
Die Absenkung der Vorsteuerpauschale von 10,7% auf 9,5 % ab Januar 2022 sorgte gestern (15.11.) in einer öffentlichen Anhörung des Hauptausschusses im Bundestag bei den Sachverständigen überwiegend für Kritik und Unverständnis. Durch den Gesetzesentwurf der Bundesregierung entstehen pauschalierenden Landwirte im kommenden Jahr zu Mehrbelastungen von 80 Mio. €. Bis 2025 soll sich die steuerliche Mehrbelastung auf 365 Mio. € summieren. Der Bundesrat hatte dem Entwurf bereits Anfang November zugestimmt.
„Uns fehlen nächstes Jahr 4.500 Euro“, erklärte Landwirtin Lucia Heigl (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft) in der Anhörung. Für die hauptsächlich betroffenen kleineren landwirtschaftlichen Betriebe müsse unbedingt etwas getan werden.
Bauernverband kritisiert Berechnungsverfahren
Der Deutsche Bauernverband (DBV) erklärte, der künftige Durchschnittssatz für die Umsatzsteuerpauschalierung von 9,5 Prozent werde dem Anspruch an das Berechnungsverfahren nicht gerecht. Hintergrund ist nach Angaben des Verbandes, dass die Pauschalierung ab 2022 nur noch angewendet werden darf, wenn der Umsatz des Unternehmens im vorangegangenen Kalenderjahr weniger als 600.000 Euro betragen habe. Die Berechnung der Pauschale beziehe jedoch noch Zeiten mit ein, in denen über 10.000 Betriebe mehr die Pauschalierung wegen höherer Grenzen hätten anwenden können.
Aus Sicht des Bauernverbandes verstößt die Neuregelung gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung. Außerdem kritisierte der DBV, dass eine Umstellung des Pauschalierungssatzes mitten im laufenden Wirtschaftsjahr erhebliche buchführungsrechtliche Probleme und Komplikationen nach sich ziehen werde. Er schlug daher vor, die Neuregelung später in Kraft zu setzen.
Steuerberater für spätere Frist
Wegen des abweichenden Kalenderjahres in der Landwirtschaft plädierte der Deutsche Steuerberaterverband ebenfalls für einen späteren Zeitpunkt. Der Stichtag sei praxisfern gewählt, da Land- und Forstwirte steuerlich in der Regel ein abweichendes Wirtschaftsjahr beispielsweise vom 1. Juli bis 30. Juni führen würden. Auch kritisierte er das Tempo, in dem das Vorhaben durchgezogen werde. Die Vorlaufzeit, um sich auf den geänderten Steuersatz einzustellen, sei zu knapp.
Zustimmung fand der Gesetzentwurf bei der Deutschen Steuergewerkschaft, die die beabsichtigte Änderung des Satzes für die Umsatzsteuer und des für die Vorsteuer geltenden Prozentsatzes wie auch das beabsichtigte Monitoring für die Zukunft begrüßte. Auch der Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen begrüßte die Initiative der Bundesregierung, die Umsatzsteuerpauschalierung in der Landwirtschaft angesichts von Bedenken der EU auf eine rechtssichere Basis zu stellen. Allerdings bezeichnete die Organisation das Berechnungsverfahren des Pauschalierungssatzes als intransparent und nicht nachvollziehbar. Man sei froh, dass dieses Verfahren jetzt diskutiert werde.
In dem Gesetzentwurf wird die Änderung unter anderem damit begründet, dass ein zu hoher Durchschnittssteuersatz nach dem EU-Recht nicht zulässig sei. Ein zu hoher Satz führe zudem zu Steuerausfällen.