Dass die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Nicht-Einhaltung der EU-Nitratrichtlinie Anfang Juni eingestellt hat, finden viele Länderagrarministerinnen und -minister positiv, auch Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU). Doch sie und ihre Kollegen erwarten vom Bund nun weitere Schritte. Er muss jetzt sein Versprechen aus dem Juli vergangenen Jahres einlösen, schnell das Verursacherprinzip zu etablieren. Damit sollen Bauern von den Auflagen in Roten Gebieten ausgenommen werden, wenn sie nachweislich gewässerschonenden wirtschaften.
Dass der Bund Ende Mai nun auch das Düngegesetz endlich auf den Weg gebracht hat, ist nach Meinung von Kaniber nicht zuletzt dem Einsatz des Freistaats zu verdanken. „Wir haben seit über einem Jahr mehr Verursachergerechtigkeit eingefordert und immer wieder angeschoben. Zuletzt am 31. März im Bundesrat“. Nun komme „endlich auch der Bundeslandwirtschaftsminister zumindest etwas in Bewegung“. Mit dem Düngegesetz will der Bund die Ermächtigungsgrundlagen schaffen, allerdings noch keine Regelungen zu mehr Verursachergerechtigkeit. Deshalb teilt Kaniber Özdemirs Optimismus nicht, lässt sie wissen.
Kaniber wirft Özdemir Märchen vor
Die CSU-Ministerin verlangt Klarheit, wann die Monitoring-Verordnung für konkrete Erleichterungen bei den Betrieben sorgen wird, die grundwasserschonend wirtschaften. Der Entwurf einer Verordnung sei erst für das Jahr 2024 angekündigt. Zuvor müssen laut Bund und auch EU mehrjährig und umfassend Daten gesammelt werden, bevor es zu Erleichterungen kommen kann.
Für ein „Märchen aus Tausend aus einer Nacht“ hält Kaniber indes Özdemirs der Aufwand für Betriebe werde sich verringern. „Die Stoffstrombilanz nur um der Stoffstrombilanz Willen, ohne Möglichkeit verursachergerechter Befreiungen deutlich verschärft fortzuschreiben und gleichzeitig eine neue Monitoring-Verordnung mit umfangreichen Datenerhebungen auf den Weg zu bringen, spricht genau für das Gegenteil“, warnt Bayerns Agrarministerin.
Gespräche mit Brüssel jetzt aufnehmen
Unterstützt in ihrer Forderung nach dem Verursacherprinzip wird die bayerische Ministerin vor allem von ihren Unionkollegen und sogar von einer grünen Ministerin. So sieht CDU-Agrarminister Werner Schwarz in Schleswig-Holstein noch deutlichen Handlungsbedarfsbedarf auf Bundesebene. Wesentliche Grundpfeiler sind aus Sicht von Schwarz das Etablieren einer Stoffstrombilanzierung und das Einführen eines Wirkungsmonitorings.
Niedersachsens Agrarmininisterin Miriam Staudte (Grüne) wertet die Entscheidung Brüssel als „gute Grundlage, um in der nächsten Zeit den Gesprächsfaden zu verursachergerechteren Ansätzen bei der Düngung aufzunehmen.“
Aus Sicht des Deutschen Bauernverbands (DBV) war das Ende des Vertragsverletzungsverfahrens war längst überfällig. Nun sei es möglich, wieder zu geordneten rechtsstaatlichen Verfahren im Düngerecht zurückzukehren, weil die EU-Kommission nicht mehr auf Zuruf Änderungen in der Düngeverordnung durchdrücken könne.
DBV fordert Derogationsregelung
Auch DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken legt den Finger in die Wunde. Er hält es für dringend erforderlich, einzelbetriebliche und verursachergerechte Klauseln für gewässerschonend wirtschaftende Landwirte statt Pauschalauflagen in roten Gebieten einzuführen. Auch sollte der Bund die Derogationsregelung für Wirtschaftsdünger und Gärrest wie bereits in der Düngeverordnung vorgesehen ermöglichen und hierfür den Antrag bei der EU-Kommission stellen. Eine Derogationsregelung erlaubt in bestimmten Regionen wie dem Allgäu die vorgegebene Obergrenze von 170 kg Gesamtstickstoff je ha und Jahr zu überschreiten. So können intensive Grünlandbetriebe ihren Wirtschaftsdünger besser verwerten und müssen keinen teuren Mineraldünger zukaufen.
„Die Ampelkoalition muss jetzt den aktuellen Regierungsentwurf des Düngegesetzes kritisch prüfen und anpassen, vor allem bei der flächendeckenden Einführung der Stoffstrombilanz sowie einzelbetrieblichen Ausnahmen für Landwirte in roten Gebieten,“ so Krüsken.