Bei einer Anhörung zur Zukunft des Öko-Landbaus im Agrarausschuss des Landtags haben mehrere Experten die Staatsregierung aufgefordert, ihre Bemühungen zu verstärken, um den Absatz von Biolebensmitteln aus heimischer Produktion zu steigern. Dies gelte insbesondere für das Verwenden von Biokost in staatlichen Kantinen sowie in der Mittagsverpflegung von Schulen und Kindertagesstätten. Neben anderen sprach sich die Geschäftsführerin des Landesfachausschusses Ökologischer Landbau im BBV, Daniela Gehler, für eine verpflichtende Bioquote in diesen Einrichtungen aus. Diese müsse Teil aller neu verhandelten Verträge werden.
Großer Hebel in Kantinen und Tagesstätten
Von nahezu allen Experten wurde die Gemeinschaftsverpflegung in Kantinen als wichtigster Hebel ausgemacht, um den Bioabsatz zu fördern. Der Vorsitzende der Landesvereinigung ökologischer Landbau in Bayern, Thomas Lang, sah bei einem bundesweiten Gesamtumsatz von 80 Mrd. € in der Außer-Haus-Verpflegung große Potenziale für Bio-Produkte. Der tatsächliche Bioanteil in den Gerichten von Gemeinschaftsküchen liege derzeit unter einem Prozent. Nach Einschätzung Gehlers würde es helfen, wenn das bayerische Biosiegel als wichtiger Qualitätsnachweis in Gemeinschaftsküchen besser bekannt gemacht würde. „Die Herkunft muss für die Verbraucher besser erkennbar gemacht werden“, sagte sie. Der Göttinger Professor Achim Spiller mahnte eine Qualitätsoffensive in der Schul- und Kita-Verpflegung sowie in Krankenhausküchen an. Dazu gehöre auch ein nennenswerter Bioanteil.
Praktikable Lösungen für Weidepflicht angemahnt
Um die Lage der Biobauern zu verbessern, appellierten die Experten an die Politik, für verlässliche und umsetzbare Rahmenbedingungen zu sorgen. Gehler sprach die Debatte um eine Weidepflicht an, die von einigen Ökolandwirten nicht oder zumindest nicht vollständig umgesetzt werden könne. Hier brauche es praktikable Lösungen, um die Bauern nicht in die Aufgabe zu drängen. Die Allgäuer Biobäuerin Monika Mayer warnte davor, die „Anspruchsspirale“ unendlich nach oben zu drehen. Sie bezog sich dabei unter anderem auf immer strengere Tierwohlvorgaben. „Das muss für die Landwirte bezahlbar bleiben“, meinte sie.
Um den Absatz von Bioprodukten anzukurbeln, regte Spiller eine breite Informationskampagne an. Vor allem jüngeren Menschen seien die besonderen Qualitätsmerkmale von Biolebensmitteln kaum bekannt. Die Geschäftsführerin der Biomolkerei Andechs, Barbara Scheitz, plädierte für eine weitere Verbreitung des bayerischen Biosiegels. „Hier braucht es mehr Sichtbarkeit, da muss der Handel mehr in die Pflicht genommen werden“, sagte sie. Nach Einschätzung Gehlers muss auch die Gastronomie für die Verwendung von Bioprodukten mehr in den Blick genommen werden. Hier müsse Überzeugungsarbeit bei der Wirten geleistet werden. Zudem sprach sie sich für eine intensivere Aus- und Fortbildung im Bereich Biolandwirtschaft aus.
Vorrangflächen für Biobauern nötig
Lang forderte eine verbesserte Investitionsförderung und einen spürbaren Bürokratieabbau. Zudem müsse über Vorrangflächen für den Ökolandbau im Landesentwicklungsprogramm nachgedacht werden.
Anthony Lee, Bundessprecher der Bewegung „Land schafft Verbindung“, betonte die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft. Mit Ökolandbau allein sei die Lebensmittelversorgung nicht sicherzustellen. „Bio macht nicht überall Sinn, wir brauchen einen Mix in der Fläche“, sagte er. Derzeit gebe es vielerorts Tendenzen zu einer Benachteiligung konventioneller Landwirte, zum Beispiel bei der Verpachtung von Flächen kommunaler oder kirchlicher Grundbesitzer.
