"Anstatt seit Wochen öffentlich über fehlende Anerkennung zu jammern, sollten sich die Bauern lieber an der Umsetzung des Volksbegehrens Artenvielfalt - Rettet die Bienen beteiligen", sagte der Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz, Norbert Schäffer, anlässlich der großen Traktorensternfahrt von Bauern nach Berlin. Als Begründung führt er an: "Die Mehrheit der Bayern will mehr Artenschutz und das gilt es von allen Beteiligten zu berücksichtigen". Wer will, kann es in der Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 25. November 2019 in deren Onlineauftritt nachlesen.
Das ist Rhetorik aus der Kategorie Vorschlaghammer. Natürlich wären alle glücklich, wenn wieder mehr Insekten durchs Bayernland fliegen und kriechen würden. Auch die Bauern. Aber das lässt sich nicht so einfach per Gesetz beschließen. Gesetze liefern nur Antworten auf juristische Fragen. Etwa: Kann jemand, der seine Flächen so bewirtschaftet, dass sie artenreich sind, einen Biotopstatus aufgebrummt bekommen? Ja, das geht jetzt. Dafür haben 1,7 Millionen Menschen in Bayern gestimmt, bei einer Bevölkerungszahl von rund 13 Millionen und 9,5 Millionen Stimmberechtigten. Die Anteile kann damit jeder selbst berechnen. Eine Mehrheit kommt da jedenfalls nicht zustande.
Soviel Zeit, um zwischen öffentlichen Wunsch, Wirklichkeit und letztendlich Beschlossenen zu unterscheiden, sollte jeder aufbringen. Das fordern die anstehenden Aufgaben. Sie sind so groß, dass sie nur gesamtgesellschaftlich zu meistern sind. Schuldzuweisungen oder einseitige Lastenzuteilungen an einzelne Gruppen bringen uns hier nicht weiter. Wir sollten also alle erkennen, dass wir Teil der Krankheit, aber auch alle Teil der Heilung sind - der eine mehr, der andere weniger.
Ermutigende Worte vom designierten Präsidenten des Verfassungsgerichts
Und was ist von der Forderung zu halten, die Proteste einzustellen? Am 9. März erschien in der bereits erwähnten Zeitung ein Interview mit dem designierten Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth. Darin sprach er sich für einen politischen Diskurs aus, der vom Respekt getragen ist, in dem man aber in der Sache hart miteinander streitet: "Demokratie lebt davon, dass unterschiedliche Positionen sichtbar werden."
In welche Richtung geht die Forderung von Schäffer? Gesteht er den Bauern zu, ihre eigene Position sichtbar zu machen? Nein! Laut Meldung vom 25.11. sattelt er sogar noch eins drauf: "Die Bauern dürfen nicht länger versuchen mit Aktionen wie dem Aufstellen vom grünen Kreuzen, Sternfahrten oder dem Anzweifeln des Erfolgs der Initiative Rettet die Bienen das erfolgreichste Volksbegehren Bayerns auszuhebeln." Da wird es nun heftig. Der Verhaltenskodex "kein Widerspruch erwünscht" findet sich an sich in der Werkzeugkiste von autokratischen Herrschaftssystemen. In der Demokratie üben Mehrheitsparteien oder mehrheitsfähige Koalitionen die Regierung aus. Sie können aber nicht der Opposition einen Maulkorb verpassen. Im Gegenteil: Der Disput ist eine wichtige Triebfeder, um die Dinge voranzutreiben. Das Plädoyer des Verfassungsrichters dazu lautet: "Die Demokratie braucht Streit."
Streit kann durchaus fruchtbar sein. Landwirte sind Experten in ihrem Gebiet und können mit ihrem Wissen zur Sinnhaftigkeit von Entscheidungen beitragen. Wer außer ihnen soll beispielsweise besser einschätzen können, ob ein Verbot der Düngung zu Zwischenfrüchten Sinn macht. Sie wissen, dass die Kulturen ohne Düngung schlechter wachsen. Ein effektiver Erosionsschutz im Winter ist dadurch nicht mehr gewährleistet. Der ausgebrachte Stickstoff ist kein Problem, da er in der Pflanzenmasse fixiert und damit nicht ins Grundwasser ausgewaschen wird. Was spricht dagegen, dieses wichtige Wissen in Entscheidungen einfließen zu lassen?
