Einig waren sich die Forstexperten bei der Anhörung im Agrarausschuss des Bundestags: Die Waldbauern benötigen unbedingt schnell zusätzliches Geld, um ihre zahlreichen Ökosystemleistungen bezahlt zu bekommen. Schließlich deckten die Holzerlöse schon seit Jahren nicht mehr den Aufwand. Über die Höhe, Art und Weise der Honorierung gab es jedoch unterschiedliche Auffassungen.
Die öffentliche Anhörung fand am Montag (7.11.) statt. Grund für die Debatte war der Antrag der CDU/CSU-Fraktion, um ein Vergütungssystem für die Waldbewirtschaftung zu schaffen, mit dem ökologische Leistungen der Wälder anerkannt werden.
Anträge sind ab diesen Samstag möglich
Die Mehrheit der Sachverständigen begrüßte die Wende in der Waldpolitik. Der Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung (KTF) erscheint den Experten als ein angemessenes Finanzierungsinstrument, denn er werde aus Mitteln der Klimaabgabe - also von den CO2-Verursachern - gespeist und sei langfristig angelegt.
Keine Prognose wagte Prof. Dr. Bernhard Möhring, Uni Göttingen, wie stark das Bundesprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ von den Waldbauern angenommen wird. Dazu fehle ihm noch die konkreten Förderbedingungen, die noch nicht veröffentlicht seien.
Karlheinz Busen (FDP) rechnete fest damit, dass Waldbauern ab diesen Samstag (12.11.) auf der Homepage der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) Anträge stellen können. Dies hat das Bundesforstministerium im Nachgang zu Anhörung inzwischen bestätigt.
Kleinwaldbesitzer haben Nachteile
Kritik am aktuellen Bundesprogramm hatte Enno Rosenthal, Vorsitzender des Waldbauernverbandes Brandenburg. Er fürchtet eine Benachteiligung von Forstbetriebsgemeinschaften und den daran beteiligten Kleinwaldbesitzern, da für die Förderung noch die Obergrenze von 200.000 € (de-Minimis-Grenze) gelte. Die Förderobergrenze sei bei solchen Zusammenschlüssen schnell erreicht.
Er befürwortete, dass der Bund an einem Wegfall der Obergrenze für 2023 arbeite. Rosenthal vermisste zudem im Antrag der Union eine entsprechende Unterstützung von Forstzusammenschlüssen.
Grundsätzlich positiv sieht der Waldbauernvertreter aber die HÖSL-Prämie (Honorierung Ökosystemleistungen) im Förderprogramm „Klimanagepasstes Waldmanagement“. Sie könne zu einer zusätzlichen Aktivierung von Leistungen durch die Waldeigentümer und nutzungsberechtigten Forstbetriebe führen.
Den Nachweis einer aktiven nachhaltigen Waldbewirtschaftung könnten Eigentümer kleiner Waldflächen unbürokratisch erbringen, etwa durch die Bestätigung einer Zertifizierung.
CO2-Zertifikate kritisch gesehen
Wenig begeistert ist Rosenthal neben der staatlichen Förderung Waldbauern auch den Handel von privaten CO2-Zertifikaten zu ermöglichen. Er warnte vor eventuellen Schadenersatzforderungen der Zertifikatekäufer, wenn der Wald beispielsweise durch einen Sturm oder Dürre plötzlich die Funktion einer CO2-Senke verliere.
Unterstützung erhielt Hannes Böttcher vom Öko-Institut, Experte für Energie und Klimaschutz. Eine direkte Einbindung in einen fossilen CO2-Zertifikatemarkt hält er für nicht sinnvoll.
Aus dessen Sicht sollte stattdessen ein privater Zertifikatemarkt außerhalb des Beihilferahmens helfen, Ökosystemleistungen generell zu vermarkten. Bei diesem würden Waldbesitzende zusätzlich zur Förderung ihre zertifizierten Umweltleistungen an Firmen verkaufen, die diese als Umweltengagement oder auch in einem Bonussystem nutzen könnten. Die Förderkriterien würden dabei gleichzeitig die Zugangsvoraussetzungen bilden, so Böttcher.
Als Zugangsvoraussetzung zum Private Zertifikatehandel schlug Böttcher die bisherigen Standards wie FSC, PEFC vor. Allerdings reichten diese nicht aus, so dass Waldbauern zusätzliche Leistungen erbringen müssten. Diese müssen gezielt auf Klima- und Biodiversitätsschutz abgestellt sein. Dies sei bei den PEFC- und FSC-Anforderungen nicht der Fall.
