Deutschland wird sich bei den Verhandlungen zur Überarbeitung der europäischen Industrieemissionsrichtlinie für eine deutliche Anhebung des Schwellenwerts für die Anzahl von Großvieheinheiten (GVE) in der Rinderhaltung einsetzen. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir beim jüngsten Agrarrat in Brüssel deutlich gemacht.
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen Betriebe ab 300 GVE in den Anwendungsbereich der novellierten Richtlinie fallen; der Vorschlag der Kommission sieht dagegen die Grenze schon bei 150 GVE vor. „Das ist ein realistischer Vorschlag“, so Özdemir zur Position der Bundesregierung. Gebraucht würden realistische Zahlen, die sich an den nationalen Gegebenheiten orientierten. 300 GVE sei passend für Deutschland, weil dann die kleinbäuerliche Landwirtschaft „auf jeden Fall“ außen vor bleibe.
Grundsätzlich für Ausweitung der Richtlinie
Grundsätzlich steht der Grünen-Politiker hinter der Ausweitung der Richtlinie. Auch die Aufnahme der Rinderhaltung sei angesichts ihres Beitrages bei den Methan- und Ammoniakemissionen „sachgerecht“. Dem berechtigten Anliegen dürfe aber durch Schwellenwerte, die nicht auf Akzeptanz stießen, kein Schaden zugefügt werden.
Berücksichtigt werden muss laut Özdemir auch das Verhältnis von Kosten und Nutzen. Änderungen an der Richtlinie dürften die in der Tierhaltung dringend erforderlichen Investitionen für einen besseren Umwelt- und Tierschutz nicht erheblich erschweren. Auch strukturelle Fragen hinsichtlich des Mehraufwandes für mittelständische Betriebe und mögliche Folgen für den ländlichen Raum müssten berücksichtigt werden.
Breite Mehrheit für andere Schwellenwerte
Der Vorstoß, die Schwellenwerte des Kommissionsvorschlages zu überarbeiten, wird von einer breiten Mehrheit der Mitgliedstaaten befürwortet, darunter auch Frankreich und Spanien.
Die österreichische Delegation bezeichnete die von der Brüsseler Behörde angepeilten 150 GVE für die Rinderhaltung als „bei weitem zu gering“. Der kleinstrukturierten Landwirtschaft würde „massiv geschadet“. Derweil kündigten die Niederlande an, eine eigene Folgenabschätzung zur Novelle anzufertigen und diese in die künftige Position einfließen zu lassen.
Umweltkommissar unbeeindruckt
Weitgehend unbeeindruckt von den Einwänden der Ressortchef zeigte sich EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius. Von dem Schwellenwert von 150 GVE für Rinder seien weniger als ein Fünftel der tierhaltenden Betriebe in der Europäischen Union betroffen; zugleich seien diese für 43 % der Methanemissionen und 60 % des Ammoniakausstoßes aus der Veredlung verantwortlich. Die durchschnittlichen jährlichen Kosten blieben mit 2.400 Euro zudem ebenfalls im Rahmen. Der Kommissar erinnerte auch an den Klimaschutz. Nach derzeitigem Stand werde die EU die Halbierung der Methan- und Ammoniakemissionen bis 2030 nicht erreichen. 20 Mitgliedstaaten müssten ihre Anstrengungen zur Verringerung der betreffenden Emissionen steigern. Die Überarbeitung der Richtlinie gehe diese Probleme an der Quelle an und werde sicherstellen, dass auch die Tierhaltung ihren Beitrag leiste.