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Recht

Volksbegehren: Ungedeckter Scheck

Richterhammer
Ulrich Graf
Ulrich Graf
am Donnerstag, 27.02.2020 - 09:37

Gesetze verschärfen und die Nachteile durch eine Förderung ausgleichen, dieses Versprechen funktioniert nicht. Im Gegenteil.

Ulrich Graf

Im Februar jährte sich das Volksbegehren Biene in Bayern. Wie nicht anders zu erwarten, klopften sich die Initiatoren kräftig lobend auf die Schulter. Eine direkte Wiederholung zu einem anderen Thema sei aber jetzt nicht unmittelbar geplant, schließlich habe das Begehren auch Geld gekostet. der Grünen-Politiker Hartmann nannte einen Betrag von über 400.000 €.

Ganz so billig dürften die bayerischen Bauern nicht davonkommen. Sicher, die bayerische Staatregierung hat sich bei der Umsetzung ernsthaft ins Zeug gelegt, um einen für alle Beteiligten tragbaren Kompromiss zu finden. Und sie hat auch Mittel lockergemacht.  Das muss man anerkennen. Das ändert aber nichts daran, dass der von den Initiatoren in Aussicht gestellte Ausgleich für finanzielle Nachteile aus dem verschärften Ordnungsrecht nicht trägt, da er in Widerspruch zu geltendem Recht steht. Das lässt sich an drei Fingern abzählen:

  1. Ein verschärftes Ordnungsrecht schafft Fördermöglichkeiten ab. Dass rechtliche Standards einzuhalten sind, ist jedem klar. Dafür gibt es kein „Extrageld“. Förderfähig sind nur darüberhinausgehende freiwillige Leistungen.  Werden die rechtlichen Standards erhöht, entfallen bisherige Fördermöglichkeiten. So läuft der Hase und nicht anders herum.
    Ein anschauliches Beispiel dafür haben die Bauern dieses Jahr mit dem Gewässerrandstreifen erfahren. Aufgrund des im Volksbegehren geforderten und mittlerweile gesetzlich verankerten Verbots der garten- oder ackerbaulichen Nutzung (inkl. Dauerkulturen) können in diesem 5 m breiten Streifen ab dem Verpflichtungsjahr 2020 keine Ackermaßnahmen mehr gefördert werden – weder im Kulap noch im VNP.
    Zudem ist auf diesen Gewässerrandstreifen auch die Förderung der Maßnahmen B30 „Extensive Grünlandnutzung entlang von Gewässern und in sonstigen sensiblen Gebieten“ im
    Kulap sowie H27 „Verzicht auf jegliche Düngung und chemische Pflanzenschutzmittel, Einzelleistung“, N21 „Verzicht auf jegliche Düngung und chemische Pflanzenschutzmittel“, N22 „Verzicht auf Mineraldüngung, organische Düngemittel (außer Festmist) und chemische Pflanzenschutzmittel“ im VNP auf Acker-/Dauerkulturflächen nicht mehr möglich, da es hier bereits aufgrund fachrechtlicher Vorgaben des Düngerechts bzw. des Pflanzenschutzrechts Einschränkungen gibt.
    Auf Grünland größer eine Hektar ist auch die VNP-Maßnahme W16 „Tierschonende Mahd“ nicht mehr förderfähig, da diese nun schon gesetzlich vorgegeben ist.
    Entschuldigen Sie die etwas lange und ermüdenden Aufzählung, aber sie war einfach als Beleg nötig.
  2. Europäisches Wettbewerbsrecht untersagt einseitige nationale Maßnahmen. Wer nun auf den Trichter kommt, den Ausgleich auf andere Bereiche umzulegen, wird auch nicht weit kommen. Das Umbruchverbot für Grünland beispielweise über eine höhere Grünlandprämie zu kompensieren, ist nicht so ohne weiteres möglich. Mal abgesehen davon, dass das Geld an anderer Stellen jemanden weggenommen werden müsste, werden die irischen Milchviehhalter nicht glücklich darüber sein, wenn deutsche Bauern aufgrund der staatlichen Transferzahlungen Milch billiger auf den Markt bringen könnten als sie selbst. Diese Form der Wettbewerbsverzerrung kann und wird Brüssel nicht dulden.
  3. Haushaltshoheit bleibt bei den parlamentarischen Institutionen. Über Volksbegehren können Bürger gesetzliche Änderungen bewirken. Sie können aber nicht über deren Finanzierung entscheiden. Wer als Beteiligter eines Volksbegehrens dennoch Ausgleich verspricht, und sei es nur in der Form, dass man sich dafür einsetzen wolle, handelt mit ungedeckten Checks.

Die Wahrheit kennen letztendlich nur die Betroffenen

Besonders ärgerlich an der nun eingetretenen Situation ist, dass wieder einmal die Botschaft nach außen getragen wurde, die Bauern würden das Geld doch „hinten und vorne reingeschoben bekommen“. Die Wahrheit bekommen nur die Betroffen zu spüren, sprich die Bauern. Oder können Sie sich vorstellen, dass Otto-Normal-Verbraucher mitbekommen, welche Kulap- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen entfallen, weil sie zur Pflicht wurden und damit nicht mehr förderfähig sind.

Da ist dann durchaus nachvollziehbar, dass der Bewegung „Land schafft Verbindung“ bei der jüngst ausgelobten Bauernmilliarde im Rahmen der Düngeverordnung der Kamm angeschwollen ist. Auch hier werden großzügige staatliche Transferzahlungen versprochen, obwohl sie eigentlich nur dazu dienen, die von der Politik geschaffenen Löcher zu stopfen.

Manchmal kann man ja richtig Mitleid mit den Politikern haben

Wer nun glaubt, an Staatsregierung und Förderbehörden herummäkeln zu müssen, weil die gewisse Transferzahlungen nicht mehr leisten, sucht sich den Verkehrten aus. Die sind ihrerseits auch „nur“ an das geltende Gesetz gebunden und an dessen Ausgestaltung haben ausnahmsweise einmal andere Hand angelegt.

Und eins ist auch klar. Die lautstark ausgetragene Kampagne dürfte den Kontrollbehörden zu Gehör gekommen sein. Rechnungshof und Brüsseler Wettbewerbsbehörden werden einen sehr scharfen Blick darauf werfen, ob alles was da nun an Finanztransfers erfolgt, rechtskonform ist. Das muss die Politik bei all ihren Planungen mit ins Kalkül ziehen.

Was passiert, wenn sich die Haushaltslage ändert?

Spannend wird jetzt das nächste Jahr. Die neue EU-Förderperiode 2021 bis 2027 dürfte für deutsche Bauern schmerzliche Einschnitte bringen. Durch den Austritt des Nettozahlers Großbritannien wird der finanzielle Spielraum enger. Insofern sich Deutschland um einen nationalen Ausgleich bemüht, dürfte Bund und Länder an ihre Leistungsgrenzen bringen. Wofür dann noch Gelder sprudeln, bleibt abzuwarten. Denn Zusagen sind immer abhängig von der Haushaltslage. Da kann es dann durchaus Rückzieher geben.

Abschließend noch eine Klarstellung, bevor die Botschaft in den falschen Hals gelangt: Volksbegehren sind legitime Mittel zur Beteiligung der Bürger an der Gesetzgebung. Damit bereichern sie unsere Demokratie  Damit verbundene Kampagnen sollten aber den Regeln des Fairplay genügen. Darüber sollte man als mündiger Bürger reden können.