Druck von mehreren Seiten
Mit der Forderung, die Bauern sollen doch endlich das Demonstrieren aufhören, steht Schäffer aber nicht allein. In der aktuellen Diskussion um die Düngeverordnung kommen derartige Forderungen von verschiedenen Seiten, unter anderem von Politikern der Grünen.
Sorry, aber staatlich verbürgte Rechte stehen nach dem Gleichheitsgrundsatz allen zu. Und dass Menschen davon Gebrauch machen, auch wenn es vielleicht nicht in das eigene Konzept passt, das sollte man ohne großes Lamento akzeptieren können. Alles andere wäre ein schlechter demokratischer Stil.
Die Demokratie findet dort ein jähes Ende, wo die Ausgrenzung beginnt
Harbarth wird in dem Interview noch deutlicher: "Wir müssen den Menschen immer wieder erklären, warum auch die demokratische Mehrheit nicht nach belieben walten und schalten kann. Demokratie und Freiheit können ohne Recht keinen Bestand haben." Ganz so einfach scheint das mit "Volkes Stimme" damit auch nicht zu sein. Wo es Mehrheiten gibt, gibt es schließlich auch Minderheiten und ihr Schutz sollte ein Rechtsstaat gewährleisten können.
Und der Verfassungsrichter geht noch einen Schritt weiter: "Wenn Freiheitsräume auch gegen den demokratischen Gesetzgeber nicht verteidigt werden, dann hat man eine schrankenlose Herrschaft der Mehrheit." Da schimmert dann durch, dass selbst nicht alles, was in Gesetzestexte gegossen wird, dem Geiste der Verfassung entspricht. Beispiele dafür gibt es immer wieder. Ein Grund kann der Gleichheitsgrundsatz sein.
Und wie sieht es mit dem Respekt aus? Das ist ein Thema, das die Bauern ganz gewaltig umtreibt. Sie wollen auf Augenhöhe mitreden. Leitmotiv von Land schafft Verbindung ist: "Miteinander reden, statt übereinander". Ein Dialog mit den Bauern wird aber nur wenig gepflegt, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Immerhin haben sich Ministerpräsident Söder, Vizechef Aiwanger und Landwirtschaftsministerin Kaniber wiederholt der Diskussion mit Landwirten auf den LsV-Veranstaltungen gestellt.
Und dann gibt es noch das leidige Bild, das Medien und Interessenverbände von der Landwirtschaft zeichnen. Das ist mitunter katastrophal. Begriffe wie Frevler, Tierquäler oder Brunnenvergifter sind an der Tagesordnung. Es wird nur noch pauschaliert und nicht mehr differenziert. Damit werden die Landwirte ausgegrenzt. Auch das ist kein guter demokratischer Stil. Anfeindung, egal ob es nun die Bauern oder andere Gesellschaftsgruppen trifft, zerrütten den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt und gehen damit auf Kosten der politischen Stabilität.
Inwieweit nun Gruppierungen am Rande des Parteienspektrums daraus Kapital schlagen könnten, wird gegenwärtig heiß diskutiert. Ob zurecht, ist eine andere Frage. Land schafft Verbindung hat hierzu Entwarnung gegeben. Es würde sich aber auf jeden Fall die Frage lohnen, unter welchen Umständen dieses "Fischen im Trüben" Aussicht auf Erfolg hat. Historisch gesehen waren vor allem Bevölkerungsgruppen anfällig, die das Gefühlt hatten, nicht ausreichend gehört zu werden. Deshalb sind der Dialog so wichtig und autokratische Verhaltensmuster so gefährlich.
Fassung vom 11.03.2020