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Versorgungssicherheit

Welternährung: Brüssel arbeitet an Vier-Punkte-Plan für Soforthilfen

Josef Koch
Josef Koch
am Freitag, 18.03.2022 - 09:54

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski denkt an Finanzhilfen und Lockerungen auf Vorrangflächen.

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Angesichts des drohenden Versorgungsengpasses bei Nahrungsmitteln arbeitet die EU-Kommission konkret an Plänen, um die Ernährungssicherung in der Welt und in der EU zu gewährleisten. Bei der Anhörung im EU-Agrarausschuss stellte der EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski einen Vier-Punkte-Plan vor. Dieser werde noch innerhalb der Kommission abgestimmt, so der Agrarkommissar.

Er bestätigte, dass innerhalb der Kommission die Ernährungssicherung oberste Priorität habe. Dazu trage aber auch bei, die EU-Landwirtschaft widerstandsfähiger gegenüber Krisen zu machen. Dazu halte man an den Nachhaltigkeitszielen wie Verringerung des Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatzes fest, gleichzeitig müsse die Landwirtschaft weniger abhängig von Importen werden.

Für kommenden Montag (21.3.) kündigte Wojciechowski an, einen Bericht zur Sicherstellung der Ernährungsversorgung vorzulegen. Ebenso werde die Kommission Ende März an die EU-Staaten ein „Beobachtungsschreiben“ zu den eingereichten GAP-Strategieplänen versenden. Darin werde die Kommission auf Anpassungsmöglichkeiten aufgrund der aktuellen Lage hinweisen.

Glauben Sie, dass sich mit einem Verzicht auf Stilllegung und weiteren Extensivierungen Hungerkatastrophen im Nahen Osten und in afrikanischen Ländern vermeiden lassen?

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Das plant Brüssel

Im Agrarausschuss nannte der EU-Agrarkommissar vier kurzfristige Maßnahmen für Soforthilfen. So plant die EU-Kommission die Private Lagerhaltung von Schweinefleisch zu eröffnen. Daneben soll die EU-Krisenreserve von 500 Mio. € mobilisiert werden. Zusammen mit der Kofinanzierung über die Mitgliedsstaaten stehen laut Wojciechowski dann 1,5 Mrd. € zur Verfügung. Daneben will Brüssel Ausnahmen bei ökologischen Vorrangflächen zulassen, vor allem für den Anbau von Eiweißpflanzen. „Damit soll kurzfristig die Versorgung mit Futtermitteln verbessert werden. Die Ausnahmen werden aber befristet sein,“ kündigte der Pole an. Als vierte Maßnahme plant die EU-Kommission, den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit öffentlicher Beihilfen einzuräumen, analog zu den Coronahilfen. Damit sollen die EU-Länder Landwirten finanziell unter die Arme greifen, die durch den Ukrainekrieg geschädigt werden.

Ebenso arbeite die Kommission daran, die Treibstoffknappheit für die ukrainischen Bauern zu mildern, bestätigte der EU-Agrarkommissar. So sind Diesellieferungen über sein Heimatland Polen in die Ukraine geplant, damit die dort die Landwirte ihre Frühjahrsaussaat vornehmen können.

Dorfmann: Finanzhilfen zu gering

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Der Südtiroler EU-Abgeordneter Herbert Dorfmann (EVP) begrüßte die Diesellieferungen. Schließlich sei die Ukraine ein wichtiger Saatgutlieferant für die EU. Das sorge für mehr Sicherheit für kommende Ernten. Allerdings monierte er die geringen Finanzhilfen. Er verwies auf die Chip-Initiative der EU vor einigen Wochen. Die Kommission habe hier 43 Mrd. € Unterstützung angekündigt, für die Ernährungssicherung wolle sie mit 500 Mio. € aber nur rund 1% davon bereitstellen, so Dorfmann.

„Da frage ich mich, was ist wichtiger, keine leeren Teller oder ausreichend Computerchips zu haben?“, so der EVP-Abgeordnete. Mit Freude nahm er zur Kenntnis, dass die Ernährungssicherung in der Kommissions-Agenda wieder oberste Priorität habe. „Wir in der Fraktion sind in den vergangenen Jahren immer wieder als die letzten Mohikaner hingestellt worden, wenn wir auf die Notwendigkeit der Versorgungssicherheit hingewiesen haben“.  
 

Häusling: Weniger Getreide in Trog und Tank

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Heftige Kritik am Vier-Punkte Plan kam von den Grünen. Deren Agrarsprecher Martin Häusling hielt dem Wojciechowski vor, mit den geplanten Maßnahmen die „völlig falsche Antworten“ zu geben. Er sei entsetzt. „Wir haben in der EU genügend Getreide. Bei uns in der EU hungert keiner“, so Häusling. Er verwies darauf, dass 60% des Getreides im Futtertrog lande, 18% im Tank und nur 20% in der menschlichen Ernährung. Er pochte darauf, diese Warenströme umzulenken und Getreide für den Export in die gefährdeten Regionen wie Afrika oder Nahen Osten frei zu machen.

Laut Häusling müsse die EU an ihren Nachhaltigkeitszielen ohne Abstriche festhalten. „Wir dürfen nicht zur Fleischtheke der Welt werden“, warnte er vor der Stützung des Schweinfleischsektor über die Private Lagerhaltung.

Putin will Hunger in der Welt auslösen

In seiner Antwort versuchte der EU-Agrarkommissar Wojciechowski die Kritiker zu beruhigen. Er betonte an den Green Deal Zielen nicht zu rütteln. So sei es auch wichtig, kleinere Betriebe zu fördern. So zeigten aktuelle Entwicklungen in der Ukraine, dass Putin gezielt versucht, Hunger in der Welt auszulösen.

So greife das russische Militär immer wieder auch große Tierhaltungsbetriebe an, wie jüngst in Cherzow. Auch berichtete er Pole von der Anfälligkeit großer Tierhaltungen gegenüber Cyberattacken. Nach Auffassung von Wojciechowski gefährdeten solche Agrarstrukturen die Ernährungssicherung.

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