München Ab heute (30.11.) gilt in Bayern die neue Gebietskulisse für Rote und Gelbe Gebiete, ähnlich wie in vielen anderen Bundesländern. Allerdings hatten bis Mittwoch (30.11.) drei Länder ihre Kulisse noch nicht bekanntgegeben. So warteten Landwirte in Baden-Württemberg, Hessen und Saarland noch auf die Neuausweisungen.
Stefan Köhler, Umweltpräsident im Bayerischen Bauernverband (BBV), sieht jedoch auch in den nun geltenden bundesweiten Vorgaben aber auch in der bayerischen Umsetzung weiterhin zahlreiche Defizite.
So haben sich EU Kommission und Bundesregierung darauf verständigt, dass die Ausweisung der roten Gebiete ausschließlich an Grundwassermesswerten festzumachen ist. Hierfür reichen laut BBV die derzeit vorhandenen Messstellen in Bayern nach wie vor nicht aus. Ministerpräsident Markus Söder hat hier wiederholt einen schnellen Ausbau des Messnetzes in Bayern zugesagt.
Übergangs- und Härtefallregeln vorgesehen
Darüber hinaus fordert der BBV einen praxistauglichen Vollzug, Härtefallregelungen und einzelbetriebliche Ausnahmen sowie schnellstmögliche Transparenz und Information für die nun betroffenen Landwirte. Auch hierfür habe Söder Lösungen im Sinne der Betriebe angekündigt, so die Interessenvertretung.
Nach der neuen AV DüV beträgt der Anteil der Roten Gebiete in Bayern künftig 17,2% statt bisher 12%. Das entspricht einer Zunahme um rund 42%. Wie das Landwirtschaftsministerium mitteilte, sind aber für die neuen Gebiete Übergangsregelungen vorgesehen.
Zum Beispiel gelten für Flächen, die mit der Neuausweisung nicht mehr als nitratbelastet gelten, für das gesamte Düngejahr 2022/23 nicht mehr die Auflagen für Rote Gebiete. Für neu hinzugekommene Flächen gilt, dass in 2022/23 für Wintergetreide, Winterraps und Rübsen die N-Düngung nicht um 20% zu verringern ist. Schlagbezogen gilt die Grenze von 170 kg N/ha. Auch für Zweitfrüchten ist der Düngebedarf nicht um 20 % zu kürzen.
Weitere Details zu den Übergangs- und Härtefallregelungen finden Sie dazu in der nächsten Ausgabe des Wochenblatts.
Das Landesamt für Umwelt hat die aktuelle Kulisse nitratbelasteten Gebiete und phosphatbelasteten Gebieten auf seine Homepage veröffentlicht.
Auch in Sachsen fast 42% mehr
Ähnlich wie in Bayern gab es auch in anderen Bundesländern einen Zuwachs an Roten Gebieten. Erst jüngst haben Sachsen und Rheinland-Pfalz ihre novellierten Düngerechtsverordnungen bekanntgegeben. In Sachsen sind nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums nun 185 000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche in Roten Gebieten eingestuft. Bislang waren es 130 600 ha. Das entspricht einer Ausweitung um 41,7 %.
Die Roten Gebiete umfassen im Einzelnen 157 842 ha Ackerland, 24 512 ha Grünland und 2 690 ha sonstige landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) wie Obst- und Dauerkulturen, Rebflächen oder Teich beziehungsweise Schilf. Im Gegensatz zu Bayern hat Sachsen keine Phosphatgebiete ausgewiesen. Hier bleibt es bei der landesweiten Anwendung der erweiterten Abstandsregelung an Gewässern.
Nachteil durch Wegfall der Modellierung
Das Ministerium wies darauf hin, dass sich bei der Neuausweisung zwar gegenüber der vorherigen Ausweisung die Fläche der mit Nitrat belasteten Teile von Grundwasserkörpern um etwa 14 % verkleinert habe. Die Ursache hierfür seien vor allem eine deutlich höhere Messstellendichte und die Verwendung aktuellerer Grundwassermesswerte. Die Verkleinerung der Immissionskulisse sei jedoch überkompensiert durch die methodischen Änderungen in der novellierten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Gebietsausweisung (AVV GeA) des Bundes.
Denn neben dem Wegfall der Emissionsmodellierung, die bei der Ausweisung 2020 noch die Nitratgebiete um jene Flächen reduziert habe, bei denen eine nur geringe Nitrataustragungsgefährdung vorliege, seien bei der neuen Gebietsausweisung alle Feldblöcke einbezogen worden, die mit mindestens 20 % statt bisher 50 % Anteil in der Immissionskulisse lägen, erläuterte das Agraressort. Zudem seien auch Trinkwasserschutzgebiete mit mindestens einer belasteten Messstelle vollständig ausgewiesen worden. Die novellierte Düngerechtsverordnung tritt am 30.11. in Kraft.
Rheinland-Pfalz: 28% Rote Gebiete
In Rheinland-Pfalz sind gemäß der novellierten Düngeverordnung jetzt 28 % der LF als mit Nitrat belastete Rote Gebiete ausgewiesen. Das ist ein Anstieg um 40%, ähnlich wie in Bayern. Wie das Mainzer Landwirtschaftsministerium mitteilt, sind erstmals auch zahlreiche Grünlandflächen betroffen. Bei der vorherigen Ausweisung seien es etwa 20 % der LF gewesen, wie auch beim Phosphat. Als mit Phosphat eutrophiert würden ab 2023 jedoch nur noch rund 15 % der Flächen ausgewiesen.
