Brüssel Nach Einschätzung der europäischen Bauern- und Genossenschaftsverbände (Copa-Cogeca) sind dieses Jahr von der EU-Kommission etliche Gesetzesentwürfe, die vor allem tierhalte betreffen, zu erwarten. Grund sind die im Mai bevorstehenden Wahlen zum EU-Parlament im Mai 2024. Die Kommission werde dann nicht in der Lage sein, neue Vorschläge vorzulegen, da das EU-Parlament in den Wahlkampfmodus wechsele. Schweden im ersten Halbjahr 2023 und Spanien im zweiten Halbjahr 2023 hätten daher wichtige EU-Ratspräsidentschaften inne, so die beiden Dachverbände..
Die Europäische Kommission lege vor allem Tierhaltern neue Steine in den Weg. So mache sie ihnen das Leben „unnötig schwer“, beklagten die Präsidenten der EU-Ausschüsse der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca), Christiane Lambert und Ramon Armengol.
Emissionsrichtlinie ist neben der Spur
Kein Verständnis hat Lambert für die Novelle der EU-Industrie-Emissionsrichtlinie. „Die Tierproduktion ist keine Industrie. Die Zahl von 150 GVE, die in diesem Zusammenhang in den Raum gestellt wurde, lehnen wir ab, wie auch die Äquivalente für Schweine und Hühner“. Auch etliche EU-Agrarminister, darunter auch Cem Özdemir, fordern eine Erhöhung. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius pocht aber auf die 150 GVE-Grenze. Damit wären bereits 100-Kuhbetriebe mit Nachzucht von höheren Auflagen zur Ammoniakreduzierung betroffen.
Laut Lambert, selbst Schweinehalterin, gibt es große Unterschiede und eine Vielzahl von Realitäten, weshalb Copa/Cogeca auch die Vorschläge mit Blick auf die extensive Produktion und Pflanzenfresser aller Tierarten gemacht haben. „Mitunter sind Tiere neun Monate auf der Weide - kann man hier von industriellen Bedingungen sprechen?“, zeigte sich Lambert verwundert.
Mehr Realitätssinn gefordert
Verpflichtende EU-Entscheidungen sollten daher auf Grundlage der Realität getroffen werden. Kein anderer Kontinent habe so hohe Standards wie die EU. In Europa gelten protektionistische Vorschriften. „Die EU-Viehhalter brauchen aber finanzielle Mittel für einen guten Übergang in andere Produktionssysteme und Entscheidungsträger mit gesundem Menschenverstand“, forderte die Copa-Präsidentin.
Nach Einschätzung von Cogeca-Präsident Armengol haben die von der EU-Kommission getroffenen Entscheidungen zur Novelle des Tierschutzrechts „enorme Auswirkungen auf Viehhalter“, führte Armengol aus. Er selbst besitzt einen Schweinebetrieb in Spanien. Für nicht akzeptable hält er, dass die EU-Kommission in diesem Zusammenhang eine externe Agentur beauftragt hat, ohne die Landwirte einzubinden. „Die Erzeuger müssen in die Verhandlungen eingebunden werden. Sie sind es, die wissen, dass etwa die Kosten für das Baumaterial um 30% gestiegen sind und daher Investitionsprojekte auf ihren Betrieben verschoben werden, „ forderte er.
Klare Absage an Mercosur
Eine klare Absage gab es von Lambert und Armengol für das Mercosur-Abkommen. So wolle die EU-Kommission die Fleischproduktion und die Treibhausgase reduzieren. „Warum will man dann durch Mercosur Fleischimporte steigern?“, fragen sich die beiden. Die Landwirtschaft dürfe nicht zum Spielball für andere Sektoren werden. Es gibt auch Gespräche über Freihandelsabkommen mit Australien, Neuseeland oder Chile. Die steigenden Mengen und die Forderungen nach mehr Importen schaden au Sicht von Copa-Cogeca der Landwirtschaft. „Rindfleisch Zucker und Schaffleisch sind sensible Sektoren, aber essenziell für die ländlichen Gebiete der EU“, erklärte Lambert.
Kritisch sieht Armengol den Handel mit der benachbarten Ukraine hin. Man müsse jetzt die Folgen auf die EU-Landwirtschaft prüfen, insbesondere von Geflügelimporten. „Denn aktuell führt der Handel mit der Ukraine zu Verzerrungen am Markt der EU“, begründet der Cogeca-Präsident.
„Kein Verbot ohne Lösung“
Lambert und Armengol sind sich einig, dass der Green Deal überdacht werden muss. „Es dürfen keine Ideologien Überhand nehmen, denn die Bedingungen haben sich geändert. Wir müssen sowohl Lebensmittel herstellen als auch den Planeten schützen. Europa darf nicht naiv sein und muss die Produktion vor dem Hintergrund der Ernährungssicherung bewahren.
Beide sagen Ja zum Erhalt der Ernährungssicherheit und zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, halten aber an dem Slogan fest: „kein Verbot ohne Lösung“.
Sie kritisieren, dass manche EU-Vertreter „business as usual“ machen und Ziele verfolgen, als ob es kein Ukrainekrieg gebe.