München/Berlin Dass die Opposition, allen voran die CSU, den Beschluss der Bundesregierung für ein verpflichtendes staatliches Tierwohl-Label kritisiert, überrascht nicht. Doch auch die FDP sieht den Kabinettsbeschluss vom Mittwoch (12.10.) lediglich als ein „Grundstein“. Im parlamentarischen Verfahren seien Nachbesserungen nötig, fordert der Koalitionspartner. Dieser Meinung ist auch der Deutsche Tierschutzbund. Gelinge dies nicht, sollte der Bund das Gesetzgebungsverfahren besser stoppen, so die Tierschützer. Auch Bauern- und Raiffeisenverband bemängeln etliche Schwachstellen.
Kaniber: Gut gemeint, schlecht gemacht
Für Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber ist der Gesetzesentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung „Gut gemeint, aber schlecht gemacht“. Statt Landwirtinnen und Landwirten bei der Umsetzung von mehr Tierwohl im Stall gezielt zu unterstützen und ihnen Planungssicherheit zu geben, sollen sie hier mit immer noch mehr Bürokratie überhäuft werden.
So erwarte der Bund von Tierhalten wieder einmal mehr, in Vorleistung zu gehen, so die CSU-Ministerin. Dringende Fragen zur Finanzierung oder zum Bau- und Emissionsschutzrecht sind jedoch nach wie vor nicht geklärt. Aus Kanibers Sicht verdienen die kürzlich vom Bund genannten Beträge für die Tierwohlfinanzierung nicht mal das Wort „Feigenblatt“ und werden möglicherweise durch die geplanten Regelungen sogar grundsätzlich gefährdet. Sie ist enttäuscht, dass die Bundesregierung bei ihrem Gesetzentwurf die Empfehlungen der Borchert-Kommission nicht stärker aufgegriffen hat.
Besonders kritisch sieht die Agrarministerin, dass Medienberichten zufolge die Kennzeichnung für inländisches Schweinefleisch verpflichtend, für ausländische Produzenten aber freiwillig sein soll. „Das benachteiligt unsere deutschen Betriebe und führt auch nicht zu mehr Transparenz für den Verbraucher. Ich lehne diesen Vorstoß der Bundesregierung daher klar ab,“ so Kaniber.
FDP: Staatliches Label muss sich an Handel orienteren
Für die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carins Konrad ist indes klar: „Die verlässliche Kennzeichnung versetzt Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage, bessere Tierhaltung und ein Mehr an Tierwohl auch an der Ladentheke zu erkennen. Die Anstrengungen von Landwirtinnen und Landwirten, die sich schon auf den Weg hin zu mehr Tierwohl begeben und Investitionen getätigt haben, müssen anerkannt werden.“
Daran führe für die FDP-Fraktion kein Weg vorbei. Daher hat die Koalition sich darauf verständigt, dass sich das staatliche Label an den Stufen der schon im Handel befindlichen Kennzeichnung orientieren muss. Diese im Entwurf noch nicht entsprechend berücksichtigten Anforderungen werde die Koalition nun im parlamentarischen Verfahren umsetzen, versichert Konrad. Ihrer Meinung nach dient die vom Kabinett beschlossene erste Diskussionsgrundlage dazu, schnell das weitere Beratungsverfahren einzuleiten.
Zudem macht die FDP-Politikerin innerhalb der Regierungskoalition Druck bei Lockerungen im Baurecht. Die notwendige Entbürokratisierung, vor allem beim Bau- und Immissionsschutzrecht, seien die Voraussetzung für Investitionen in mehr Tierwohl und müssen rechtlich abgesichert sein.
Biobauern erwarten weitere Schritte
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) indes findet es „richtig“, dass bei der geplanten Kennzeichnung Bio eigenständig erkennbar sein soll. Denn Bio sei der höchste europäisch geregelte gesetzliche Standard für artgerechte Tierhaltung. Allerdings erwartet Peter Röhrig, geschäftsführender BÖLW-Vorstand, dass Bundesagrarminister Cem Özdemir im nächsten Schritt auch verarbeitete Produkte, weitere Tierarten und die gesamte Lebenszeit der Tiere berücksichtigt. Bei Bio umfasse die Kennzeichnung bereits heute all diese Bereiche.