Berlin - Soll die Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf null gesenkt werden? Der Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) hat zuletzt für kontroverse Diskussionen gesorgt. Der Bundesminister sagte in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe, dass er „persönlich große Sympathien“ dafür habe, die Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf null zu setzen. Weiter sagte der Grünen-Politiker: „Das würde auch das Signal setzen, dass gesunde Ernährung günstiger ist. Gute Ernährung darf nicht am Geldbeutel scheitern.“
Allerdings gehen die Meinungen über den Vorstoß des Bundesministers auseinander. Im Polit-Talkmagazin „Hart aber fair“ befragte Moderator Louis Klamroth unter anderem SPD-Chef Lars Klingbeil. Er lehnt Özdemirs Vorschlag ab. Er habe bei Mehrwertsteuersenkungen eine grundsätzliche Skepsis, sagt Klingbeil: „Ich frage mich, warum Leute, die gut verdienen, diese Mehrwertsteuerabsenkung bekommen.“ Es komme zu einer „Verteilungsungerechtigkeit“. Somit dürfte es Özdemir schwer haben, die Koalitionspartner in der Berliner Ampelregierung von seinem Vorhaben zu überzeugen.
Özdemir-Vorschlag: Jens Spahn zeigt sich offen
Offener für den Vorstoß zeigt sich hingegen der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn. Es wäre sinnvoller, gezielt zu entlasten, räumt Spahn ein. Das allerdings sei „wahnsinnig komplex und dauert super lange“. Ein Wegfall der Mehrwertsteuer sei „zumindest eine schnellwirkende Maßnahme“.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer machte einen ganz anderen Vorschlag: „Wenn wir jetzt wirklich für gesunde Ernährung sind, dann muss man eigentlich bei den Kindergärten anfangen oder bei den Schulen, dass die Schulnahrung deutlich besser wird.“
Wie das ifo Institut in München kürzlich mitteilte, ist weiterhin mit kräftigen Preisanhebungen im Lebensmittel-Einzelhandel zu rechnen. Das ergab die Befragung im Dezember 2022. Auch Cem Özdemir hatte zuletzt gewarnt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger weiter auf ein hohes Preisniveau bei den Lebensmitteln einstellen müssten. Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) forderte bereits im Dezember 2022, dass die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gesenkt werden sollte. „Wir brauchen schnell wirkende Entlastungen“, schrieb die bayerische CSU-Staatsministerin auf der digitalen Plattform Facebook.
Bauernverband: Kritik an Özdemirs Steuerplan
Der Deutsche Bauernverband hatte sich bereits im vergangenen Jahr zu aufgekommenen Forderungen nach einer Mehrwertsteuerbefreiung positioniert. „Idealerweise sollten alle Lebensmittel mit dem reduzierten Steuersatz belegt werden“, hieß es damals. Gegenüber der Nachrichtenagentur KNA bestätigte Bauernpräsident Joachim Rukwied diese Haltung: Unterschiedliche Steuersätze, um entsprechende Konsumgewohnheiten zu kontrollieren, lehne der Bauernverband ab. Deutlich wird auch Udo Hemmerling, der stellvertretende DBV-Generalsekretär. Dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt teilt er mit: „Verschiedene Mehrwertsteuersätze für pflanzliche und tierische Lebensmittel tragen einen sozialen Spaltpilz in sich. Es wird weiterhin genug Käufer geben, die dennoch diese teureren Produkte einkaufen, während sich Menschen mit geringem Einkommen diese Lebensmittel kaum mehr leisten können.“
Die Aussagen von Cem Özdemir lösen auch Kritik aus. Einen Kommentar unseres Redakteurs Gerd Kreibich lesen Sie hier.