Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Borchert-Kommission

Tierwohl: Tierschützer halten FDP-Finanzierung für naiv

Josef Koch
Josef Koch
am Donnerstag, 02.06.2022 - 16:18

FDP lehnt Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Tierwohl-Abgabe ab. Partei kann auf Ökostufe beim Tierwohl-Label verzichten.

Ferkel-Stroh-Tierwohl

Harte Kritik vom Deutschen Tierschutzbund muss die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad einstecken. „Die Verweigerung der FDP, den notwendigen Umbau der Tierhaltung in Deutschland mit zusätzlichen staatlichen Fördermitteln zu begleiten, schadet den Landwirten und den Tieren“, so Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

Die FDP habe den Koalitionsvertrag bei vollem Bewusstsein unterschrieben, die aus den Vorhaben resultierenden Konsequenzen müssen allen Beteiligten klar gewesen sein. „Jetzt muss Vertragstreue gelten,“ verlangt der Tierschutzpräsident. Aktuell laufen die Verhandlungen der Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP, um einen Kompromiss für ein Finanzierungskonzept für die Vorschläge der Borchert-Kommission zu finden.

Marktpartner müssen Umbau finanzieren

Konrad-Carina-FDP-Bundestag

Konrad hatte in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) die Haltung der FDP bekräftigt, dass es für den Umbau der Tierhaltung eine weitere Belastung der Verbraucher nicht geben dürfe, weder über eine Mehrwertsteuer noch über eine Abgabe. „Das passt nicht in eine Zeit, in der die Preise überall stark steigen. Die laufenden Kosten müssen auf Dauer über den Markt finanziert werden“, so Konrad.

Die Ampelparteien hätten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass alle Marktteilnehmer in die Pflicht genommen werden müssen. Als Beispiel für die Finanzierung sieht sie die bestehende Tierhaltungs-Kennzeichnung des Handels. Sie startete laut Konrad mit einem Fonds, in den die beteiligten Unternehmen vom Lebensmitteleinzelhandel bis zu den Schlachthöfen einzahlten.
 

Schröder: FDP-Finanzierungskonzept ist naiv

Schröder Thomas-Präsident Deutscher Tierschutzbund

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) wirft der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden politische Verantwortlosigkeit vor. „Zu erwarten, dass allein der Markt den Umbau der Tierhaltung regeln kann, verkennt die politische Verantwortung für Tiere und Höfe,“ so BÖLW-Vorstand Peter Röhrig.

Die FDP-Vorstellung, der Markt solle das alleine finanzieren, ist aus Sicht von Tierschützern „naiv“. Damit der Umbau beginnen könne, seien weitere Milliarden zur Anschubfinanzierung nötig. Eine solche haushaltsrelevante Zusage zum jetzigen Zeitpunkt ist auch deshalb wichtig, um den umstellungsbereiten Landwirten Planungssicherheit zu geben, ist Schröder überzeugt. „Die FDP sollte Vernunft annehmen und ihre engstirnige Verweigerungshaltung aufgeben“, verlangt der Tierschützer.“

Regierung räumt höheren Finanzbedarf ein

Die bisher geplante eine Milliarde über vier Jahre hält Konrad für „bereits ein sehr starkes Signal und eine gute Grundlage für die erste Zeit“. Schließlich würden ja nicht alle Ställe gleich im ersten Jahr umgebaut, begründet die FDP-Politikerin.

Auf dem Raiffeisen-Tag in Berlin räumte Bundesagrarminister Cem Özdemir ein, dass dies nur eine Anschubfinanzierung sei, der tatsächliche Finanzbedarf jedoch weit darüber liege. Ursache sei, dass auch die laufenden Mehrkosten für eine tiergerechtere Haltung ausgeglichen werden müssten. Der Minister sprach sich für ein „wirksames, solidarisches Abgabesystem auf tierische Produkte“ aus. Er sicherte zu, mit „ganzem Einsatz“  im Kabinett zu einer guten, tragfähigen Lösung zu kommen.

Liberale stehen hinter staatlichem Tierwohl-Label

Konrad hält aber an einem Tierwohl-Label fest. Als Starttermin wünscht sie sich den 1. Januar 2023. Der FDP sei es wichtig, dass mehr Tiere besser gehalten werden. Dafür müssten die Haltungsbedingungen für den Verbraucher transparent sein. Und die Landwirte müssen Planungssicherheit bekommen. „Deswegen drängt die Zeit“, so Konrad.

Allerdings legt die FDP keinen besonderen Wert darauf, dass die Ökotierhaltung dabei besonders ausgewiesen wird. „Es gibt konventionelle Landwirte, die ihre Tiere sogar besser halten als Biohöfe,“ verneinte sie die Frage, ob eine Biostufe wichtig sei. Gleichzeitig plädierte sie, dass sich das staatliche Tierwohl-Label an dem Kennzeichnungssystem des Handels orientieren solle. „Das kennen viele Verbraucher nun schon. Es darf deswegen auf keinen Fall außen vor bleiben“, fordert sie in den derzeitigen Verhandlungen in Koalitionskreisen.
 

Ökokennzeichnung für FDP nicht so wichtig

Nach Ansicht Konrads dürfe das Label nicht an moralischen Überfrachtungen, wie etwa dem Beharren auf einer Bio-Stufe, scheitern. Es würde bedeuten, dass noch mehr Tierhaltungsbetriebe aufgeben, die gerade noch auf gute Rahmenbedingungen hoffen, um neu Schwung zu holen. Konrad bedauert, dass es nun schon Jahre dauert, eine Lösung zu finden. Zuletzt ist CDU-Ministerin Julia Klöckner am Widerstand der SPD gescheitert, die ein verpflichtendes Label wollte.

Die gesellschaftliche Debatte setzt Betriebe nach Konrads Auffassung zudem wahnsinnig unter Druck. Junge Landwirte sähen ihre Zukunft immer seltener in der Tierhaltung, weil sie nicht am Pranger stehen wollten als angebliche Tierquäler. „Die staatliche Kennzeichnung soll auch ihre Anerkennung befördern“, nennt Konrad als Ziel.

 

Jetzt die digitale Wochenblatt-Ausgabe für nur 1€ testen!
Digitale Ausgabe!
agrarheute_magazin_composing