Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Artenschutz

Pflanzenschutzverbot: Deutschland will keine Verzögerung

Josef Koch
Josef Koch
am Dienstag, 27.09.2022 - 13:44

Beim Pflanzenschutzverbot nimmt Agrarminister Cem Özdemir eine Außenseiterrolle ein. Gleichzeitig drängelt er bei der Herkunftskennzeichnung.

Pflanzenschutz-Getreide

Die Vorschläge der EU-Kommission, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln über eine neue Verordnung bis 2030 zu halbieren und den Einsatz in „sensiblen Gebieten“ komplett zu untersagen, stoßen bei den allermeisten Landwirtschaftsministern in der Gemeinschaft auf scharfen Gegenwind.

Dies wurde beim gestrigen EU-Agrarrat (26.9.) in Brüssel deutlich. Hier hatte Polen die EU-Behörde aufgefordert, eine erneute Folgenabschätzung über die Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit - auch im Lichte des Krieges in der Ukraine - vorzulegen.

 

EU soll Entwurf stoppen

Die Warschauer Delegation forderte, den Gesetzgebungsprozess auszusetzen, und zwar so lange, bis auf der Grundlage verbesserter Daten Klarheit über die Auswirkungen herrsche. Außerdem wurde kritisiert, dass der Entwurf selbst an sehr vielen Stellen unklar sei. Als Beispiel nannte der Vertreter Polens die seiner Ansicht nur vage Definition des Begriffs „sensible Gebiete“ und das dort von der Kommission vorgeschlagene Totalverbot.

Die überwiegende Mehrheit der Agrarminister teilte die polnischen Forderungen. Lediglich Deutschland, Dänemark und die Niederlande sind dafür, dass die Kommission den Gesetzgebungsprozess weiter durchzieht. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir begrüßte die verbindlichen Verringerungsziele. So soll Deutschland bekanntlich den Einsatz übedurchschnittlich um 55 % verringern. 

Korrekturbedarf erkannt

Özdemir-Agrarrat

Verbesserungsbedarf sieht der Grünen-Politiker allerdings bei den Gebietseinschränkungen; hier bedürfe es weiterer Klarstellungen. Zudem forderte der Berliner Ressortchef weitere Konkretisierungen zu der Frage, inwieweit die Landwirte Unterstützung für mögliche Produktionseinschränkungen erhalten könnten.

Eine Folgenabschätzung lehne Deutschland allerdings ab, da diese den Gesetzgebungsprozess unnötig verzögern würde, erklärte Özdemir. Auch Niederlande und Dänemark schlossen sich Deutschlands Haltung an.

Allerdings sieht Özdemir noch Nachbesserungsbedarf bei den EU-Plänen, zum Beispiel beim Anerkennen von bisherigen Anstrengungen zum verminderten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, „Deutsche Bauern sollten hier nicht benachteiligt“, so Özdemir. Bei sensiblen Gebieten sollten seiner Ansicht nach EU-rechtlich gesicherte Schutzgebiete im Fokus stehen und spezielle nationale Schutzgebietskategorien wie Landschaftsschutzgebiete ausgeklammert werden.

Druck bei Herkunftskennzeichnung

Özdemir nutzte zudem das Treffen, um Druck bei der Herkunftskennzeichnung zu machen. Im Gespräch mit der zuständigen EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides mahnte er, den angekündigten Entwurf zur Erweiterung der Herkunftskennzeichnung „zeitnah“ vorzulegen. Der grüne Minister hatte immer wieder betont, zunächst auf eine europäische Regelung warten zu wollen, bevor eine nationale Herkunftskennzeichnung anpackt.


 

Exportkorridore helfen

Die große Unterstützung der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten beim Export ukrainischer Agrarerzeugnisse hat der Kiewer Landwirtschaftsminister Mykola Solskyi unterstrichen. Im August habe die Ukraine insgesamt rund 4,5 Mio. t Getreide und Sonnenblumensamen exportiert, und davon seien allein rund 3 Mio.t über die Solidaritätskorridore ausgeführt worden. Der Minister erinnerte daran, dass sein Land kurz nach Kriegsausbruch lediglich rund 100.000 t monatlich ausgeführt habe.

Die Ukraine werde auf längere Sicht auf die EU-Solidaritätskorridore angewiesen bleiben, so Solskyi. Zwar habe das Istanbuler Abkommen die Ausfuhren zuletzt sehr erleichtert, und die Schiffstransporte über das Schwarze Meer seien um einiges billiger als der Landweg. Auf Russland dürfte aber selbst im Fall eines Friedensschlusses in den kommenden Jahren kein Verlass sein.

Weitere Hilfen gefordert

Um Getreidetransporte über die Solidaritätsrouten weiter zu stärken, bat der ukrainische Agrarressortchef die EU um Hilfen bei der Finanzierung der Lastwagenflotte. Darüber hinaus könnte nach Solskyis Ansicht der Ausbau von fünf Abfertigungsterminals an den Grenzübergängen zu den EU-Staaten die Abfertigung deutlich erleichtern. Auch hier fragte der Ressortchef nach Finanzspritzen, da jedes Terminal zwischen 25 Mio. € und 30 Mio. € kosten soll.

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski stellte in diesem Zusammenhang klar, dass im EU-Agrarhaushalt keinen finanziellen Spielraum mehr gebe. Allerdings zeigte sich der Pole zuversichtlich, dass die EU-Gelder aus anderen Quellen auftun könne.

Mit Material von AgE
Jetzt die digitale Wochenblatt-Ausgabe für nur 1€ testen!
Digitale Ausgabe!
agrarheute_magazin_composing