Überraschend ist das Ergebnis der Abstimmung nicht. Von allen Seiten hagelte es Kritik am Entwurf von Bundesagrarminister Cem Özdemir für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Nun hat der Agrarausschuss des Bundesrates den Gesetzentwurf am Montag (7.11.) mehrheitlich abgelehnt.
Dem Antrag der B-Länder Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auf Ablehnung stimmten auch Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen zu. Niedersachsen, Saarland und Sachsen enthielten sich. Bereits zuvor hatten die fünf Länder, in denen ein Agrarminister der Union am Ruder ist, Özdemirs Finanzierungspläne für mehr Tierwohl scharf kritisiert. Ein Baustein ist dabei das staatliche Tierwohl-Label.
Liste mit 65 Nachbesserungen
Nach den Beratungen des Agrarausschusses in Berlin sieht sich Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber bestätigt. So teilten auch andere Länder Bayerns massive Kritik an den Vorschlägen des Bundes für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz.
"Sie sehen wie wir, dass das Gesetz mit seinen umfangreichen Melde-, Dokumentations-, Überwachungs- und Kontrollpflichten für alle Betriebe zu einem massiven Bürokratieaufwand führen wird“, sagte Kaniber. Allein die lange Liste von 65 Nachbesserungen, die der Ausschuss dem Bund nun aufgezeigt hat, mache deutlich, dass das Gesetz völlig an der Realität vorbeigehe und die Notwendigkeiten zum Umbau der Tierhaltung schlichtweg verkenne.
Starke Zweifel an Vereinbarkeit mit EU-Recht
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung greife wesentlich zu kurz und sehe kein ganzheitliches Konzept zum Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland vor, heißt es in der Begründung des Antrags der B-Länder.
Zudem sei der Entwurf mit Blick auf die europarechtskonforme Ausgestaltung in Bezug auf den freien Warenverkehr sowie in Verbindung mit der vorgesehenen Verknüpfung kennzeichnungsrelevanter Mindestanforderungen für die einzelnen Haltungsformen in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung „fraglich“.
„Vorgezogene, unvollständige Regelungen von Teilschritten schaffen Unsicherheiten und gefährden den Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland in Gänze“, so die Kritik. Den Ländern werde mit dem Vollzug des Gesetzes eine Aufgabe auferlegt, „deren Erfüllungsaufwand deutlich höher sein wird als angenommen und zugleich jedoch an den reduzierten Überwachungs- und Anordnungsmöglichkeiten scheitern muss“.
Größere Marktsegmente sind nicht erfasst
Mit der Beschränkung der verpflichtenden Kennzeichnung zunächst auf „frisches Schweinefleisch“ blieben der weitaus größere Marktanteil ungeregelt und wichtige Absatzwege wie Gastronomie und Außer-Haus-Verpflegung unberücksichtigt. Zudem zielten die Anforderungen ausschließlich auf den Lebensabschnitt „Mast“. Die Bereiche der Ferkelerzeugung, Aufzucht sowie Transport und Schlachtung seien dagegen außen vor. Für dringend erforderlich halten die meisten Länder eine Verknüpfung der Haltungskennzeichnung mit einer Herkunftskennzeichnung sowie die Vorlage einer langfristig wirksamen Finanzierungsstrategie.
Zuviel Bürokratie befürchtet
Der Gesetzentwurf sehe zudem keine wirksame und systematische Überwachungsmöglichkeit der zuständigen Behörden vor, erhöhe jedoch gleichzeitig den Bürokratieaufwand in Form von Mitteilungs-, Dokumentations- sowie Überwachungspflichten für Betriebe und zuständige Behörden. Eine adäquate Überwachung ausländischer Betriebe sei nicht möglich.
Weiterer Kritikpunkt der Länder: Das bestehende, praxisbewährte Initiative-Tierwohl-(ITW)-System der Wirtschaft sowie das damit verbundene System der Finanzierung von mehr Tierwohl für die Betriebe werde geschwächt.