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Beratung im Bundestag

Tierwohllabel: Koalition streitet Lücken im Gesetzentwurf nicht ab

Dass die Tierhaltungskennzeichnung zu einer Erhöhung der Standards in der Tierhaltung führen wird, war in der heutigen (15.12.) ersten Lesung im Bundestag unter den Abgeordneten äußerst umstritten.
Johanna Michel
am Donnerstag, 15.12.2022 - 17:17

Der Bundestag hat am 15.12. das vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) geplante Tierhaltungskennzeichnungsgesetz in erster Lesung beraten. Die Abgeordneten waren sich einig, dass der Entwurf für den Umbau der Tierhaltung nicht ausreicht. Trotzdem zeigte sich die Koalition optimistisch.

„Wenn wir alles auf einmal machen wollten, dann würde nichts passieren“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zur anfänglichen Behandlung der Tierhaltungskennzeichnung im Bundestag. Er freue sich über jede Verbesserung des Gesetzentwurfs.

Ähnlich drückte Özdemir sich bereits Ende November im Bundesrat aus. Denn auch von den Bundesländern gab es viel Kritik am geplanten Gesetz und Forderungen nach Anpassungen, doch sie stimmten dem Vorhaben grundsätzlich zu.

Im Anschluss an eine aufgeheizte Debatte wurde der Gesetzentwurf an den federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen. Laut BMEL soll der Bundestag das Gesetz im Februar 2023 abschließend behandeln.

Kritik an Tierhaltungskennzeichnung geht an Özdemir vorbei

Wie der Minister betonte, sei der Gesetzentwurf ein erster Schritt, um eine verbindliche und umfassende Verbraucherinformation einzuführen. Özdemir kündigte an, die Kennzeichnung auf die Sauen- und Ferkelhaltung, weitere Tierarten, die Gastronomie und verarbeitete Produkte ausweiten zu wollen. Die Forderung aus der Opposition, auch importierte Ware einzubeziehen, sei allerdings europarechtswidrig. Den Landwirten zu suggerieren, auch ausländisches Fleisch kennzeichnen zu können, sei ihnen gegenüber nicht ehrlich.

„Der Umbau der Tierhaltung ist ein Marathon“, sagte Özdemir. Doch die viele Kritik am Gesetzentwurf sei eigentlich gar keine Kritik, denn mit den nächsten Schritten würden die geforderten Änderungen ohnehin abgehandelt. Die Vorschläge von der Borchert-Kommission und von der Zukunftskommission Landwirtschaft wolle Özdemir umsetzen.

Außerdem stellte Özdemir klar, dass der Umbau der Ställe nicht am Bau- und Genehmigungsrecht scheitern dürfe. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) schaffe gerade die Voraussetzung dafür, dass die Ställe an die Tiere angepasst werden können.

Der Grünen-Politiker dankte Finanzminister Christian Lindner (FDP), weil es für die Investition in den Stallumbau jetzt eine Grundlage gebe. In den kommenden Wochen würden die Koalitionsfraktionen einen guten Weg finden, um den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren. Bisher kann Özdemir auf die ersten 150 Mio. Euro für den Stallumbau noch nicht zugreifen, weil der Haushaltsausschuss die Mittel wegen des fehlenden Finanzierungskonzepts gesperrt hat.

Streit um Zukunft der Initiative Tierwohl

Aus Sicht von Agrarpolitiker Albert Stegemann (CDU) ist der Gesetzentwurf „löchrig wie Schweizer Käse“ und „komplett untauglich“. Auch unschädlich sei das Vorhaben nicht, weil das einwandfrei funktionierende System der Initiative Tierwohl (ITW) kaputt gemacht werde. „Das, was sie nachschieben, funktioniert eben nicht“, sagte Stegemann zum fehlenden Gesamtkonzept.

Die SPD-Politikerin Susanne Mittag entgegnete, dass die Tierhaltungskennzeichnung nicht von Marktinteressen geleitet werde, sondern auf das Tierwohl ausgerichtet sei. Dagegen funktioniere das bestehende System derzeit nicht gut, sei für den Verbraucher nicht nachvollziehbar und unzuverlässig. Trotzdem gebe es aber Nachbesserungsbedarf. „Das hier ist der erste Schritt und ich freue mich auf die weiteren“, sagte Mittag in der Überzeugung, dass sich die Tierhaltung in Deutschland verbessern werde. Insgesamt plane die Regierung für Tierhalter neun Gesetze und Verordnungen.

Die FDP-Abgeordnete Carina Konrad erklärte, dass sich das Label an den bestehenden Initiativen „orientieren“ solle. Gero Hocker, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, ergänzte, dass im Hinblick auf die Kontrollen der Betriebe die bestehenden Strukturen aus der Wirtschaft nicht zerschlagen werden dürften. Auch Max Straubinger (CSU) stellte fest, dass durch eine Kooperation mit der ITW die Kontrolle von ausländischen Betrieben möglich gewesen wäre.

Einigkeit über sinkende Tierzahlen in Deutschland

Straubinger betonte außerdem, dass das Gesetz die Tierhaltung in Deutschland abbauen und nicht aufbauen werde. Stephan Protschka (AfD) vertrat ebenfalls die Meinung, dass die Tierhaltungskennzeichnung zu erheblichen Mehrkosten und massiven Wettbewerbsnachteilen für deutsche Landwirte führen werde. Das heimische Fleisch werde künstlich teurer gemacht.

Ina Latendorf (Linke) wies darauf hin, dass sich der Verbraucher die Wahl zwischen den Haltungsstufen Stall und Bio erst einmal leisten können müsse. Grundsätzlich begrüße die Linke die verbindliche Kennzeichnung aber.

Renate Künast (Grüne) bekräftige die Prognose, dass es in Deutschland weniger Nutztiere und Fleischexporte geben werde. Jedoch werde die Akzeptanz für die Tierhaltung in der Gesellschaft verbessert, weil sich die Tierhaltung in Deutschland und auch in Europa ändern werde.

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