Statt knappe finanzielle Mittel zugunsten kurzfristiger Effekte auszugeben, gelte es, langfristig wirksame agrarökologische Konzepte zu verfolgen.
Bassermann: Subventionen blähen Gewinne der Düngerhersteller auf
Lena Bassermann, Referentin für Welternährung und Globale Landwirtschaft bei der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisation Inkota, wies darauf hin, plädierte dafür, den Beimischungszwang für Pflanzensprit abzuschaffen, um damit Platz für den Anbau von Lebensmitteln zu gewinnen. Sie warb zugleich für einen Hilfsfonds für Biodünger, statt weiter große Summen als Blanko-Subventionen für chemischen Dünger auszugeben.
Subventionen würden letztlich nur die Gewinne der Düngerhersteller weiter aufblähen, wie Bassermann anhand von Zahlen der Produzenten Yara und K+S deutlich machen konnte. Deren Profite wachsen offenbar gerade in der Krise, denn ihre Mehrausgaben für Energie oder Transporte würden durch steigende Einnahmen überkompensiert. So habe sich bei Yara die Gewinnspanne im ersten Quartal 2022 von 9 auf fast 285 erhöht. Kali und Salz hob im April seine Gewinnprognose 2022 um 40% auf 2,3 bis 2,6 Mrd. € an.
Josef Koch