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Umbau Tierhaltung

Tierwohl-Label: Knackpunkt Finanzierung

Josef Koch
Josef Koch
am Dienstag, 07.06.2022 - 18:30

Das staatliche Tierwohl-Label und der Umbau der Tierhaltung könnten am fehlenden Geld scheitern.

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Das geplante staatliche Tierwohl-Label führt nicht nur in der Agrarbranche, sondern auch bei Tierschützern zu kontroversen Meinungen und teils heftiger Kritik.  Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat am Dienstag, (7.6.) die Eckpunkte für eine verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vorgestellt. Starten soll die Kennzeichnung mit Schweinefleisch im kommenden Jahr.

Hauptkritikpunkt ist, dass der grüne Agrarminister zwar den Bauern Planungssicherheit und Einkommen verspricht, aber die Finanzierung keineswegs gesichert ist. Daher ist BBV-Präsident Walter Heidl enttäuscht. Seiner Meinung fehlt nach wie vor ein verbindliches Finanzierungskonzept, wie es die Borchert-Kommission vorgeschlagen hat. Das kritisieren auch Koalitionspartner FDP sowie die Union als Opposition. In die Kritik zur Finanzierung reihen sich Umwelt- und Tierschutzverbände fast nahtlos ein.

FDP als Totengräber der Tierhalter gesehen

Dabei lehnt die FDP eine höhere Mehrwertsteuer auf tierische Produkte oder eine Tierwohlabgabe von beispielsweise 40 Cent/kg Fleisch rigoros ab. FDP-Agrarsprecher  Gero Hocker warf Özdemir vor, ungedeckte Schecks zu verteilen und die Bauern in die „Investitionsfalle“ zu locken.

Özdemir hat bisher über den Bundeshaushalt lediglich 1 Mrd. € für vier Jahre auf den Weg gebracht, während die Borchert-Kommission einen Bedarf von bis zu 4 Mrd. € pro Jahr ausgerechnet hat. Damit Tierhalter investieren, brauchen sie laut BBV-Präsident Heidl „unbedingt verlässliche Rahmenbedingungen und eine klare Perspektive“. Das sieht auch die Fleischwirtschaft so.

Antje von Broock, Bundesgeschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wirft der FDP vor, mit ihrer „Verweigerungshaltung die Zukunft der Tierhalter zu gefährden“.

Vorteile für ausländische Ferkel?

Der bayerische Bauernpräsident sieht zudem die Gefahr, dass Schweinefleisch von ausländischen Ferkeln in höhere Haltungsstufen eingeordnet wird, obwohl diese Ferkel zum Beispiel betäubungslos kastriert würden, was in Deutschland verboten ist. Maßgebend für die Eingruppierung ist nur die Haltungsform in der Schweinemast, aber nicht in der Ferkelerzeugung. Nach BMEL-Plänen kann ausländisches Schweinefleisch freiwillig gekennzeichnet werden, eine Pflicht besteht aber nicht.  

Heidl fordert daher gleichzeitig die verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Doch hier zögert Özdemir. Er will erst einen Vorschlag aus Brüssel abwarten, der für Ende das Jahres angekündigt ist. Erst wenn Brüssel bis dahin nichts vorlegt, will Özdemir die Herkunftskennzeichnung national regeln.

Gastronomie soll mit rein

Die stellvertretene FDP-Vorsitzende Carina Konrad vermisst zudem die Kennzeichnung von Produkten in der Gastronomie. Ebenso kritisiert sie, dass Özdemir mit fünf Haltungsstufen eine komplett neue Systematik einführen will, während es in den Supermärkten bereits Tierhaltungslabel mit hoher Bekanntheit bei den Kunden gebe. „Dadurch wird dieses wichtige Projekt unnötig gefährdet. Die neue Tierwohlkennzeichnung sollte sich an bestehenden Labels orientieren“, so Konrad.

Unzufrieden mit Özdemirs Vorschlag sind auch Tierschützer, auch wenn sie das staatliche Tierwohl-Label grundsätzlich begrüßen. Der Deutsche Tierschutzbund bemängelt, dass das Bundesagrarministerium die Kennzeichnung zunächst nur für Schweinefleisch vorsieht und die Gastronomie außen vor lässt. Zudem verlangt dessen Präsident, Thomas Schröder, Transport und Schlachtung „wie im Koalitionsvertrag“ vereinbart, in das Label einzubeziehen. Der Bundesagrarminister kündigte jedoch an, das Tierschutzgesetz zu verschärfen.

Tierschützer gegen eigene Öko-Stufe

Fehl am Platz findet Schröder eine exklusive Bio-Stufe. Jeder Landwirt, unabhängig von der Art des Wirtschaftens, müsse das Einhalten der Kriterien im Detail belegen und dürfe nicht pauschal einsortiert werden, fordert Schröder. Auch SPD-Agrarsprecherin Susanne Mittag äußerte sich zurückhaltend gegenüber der vorgesehenen Öko-Haltungsstufe.

Logischerweise sehen die Bioverbände das ganz anders. Dass nun auch bei der geplanten Tierhaltungskennzeichnung die Leistungen des Ökolandbaus mit einer eigenen Bio-Stufe als höchstem Standard für die Verbraucherinnen und Verbraucher sichtbar werden, ist laut Bioland-Präsident kann Plagge „folgerichtig und sehr zu begrüßen“. Er sieht in dem Label einen Startschuss zu deutlich mehr Transparenz für Verbraucher bei ihrer Kaufentscheidung.

Zügige Lockerungen im Bau- und Umweltrecht nötig

Ebenso versprach Özdemir, zügig das Bau-, Umwelt- und Planungsrecht an die fünf Haltungsstufen anzupassen. Nach Ansicht des Verbands der Fleischwirtschaft (VDF) werden nur damit Stallumbauten wie Offenställe überhaupt erst möglich. „In jedem Fall ist ein schnelles Handeln erforderlich, wenn man den aktuellen Strukturbruch in der deutschen Tierhaltung noch aufhalten will,“ so VDF-Geschäftsführerin Dr. Heike Harstick.

Die grüne Agrarsprecherin Renate Künast und ihre Parteikollegin Zoe Mayer, sehen indes die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung als „Rückgrat dafür“, in welche Richtung sich die Tierhaltung in den kommenden Jahrzehnten entwickeln werde.

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