Unrealistisches 30-Prozent-Ziel
Eine kontroverse Debatte löste Professor Spiller mit seinen Zweifeln an der Zielmarke von 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 aus. Dafür müsste sich die Anbaufläche in den kommenden sieben Jahren verdoppeln. „Das ist unrealistisch“, sagte Spiller und warb für mehr Ehrlichkeit. „20 Prozent bis 2030 wären mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen schon ein Erfolg“, meinte er. Dagegen warnte die Professorin Sabine Daude von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf davor, die Zielmarke „herunterzuschrauben“. Dies wäre schädlich für die Motivation von Verbrauchern und Landwirten. Letztere würden dann Investitionsentscheidungen in Frage stellen, weil sie an der Verlässlichkeit der Politik zweifelten. Ähnlich äußerten sich die Bauernvertreter Gehler und Lang. Dieser verlangte von der Politik allerdings mehr Engagement. Die Zielmarke 30 Prozent dürfe nicht nur ein „reines Postulat“ sein.
Warnung vor Billigschiene in Discountern
In mehreren Beiträgen wurde von den Verbrauchern eine höhere Bereitschaft zum Kauf von Biolebensmitteln gefordert. Daude sagte, diese müssten bereit sein, rund 20 % ihres Einkommens für Lebensmittel auszugeben. Das würde dem Absatz von Bioprodukten einen großen Schub geben. In diesem Zusammenhang warnte die Landwirtin Mayer davor, Billig-Bioprodukte in Discountern zu forcieren. Davon hätten die meisten regionalen Ökobetriebe nichts. Spiller ging davon aus, dass die gegenwärtigen Absatzschwäche bei Bioprodukten nicht lange anhalten werde. Die Nachfrage habe sich in der Vergangenheit nach Absatzdellen stets wieder erholt. „Da muss man ein bisschen die Nerven bewahren“, meinte er.
Mageren Zuwachs erwartet
Trotz der Absatzdelle im vergangenen Jahr wächst die Zahl der Bio-Bauern in Bayern weiter an. Auch heuer ist laut Florian Thurnbauer aus dem Agrarministerium mit einer weiteren Zunahme der Ökobetriebe zu rechnen. Nach derzeitigem Stand dürfte sich die Zahl um rund 300 mit etwa 7000 ha erhöhen.
Ähnlich fiel der Zuwachs laut Jahresbericht des Agrarministeriums zum Öko-Landbau im Freistaat auch 2022 aus. Danach gab es am 31. Dezember 2022 exakt 11 811 Öko-Betriebe, 341 mehr als im Jahr davor. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche stieg dabei um gut 7000 ha auf 415 000 ha. Das entspricht 13,4 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Wie Thurnbauer im Agrarausschuss des Landtags mitteilte, liegt Bayern mit diesem Anteil auf Rang sieben unter den Bundesländern. In absoluten Zahlen führt Bayern bei Fläche und bei der Zahl der Ökobetriebe die Bundesstatistik an.
Wegen des Ukraine-Kriegs, der daraus resultierenden Inflation und des Spardrucks bei den Konsumenten sei der Umsatz bei Bio-Lebensmitteln im vergangenen Jahr deutschlandweit um 3,5 % zurückgegangen. Bis dahin hatte die Branche nach Angaben Thurnbauers stets Zuwächse verzeichnet. 2021 habe das Plus noch 5,8 % betragen. Von einem Umsatzeinbruch wollte Thurnbauer dennoch nicht sprechen, da die Einnahmen auch 2022 noch um 25 % über dem Vor-Corona-Niveau gelegen hätten. Gerade während der Pandemie habe die Nachfrage nach Bio-Produkten stark zugenommen. Mit einem Anteil von 19,4 % am bundesweiten Bio-Lebensmittel-Umsatz sei Bayern Spitzenreiter in Deutschland.
Wie Thurnbauer betonte, hält die Staatsregierung am Ziel von 30 Prozent Öko-Landbau bis 2030 fest. Um dieses zu erreichen, müssten aber mehr Bio-Lebensmittel konsumiert werden. Man versuche mit einem Paket aus Marketing, Forschung und Förderung die Nachfrage anzukurbeln. Der weitere Ausbau des Öko-Landbaus solle aber „weiter am Markt entlang“ erfolgen. Man wolle damit Überproduktion vermeiden, weil diese die Preise und damit die Erlöse der Landwirte drücken würde. Nach Angaben Thurnbauers stellt kein anderes Bundesland mehr Mittel für den Öko-Landbau bereit als Bayern. Über das Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) seien 2022 111 Mio. € an Öko-Betriebe geflossen, ein Drittel der gesamten Kulap-Mittel. In diesem Jahr seien die Fördersätze auf die maximal mögliche Prämienhöhe angehoben worden.