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Tierwohl und Regionalität

Putenmast: Özdemir schaufelt Mästern das Grab

Özdemir-Schaufel-Wald
Josef koch
Josef Koch
am Mittwoch, 08.03.2023 - 07:00

Laut Landwirtschaftskammer Niedersachsen droht Putenmästern massive Verluste, wenn der Bundesagrarminister deutlich niedrigere Besatzdichten durchsetzt.

Berlin Sabine Asum, Putenmästerin aus Dasing im Landkreis Aichach-Friedberg, ist sich sicher. Die Pläne des grünen Bundesagrarministers Cem Özdemir sind ein „kalter Krieg gegen Tierhalter“. Das sagte sie kürzlich in einem Interview mit dem Wochenblatt.

Berechnungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen belegen die Aussage der bayerischen Mästerin eindrucksvoll. Özdemirs Zukunftspläne bedeuten das Aus für viele Putenmäster. Die Berechnungen können Sie am Ende kostenlos herunterladen.

Das Eckpunktepapier des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) sieht nochmals drastisch reduzierte Besatzdichten von 35 beziehungsweise 40 Kilogramm Lebendgewicht pro Quadratmeter verfügbarer Fläche vor. Und das im nationalen Alleingang. „Damit setzt die Politik aufs Spiel, was unsere Produzenten für Tierwohl und Nachhaltigkeit erreicht haben“, warnt Bettina Gräfin von Spee, Vorsitzende des Verband Deutscher Putenerzeuger (VDP). Aus ihrer Sicht gefährdet Özdemir die Versorgung der Bevölkerung mit einem hochwertigen Lebensmittel aus verantwortungsvoller heimischer Produktion.

Mästern drohen massive Mehrkosten

Der ZDG warnt: Die zusätzlichen Auflagen würden heimisches Tierwohl-Fleisch nicht nur endgültig zum Luxusgut machen, sondern das Aus für die heimische Putenhaltung bedeuten: Laut Landwirtschaftskammer drohen einem durchschnittlich großen Betrieb infolge der direkten und indirekten Mehrkosten durch die BMEL-Pläne über 61.000 Euro Verlust pro Mastdurchgang bei Hähnen und fast 35.000 Euro Verlust bei Hennen.

Schon heute bleibt den Produzenten pro Mastdurchgang nicht viel Ertrag: Bei Hähnen sind es durchschnittlich rund 4500 Euro, bei Hennen gar nur 560 Euro. „Ein solches Verlustgeschäft hält kein Betrieb lange durch – und von Investitionen in noch mehr Tierwohl kann dann erst recht keine Rede mehr sein“, sagt VDP-Vorsitzende von Spee. „Stattdessen landet auf deutschen Tellern noch mehr Putenfleisch ausländischer Billigimporteure, die häufig unter schlechteren Haltungsbedingungen produzieren.“ Bereits seit 2012 nehmen die Putenfleischeinfuhren deutlich zu, Deutschlands schärfste Wettbewerber sind derzeit Polen, Italien und Spanien. In Polen gilt eine einheitliche Besatzdichte von 57 Kilogramm, in Italien und Spanien gibt es keine spezifischen Regelungen.

80% für EU-weit gleiche Standards

Dass die Regierung Politik gegen den Willen der Verbraucher betreibt, zeigt auch eine repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag des VDP. Darin sprechen sich acht von zehn Befragten dafür aus, dass die Bundesregierung sich in der Putenmast für gleiche Tierwohl-Standards innerhalb der EU einsetzt. Fast ebenso viele Befragte (76 Prozent) erwarten von der Politik, dass sie heimische Bevölkerung vor Fleischimporten unklarer Haltungsstandards schützt. Beim Kauf von Putenfleisch ist rund 44 Prozent der Befragten die regionale Herkunft des Fleisches wichtig. Ein Drittel der Befragten kauft indes gar kein Putenfleisch.

Putenfleisch müsste sich um 22% verteuern

Um die Verluste für die einheimischen Tierhalter zu vermeiden, müsste deutsches Putenfleisch deutlich teurer werden. Der Preis für die Putenbrust steigt nach den Kammerberechnungen bei Umsetzung der Pläne um bis zu 2,40 Euro pro Kilo oder rund 22%. Dabei gehört Putenfleisch, beispielsweise Schnitzel, laut Marktforschungsinstitut GfK mit einem Monatsdurchschnittspreis von fast 11 Euro pro Kilo (Stand Dez. 22) seit längerem zu den hochpreisigen Fleischgerichten. Das liegt laut Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) vor allem daran, dass heimische Betriebe mit den „Bundeseinheitlichen Eckwerten“ sowie den Anforderungen der Initiative Tierwohl (ITW) freiwillig zu Tierwohl-Standards produzieren, die zu den „höchsten weltweit“ zählen und entsprechend hohe Erzeugungskosten verursachen. Ob die Verbraucher noch weitere Preissteigerungen akzeptieren, ist fraglich. In Österreich haben höhere Standards von 40 kg/m² als derzeit in Deutschland zu einem Einbruch der heimischen Selbstversorgung auf rund 30 % geführt. Putenfleisch aus Österreich ist in der Fleischtheke um 60% teurer als Importware.

Der VDP fordert daher Özdemir auf, auf diese Verbraucherwünschen Rücksicht zu nehmen und sich für EU-weite Standards in der Putenhaltung einzusetzen. Dabei soll sich der Bundesminister an den deutschen Besatzdichten orientieren. VDP-Vorsitzende von Spee meint: „Die Tierwohl-Verantwortung deutscher Politik endet nicht an unseren Landesgrenzen!“

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