Bitter: Auch Walderhalt ist Leistung
Andreas W. Bitter, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) - Die Waldeigentümer, hielt es für richtig, die Ökosystemleistungen auf Basis des aktuellen CO2-Preises zu honorieren sowie eine möglichst unbürokratische Umsetzung, die auch Chancen für den Kleinprivatwald mit einer Durchschnittsfläche von unter drei Hektar böte. Daher sollten die bestehenden und etablierten Zertifizierungssysteme für eine Honorierung genutzt werden, „weil das Programm für alle Waldbesitzgrößen offen sein sollte“, sagte Bitter.
Er betonte, dass laut wissenschaftlichen Studien die Artenvielfalt im nachhaltig und aktiv bewirtschaften Wald am höchsten sei. Dieser Ansatz finde sich auch im Unionsantrag wieder. Angesichts der enormen Schäden, wie 500.000 ha Kalamitätsflächen und 250 Mio. Festmeter Schadholz, sah er es auch als Leistung der Waldbauern an, den Wald trotz aller Unsicherheiten und Bedrohungen zu erhalten und umzubauen. Die finanzielle Ausstattung des aktuellen Bundesprogramms hält er indes für verbesserungswürdig. Schließlich haben das Thünen-Institut einen Bedarf von 1,4 Mrd. € pro Jahr für die kommenden 30 Jahre ermittelt. Der Bund hat indes bis 2026 lediglich 900 Mio. € vorgesehen.
Tina Baumann, Abteilungsleiterin Stadt Forst Frankfurt im Grünflächenamt der Stadt Frankfurt am Main, ist der Umbau der Wälder Richtung Mischwald unumgänglich, weil dadurch die Resistenz zunehme.
Gefährlicher Fokus auf alleinige Klimaleistung
Pierre Leonhard Ibisch, Biologieprofessor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, warnte davor, bei der Honorierung alleine auf die Klimaleistung des Waldes als CO2-Senke abzuzielen, wie es die Union in ihrem Antrag mache. Nach einem Schaden kann der Wald sehr schnell zu CO“-Schleuder werden“, so Ibisch. Er forderte in seiner umfangreichen schriftlichen Stellungnahme, dass Konzepte zur Honorierung von Ökosystemleistungen grundlegenden Prinzipien - unter anderem wissenschaftliche Fundiertheit und Nachprüfbarkeit, ökologisches Primat, Umsetzbarkeit und Entwicklungsfähigkeit sowie gesellschaftliche Transparenz und Akzeptanz - genügen müssten. Er monierte am Beschlussantrag der CDU/CSU-Fraktion, dass zwar verschiedene fachliche Inhalte dargestellt seien, für die allerdings keine Quellen angegeben würden und die angesichts der aktuellen wissenschaftlichen Literatur keineswegs als zweifelsfreier Stand der Kenntnis gelten dürften.
Stilllegung ist nicht immer zu verteufeln
Damit meinte er vor allem, die Ablehnung der Union von Stilllegungen im Wald. Aus Ibisch-Sicht könne man nicht automatisch die aktive Waldbewirtschaftung als Zukunftsmodell „gesetzt“ betrachten. Aufgrund der künftigen, neuen Herausforderungen könnten auch neue Methoden in Betracht kommen, gab er in der Anhörung zu bedenken.
Besonders für große Forstbetriebe hielt Bernhard Möhring, Professor für Forstliche Betriebswirtschaftslehre am Institut für Forstökonomie der Georg-August-Universität Göttingen, die Förderbedingung einer 5%-prozentigen Waldstillegung für machbar. So kämen vor allem schlechte und schwer bewirtschaftbare Waldflächen in Frage. Die Auswirkungen einer solchen Stilllegung sind auch am Holzmarkt kaum spürbar“, so der Experte.
Als Grundproblem bei der operativen Umsetzung sah Möhring aber die unbefriedigende Datenlage: „Der Wald ist groß und dunkel“. Es fehle an betrieblich differenzierten objektiven waldbezogenen Informationen. Deshalb wären standardisierte Befunde aus der Fernerkundung denkbar, zum Beispiel aus einem bundesweiten digitalen Waldmonitoring.