Haben es die Tierhalter übertrieben? Stehen zu viele Kühe, Schweine und Schafe auf deutschem Boden? In den Medien scheint es darüber kaum einen Zweifel zu geben. Aber dabei tauchen meist nur vorgefertigte Meinungsbilder auf, die einige große Meinungsfabriken den Sendeanstalten und Verlagen frei Haus liefern. Aber wie schlimm ist es nun wirklich?
Fossile Brennstoffindustrie ist Hauptemittent

Beim Thema Klimaschutz stehen vor allem die Methanemissionen durch die enterische Verdauung der Wiederkäuer im Brennpunkt. Dass Rinder beim Rülpsen Methan in die Atmosphäre ausstoßen, ist unbestritten. Dass dessen Anteil für den Methangehalt in der Luft aber deutlich überschätzt wurde, ist ebenso Fakt.
Die früher häufig geäußerte Behauptung, dass das menschengemachte Methan in der Atmosphäre nahezu vollständig aus der Tierhaltung kommt, ist längst revidiert. Das globale Methanbudget des jüngsten IPCC-Berichts geht von einer Drittelung aus. Als Quellen gelten die fossile Brennstoffindustrie, Biomasse und Tierhaltung zu jeweils etwa einem Drittel, wobei auf die fossile Brennstoffindustrie in der Tendenz der größte Anteil entfällt.
Methanausstoß geringer als vor über 100 Jahren

Wie die Entwicklung in Deutschland verlaufen ist, darüber gibt eine Untersuchung von Björn Kuhla und Gunther Viereck vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf Aufschluss. Sie haben die Daten der deutschlandweiten Viehzählungen der Jahre 1872, 1883 und 1892 ausgewertet. Zusammen mit weiteren Informationen konnten sie den Methanausstoßes mit Hilfe von standardisierten Schätzgleichungen berechnen. Dabei wurden auch die territorialen Veränderungen seit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 berücksichtigt.
„Dabei haben wir erstaunt festgestellt, dass die Methanemissionen aus der Verdauung von Nutztieren in Deutschland seit dem Jahre 2003 geringer sind als im Jahr 1892. Unsere Studie zeigt, dass die von der Bundesregierung angestrebten Klimaziele im Nutztierbereich in greifbarer Nähe sind“, beschreibt Kuhla ein Ergebnis.
Die jährlichen Methanemissionen aus der Viehhaltung betrugen
- 1883 an die 898 000 Tonnen,
- 1892 ganze 1 060 000 Tonnen,
- 2021 dann 930 000 Tonnen.
Einen Grund dafür sehen die beiden Forscher in der starken Abnahme der Tierzahlen bei Rindern, Schafen und Ziegen. Obwohl die Bevölkerung auf dem heutigen Gebiet Deutschlands mit damals ca. 34 Millionen Menschen in den letzten 130 Jahren auf 84 Millionen deutlich gewachsen ist, konnte ihre Versorgung dank der höheren Leistung der Tiere und einer hohen Effizienz in der Tierhaltung mit einer geringeren Anzahl an Tieren gewährleistet werden, was mit einem Rückgang der Methanemissionen einherging.
Landwirtschaft erfüllt die Klimaziele

Um den Ausstoß an Treibhausgasen zu senken, haben in Deutschland die fünf Bereiche Verkehr, Gebäude, Industrie, Energie und Landwirtschaft eigene Sektorziele, die einen jährlichen Überprüfung unterliegen. Das Unternehmen Agora Energiewende, das wissenschaftliche Analysen erstellt, hat Anfang Januar Bilanz gezogen.
Dabei hat sich gezeigt: Die Sorgenkinder sind der Verkehr und der Gebäudebereich, die ihre Ziele nicht erreichen konnten. Die Landwirtschaft hat die Vorgaben deutlich unterboten. Sie stieß im Jahr 2022 Treibhausgasemissionen in Höhe von knapp 60 Millionen Tonnen CO2-Äq aus. Damit wurde das Sektorziel von 67,8 Millionen Tonnen CO2-Äq deutlich unterschritten.
Allerdings ist hier zu beachten, dass erstmals eine veränderte Emissionsberechnung zur Anwendung kam, die zur Ausweisung verringerter Emissionen führte. Grund ist, dass die Methode zur Berechnung der direkten Lachgasemissionen aus landwirtschaftlich genutzten Böden durch das zuständige Thünen-Institut überarbeitet wurde.
Bodengesundheit und Biodiversität profitieren von Rindern
Alle Betrachtungen, die gegenwärtig aus Berlin kommen, sind rein auf den Abbau von Tierbeständen ausgerichtet. Sie lassen beispielsweise die hohe Bedeutung der Wiederkäuer für Boden und Biodiversität vollkommen unberücksichtigt. Wer den Biolandbau als Ziel ausgibt, sollte eigentlich wissen, wie hoch für die Ökolandwirtschaft die Bedeutung des Feldfutterbaus ist.
Kleegras und Luzerne versorgen die Folgekulturen mit Stickstoff, stabilisieren den Humushaushalt, verbessern die Bodenstruktur und das Wasserhaltevermögen. Außerdem haben bei einem überjährigen Anbau eine starke phytosanitäre Wirkung. Drängen also Schädlinge sowie Beikräuter und -gräser zurück und unterbrechen Infektionsketten durch Bakterien oder Pilzen.
Nur so lassen sich Getreide und Kartoffeln für die menschliche Ernährung nachhaltig erzeugen. Ein Feldfutter-Anteil von rund 20 Prozent in der Fruchtfolge ist im Biolandbau die untere Grenze. Addiert man die für die Biodieversität so wichtigen rund 30 Prozent Grünland an der landwirtschaftlich genutzten Fläche hinzu, landet man bei rund 50 Raufutterfläche. Das ist keine Verschwendung von Flächen sondern Teil einer nachhaltigen Bewirtschaftung. Die Veredlung des Grünfutters zu Lebensmitteln ist nur über den Wiederkäuermagen möglich. Das sollte in einer Agrarpolitik, die sich der nachhaltigen Landwirtschaft verschrieben hat, Berücksichtigung finden.