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Tierhaltungskennzeichnung

Tierwohl: Union wirft Özdemir Flickschusterei vor

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Josef Koch
Josef Koch
am Mittwoch, 19.04.2023 - 16:12

Der Agrarausschuss im Bundestag winkt Gesetzesentwurf trotz harscher Kritik durch. Bauern fordern 20-Jahresverträge als Sicherheit.

Wie erwartet gab es im Agrarausschuss des Bundestages heiße Diskussionen um den Entwurf des Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Die CDU/CSU warfen dem Bundesminister Cem Özdemir vor, Flickschusterei zu betreiben und die Verbraucher zu täuschen. Die Grünen halten die Verabschiedung des Entwurfs im Ausschuss dagegen für einen guten Tag „für den Tierschutz, die Kunden und für Tierhalterinnen und Tierhalter.“

Und Tierhalter wie Martin Schulz vermissen weiterhin Planungssicherheit. Im Juni soll der Bundestag das komplette Tierhaltungspaket zusammen mit Änderungen im Baurecht verabschieden.

Langfristige Verträge gefordert

Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Wir Bäuerinnen und Bauern wollen die Tierhaltung umbauen. Aber in dem bisherigen Prozess fehlt für uns noch Planungssicherheit.“

Das vorliegende Tierhaltungskennzeichnungsgesetz gilt erst ab 30 Kilogramm und berücksichtigt nur das halbe Schweineleben. Auch wenn laut einem Entschließungsantrag, den der Agrarausschuss morgen beschließen wird, die Regierung diese Lücke schließen will, ist es aus Sicht der AbL notwendig, die Sauenhaltung umgehend ins Tierhaltungskennzeichnungsgesetz mit aufzunehmen. Für sauenhaltende Betriebe ist und bleibt unklar, wann welche Kriterien auf sie zukommen. Schulz fordert zudem langfristige und verlässliche Verträge, mit Laufzeiten von zwanzig Jahren und verbindlichen Prämienhöhen, die auch Anreize für tierhaltende Betriebe bieten.

Bilger: Grüne landen als Bettvorleger

Fraktionsvize, Steffen Bilger, (CDU/CSU) sieht Özdemirs Kennzeichnung der Tierhaltungsformen „eine Täuschung der Verbraucher mit staatlichem Siegel.“ Die Kunden erfahren beim Kauf von frischem Schweinefleisch beispielsweise nicht, ob das Ferkel im Ausland betäubungslos kastriert worden sei, monierte der Unionspolitiker. Für die Haltungsstufe 2 „Stall plus Platz“ reichen jetzt lediglich 12,5 Prozent mehr Platz aus.

Laut Bilger kritisiert vor vier Jahren noch die damalige Grünen-Oppositionspolitikerin Renate Künast die unionsgeführte Bundesregierung dafür, dass diese „nur“ 20 Prozent mehr Platz in der Einstiegsstufe vorsah. „Nun brüsten sich die Grünen mit bescheidenen 12,5 Prozent mehr Fläche im Stall“, warf er Künast an den Kopf. „Die Grünen sind als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet.“

Unionsagrarsprecher Albert Stegemann warf Özdemir vor, „wieder einmal agrarpolitisches Stückwerk“ abzuliefern. Verarbeitetes Schweinefleisch in Fertigprodukten, in der Gastronomie und in Kantinen bleibt beim Tierwohllabel außen vor. Er vermisst vor allem weiterhin Planungssicherheit für Landwirte. Auch sei die Finanzierung von mehr Tierwohl ungeklärt.

Künast verspricht schnelle Erweiterungen

Dagegen war die grüne Agrarsprecherin Künast voll des Lobes. „Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz ist ein zentraler Baustein für eine klare Information der Verbraucherinnen und Verbraucher, für fairen Wettbewerb in der Tierhaltung und Ausrichtung am Tierschutz“. Zusammen mit noch folgenden Gesetzesänderungen sei das der Grundstein für eine zukunftsfähige Tierhaltung.

Es wird laut Künast nun konsequent auf weitere Tierarten und Verkaufswege ausgeweitet. So will der Bund zum Beispiel das Baurecht sowie bei den Verwaltungsvorschriften zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) anpassen und vorhandene Lücken im Tierschutzgesetz schließen.

SPD-Agrarsprecherin Susanne Mittag wertet die Tierhaltungskennzeichnung als "Kernstück zum zukunftsfesten Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland".

Bundesländer sind verärgert

Vor allem beim BImSchG sollen die Länder bei ihrem Sondertreffen am 5. Mai für klare Regeln sorgen. Doch viele sind nach den Vorfällen bei der Frühjahrskonferenz Ende März ziemlich verärgert über Özdemirs Vorgehen. Somit dürfte es bei der Sonder-AMK heiß hergehen.

Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) und Vorsitzende der Agrarministerkonferenz (AMK) wirft dem Bund vor, er habe ungeachtet der Beschlusslage des Bundesrates die Länder erneut nicht an der Überarbeitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes beteiligt. Stattdessen seien diese mit dem Einreichen des geänderten Entwurfs zur Notifizierung bei der Europäischen Kommission vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

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