Berlin Der Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Tierwohl, Nachhaltigkeit und Ökolandbau ist auf der Internationalen Grünen Woche (IGW) in Berlin eines der wichtigen Themen. Im Vorfeld der IGW hat zum Beispiel der Berliner Agrarökonom Prof. Harald von Witzke moniert, dass die Politik den Ökolandbau beim Klimaschutz zu positive bewerte, und daher die falschen Maßnahmen ziehe. Grund: Wegen des geringen Ertragsniveaus kommt es zu indirekten Landnutzungsänderungen, welche die Politik bisher gerne unter den Tisch fallen lässt.
Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber bestätigte in Berlin erneut, am Ziel 30% Ökolandbau bis 2030 in Bayern festzuhalten. "Ich werde aber keinen Landwirt zwingen, umzustellen", stellte sie klar. Aus ihrer Sicht muss der Umbau trotz der maximal möglichen Förderung des Freistaates im Kulap vor allem marktgetrieben erfolgen.
Nun gibt es eine neue Studie von Prof. Dr. Kurt-Jürgen Hülsbergen, TU München-Weihenstephan, zu den Umwelt- und Klimawirkungen des Ökolandbaus. Sie wurde auf der IGW am Stand des Bundeslandwirtschaftsministeriums heute (23.1.) vorgestellt. Laut dem TUM-Wissenschaftler trägt die weitere Ausdehnung des ökologischen Landbaus dazu bei, die drängenden Umweltprobleme zu lösen und die Kosten für die Gesellschaft zu verringern. Zumindest in der Kurzfassung der Studie finden sich aber keine Angaben zu den möglichen Folgen indirekter Landntzungänderungen.
Weniger als 20 kg N/ha Überschuss
So verringert sich der Stickstoffeinsatzes um etwa 100 kg je Hektar. Dadurch sinken die Stickstoffüberschüsse der Landwirtschaft auf unter 20 kg je Hektar. Laut Umweltbundesamt betragen die Stickstoffüberschüsse 90 kg je Hektar, Stand 2021. Dadurch kommt es zu geringeren Stickstoffemissionen wie Ammoniak, Lachgas, Nitrat in die Umwelt. Das wirke sich positiv auf Biodiversität und Trinkwasserschutz aus. Für die Trinkwasseraufbereitung sind Kosteneinsparungen möglich, heißt es in der Kurzfassung der Studie. Der Energieeinsatz halbiert sich von 14 auf 7 Gigajoule (GJ) je Hektar durch den Verzicht auf Mineraldüngerstickstoff und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Dadurch kommt es laut Studie zu geringeren CO2-Emissionen, auch die Abhängigkeit der deutschen Landwirtschaft vom Einsatz fossiler Energie sinkt. 1 GJ entspricht etwa 25 Liter Dieselkraftstoff.
260 kg pro Hektar Kohlenstoffspeicherung
Im Mittel bis zu 260 kg Kohlenstoff je Hektar finden durch Humus- und Kohlenstoffanreicherung in Ackerböden durch vielfältige Fruchtfolgen mit Kleegras und organische Düngung statt. Dies wirkt sich positiv auf das Bodengefüge, das Bodenleben und die Ertragsstabilität aus.
Zudem halbiert der Ökolandbau die flächenbezogenen Treibhausgasemissionen um 1750 kg CO2eq je Hektar. Treibhausgasminderungen finden auch in der ökologischen Milchviehhaltung durch Grundfutter orientierte Fütterung, Verzicht auf Sojaeinsatz und nachhaltige Grünlandnutzung statt.
Bis zu 800 Euro por Hektar weniger Umweltkosten
Daneben wirkt sich der Verzicht auf chemisch-synthetische Herbizide, Fungizide, Insektizide, Wachstumsregler positiv auf die Artenvielfalt aus. Artenreiche Fruchtfolgen fördern die Biodiversität. Daneben weist diese Wirtschaftsweise ein geringere Regelungs- und Eingriffsintensität – weniger und schonendere Arbeitsgänge und weniger Störungen des Ökosystems auf, so die Studie.
Laut Hülsbergen betragen die Kosteneinsparungen durch Ökolandbau 750 bis 800 € je Hektar. Bei einer Öko-Fläche von 1,8 Mio. ha (2021) entspricht das Kosteneinsparungen von 1,5 Mrd. €, bei 30 % Öko-Flächenanteil (Ziel 2030) Kosteneinsparungen von 4 Mrd. € in Deutschland möglich.
FiBL-Forscher: Grabenkämpfe vermeiden
In einem Beitrag für den Nachrichtendienst Agra Europe halten die Wissenschaftler Dr. Adrian Müller, Jürn Sanders und Prof. Andreas Gattinger von den Forschungsinstituten für biologischen Landbau (FiBL) der Schweiz und Deutschland, von Witzkes Vorwurf einer Schönrechnerei für falsch. "Dessen „pauschale und einseitige“ Kritik sei weder sachlich richtig, „noch bringt sie uns bei der Bewältigung der ökologischen Herausforderungen wirklich weiter“, so die drei FiBL-Forscher.
Müller, Sanders und Gattinger weisen darauf hin, dass die heutige landwirtschaftliche Produktion zu erheblichen externen Kosten führe. Da ein hohes Intensitätsniveau in der Landwirtschaft die Umwelt erheblich beeinträchtige, verzichte der ökologische Landbau auf Höchsterträge. Ein Teil der externen Kosten könne dadurch vermieden werden. Daher sei die ökologische Landwirtschaft nicht zu teuer, sondern die intensive konventionelle Landwirtschaft produziere zu günstig.
Die drei FiBL-Forscher fordern dazu auf, auch in der wissenschaftlichen Diskussion ideologische Grabenkämpfe zu vermeiden.