Staatssekretär Andy Becht betonte, dass er über die Entscheidung der EU-Kommission „unglücklich“ sei, da die zuvor auch in Rheinland-Pfalz angewandte und mit Hilfe des Thünen-Instituts (TI) erstellte Modellierung das Verursacherprinzip stärker berücksichtigt habe und die Gebietsausweisung gerechter und besser nachvollziehbar gewesen sei. Nach der neuen Maßgabe der EU gelte jetzt allein das Vorsorgeprinzip. Becht forderte erneut eine schnelle Abstimmung zwischen dem Bundeslandwirtschaftsministerium und den Ländern über eine Maßnahmendifferenzierung.
Rote Gebiete: Ein Drittel in Nordrhein-Westfalen
Sehr heftig hat es Landwirte in Nordrhein-Westfalen erwischt. Der Anteil der Roten Gebiete hat sich verdreifacht. So steigt der Umfang der als nitratbelastet eingestuften landwirtschaftlichen Flächen von rund 165 000 ha auf mehr als 500 000 ha. Das entspricht rund einem Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) in dem Bundesland.
„Die Erweiterung der Roten Gebiete trifft die Bäuerinnen und Bauern hart“, räumte Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen ein. Sie versprach Landwirte nicht allein zu lassen. „Wir brauchen eine leistungsfähige und wettbewerbsstarke Landwirtschaft, gerade im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherung müssen Hand in Hand gehen“, betonte die CDU-Politikerin.
Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) kann die Verdreifachung der vermeintlich belasteten Fläche innerhalb eines Jahres „nicht nachvollziehen“. „Das Verfahren ist nicht verursachergerecht und berücksichtigt in keiner Weise die Bestrebungen vieler Betriebe, die seit langem schon eine besonders gewässerschonende Wirtschaftsweise sicherstellen“, beklagte Verbandspräsident Hubertus Beringmeier.
Kritik übte Beringmeier an der Fokussierung auf die Messstellen, da deren Anzahl keine einzelbetriebliche Differenzierung hinsichtlich der Nitratsituation im Grundwasser leisten könne. Dem WLV zufolge sind etwa 7 000 landwirtschaftliche Betriebe in Westfalen-Lippe von den neuen Messergebnissen akut betroffen.
Aus Sicht des Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV), ist das Messtellensystem allenfalls geeignet, sich einen Überblick zur Beschaffenheit der Qualität des Grundwassers zu verschaffen. Keinesfalls tauge ein auf Messstellen bezogenes grobes Raster dazu, kleinräumig einzelbetriebliche Auflagen festzulegen.
Mecklenburg-Vorpommern: Fast die Hälfte ist rot
Noch deutlich höher als in Nordrhein-Westfalen ist der Anteil Roter Gebiete in Mecklenburg-Vorpommern. Nahezu 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zählen künftig in Mecklenburg-Vorpommern zu den Roten Gebieten. Im Vergleich zu den bisher ausgewiesenen Flächen von ca. 13 Prozent ist dies eine Steigerung um 350%.
In Brandenburg, dem Nachbarland von Mecklenburg-Vorpommern, wird die novellierte Düngerechtsverordnung laut dortigem Agrarministerium am morgigen 1. Dezember in Kraft treten. Die neu ausgewiesene Gebietskulisse umfasst 72 861 ha. Das entspricht 5,6 % der insgesamt landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF). Das entspricht mehr als einer Verdreifachung.
Bei der Ausweisung 2020 hatte sich die Gebietskulisse auf 23 026 ha und damit 1,8 % der LF belaufen. Nach der neuen Kulisse sind nach Ministeriumsangaben 639 landwirtschaftliche Betriebe betroffen, davon 523 mit ausschließlich Ackerland.
Während sich die Roten Gebiete mit der Neuausweisung zum November 2022 in Bayern um 42% erhöhten, steigt der Anteil in Schleswig-Holstein um fast 76%, und zwar von 5,4% auf 9,5%. Der Bauernverband Schleswig-Holstein sieht die Gründe für die beinahe Verdopplung vor allem in der Berücksichtigung des Denitrifikationspotenzials und die Einbeziehung der gesamten amtlich-topographischen landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Weniger Rote Gebiete in Niedersachsen
Etwas glimpflicher sind niedersächsische Landwirte bei der Neuausweisung davongekommen. Mit 21 % der landwirtschaftlichen Fläche hat das Land etwas weniger Rote Gebiete als 2021 ausgewiesen. Damals waren es in Niedersachsen 24,5 %. Die Landesregierung hatte von ihr schon vor Jahren eingeführte Meldepflichten über die Düngung von Äckern, Wiesen und Weiden auch damit begründet, die Anforderungen zum Grundwasserschutz in der Landwirtschaft nach dem Verursacherprinzip auszugestalten.
Landvolk-Präsident Holger Hennies sieht aber einen Widerspruch. Jetzt würden erhebliche Teile des Grünlands und wenig nitratauswaschungsgefährdete Lehm- und Lössböden in die neue Kulisse der nitratbelasteten Roten Gebiete einbezogen und auch dort die Düngung eingeschränkt, kritisiert er.