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Kontroverse

Ökolandbau: Doch nicht so viele Umweltvorteile?

Ökogetreide striegeln: Wissenschaftler streiten darüber, ob und wie bei den Umweltleistungen des Ökolandbaus die geringeren Erntemengen verrechnet werden müssen.
Wolfgang Piller
Wolfgang Piller
am Donnerstag, 09.02.2023 - 09:44

Eine Studie der TU München sollte belegen, dass mehr Ökolandbau gut für die Umwelt ist und der Gesellschaft Milliarden einspart. Jetzt gibt es Widerspruch.

Die Grüne Woche in Berlin verspricht Aufmerksamkeit für landwirtschftliche Themen. Das nutzte auch das Wissenschaftler-Team um den Weihenstephaner TU-Professor Kurt-Jürgen Hülsbergen für ihre Ökolandbau-Studie. Sie rechneten vor, dass mehr Ökolandbau der Umwelt nutzt und der Gesellschaft mehrere Millarden Euro an Kosten sparen kann. Das Wochenblatt berichtete darüber. Gegen die dargestellten Schlüsse der Studie erhebt nun Professor a. D. Herbert Ströbel von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Widerspruch.

Fehlender Ertrag muss ausgeglichen werden

Die Hülsbergen-Studie errechnet ein Potenzial von vier Milliarden Euro, wenn der Ökolandbau in Deutschland auf 5 Mio. ha (= 30 % Flächenanteil) ausgedehnt würde. Dahinter stecken eingesparte Kosten von rund 800 €/ha durch eingesparte Umweltkosten. Die Studie hält aber auch fest, dass die Ökogetreideerträge nur zwischen 42 (Anbausysteme ohne Tierhaltung) und 60 % (mit Tierhaltung) des konventionellen Anbaus erreichen – und hier setzt die Kritik von Professor Herbert Ströbel an.

In einem Kommentar, der dem Wochenblatt vorliegt, rechnet er vereinfacht mit einem gemittelten Ertragspotenzial von rund 50 % für den Ökolandbau. Bei fehlenden 40 Getreideeinheiten je Hektar, wie die Autoren der Ökolandbau-Studie selbst ausweisen, summiert sich das auf dieser Fläche weniger produzierte Getreide auf 200 Mio. Einheiten. „Dieser Minderertrag des Ökolandbaus wird in der Studie nicht ermittelt und auch nicht bewertet“, kritisiert Ströbel.

Das fehlende Getreide müsste in der Realität nämlich durchaus erzeugt werden – es wird ja gebraucht. Die Kosten müssten also in der Studie ebenfalls veranschlagt werden, sagt Ströbel. Er rechnet vor:

  • Bei einem Ertrag von 80 Getreideeinheiten/ha im konventionellen Landbau sind 2,5 Millionen ha dafür vonnöten. Produktionskosten von veranschlagten 20 €/Getreideeinheit ergeben schon die Summe von 4 Milliarden €.
  • Bei den zusätzlichen Kosten sind die Umweltkosten im Anbau noch nicht enthalten. Die Ökolandbau-Studie rechnet mit 1750 €/ha, verrechnet mit 2,5 Mio. ha ergeben nochmal gesellschaftliche Kosten von 4,375 Milliarden €.
  • Damit noch nicht genug: Der Minderertrag im Ökolandbau erfordert zusätzliche Flächen (die beim Beibehalten von konventionellen Anbausystemen nicht nötig wären).

Zu befürchten wäre weniger Artenvielfalt

„Der aus der dieser zusätzlichen Flächennutzung resultierende Verlust an Umweltleistungen ist deshalb dem Ökolandbau als Opportunitätsverlust oder Opportunitätskosten anzulasten“, argumentiert Ströbel. Da Agrarflächen inzwischen weltweit sehr knapp sind, fürchtet Ströbel, dass diese Ausdehnung zulasten von Wald- oder Grasflächen erfolgen müsste, die ökologisch wertvoller sind, weil sie eine wesentlich höhere THG-Bindung und größere Artenvielfalt als Ackerland aufweisen. Zu befürchten wäre also: Mehr Treibhausgase und eine geringere Biodiversität, wenn der Ökolandbau ausgedehnt würde, die niedrigeren Erträge immer vorausgesetzt.

Übrigens: Falls die fehlenden Erträge durch Importe ausgeglichen würde, würde die Bilanz noch schlechter ausfallen. Der Grund liegt darin, dass die dort zu erwartenden niedrigeren Erträge noch größere Ersatzflächen erfordern und zusätzliche Emissionen durch Transporte und Transportverluste entstehen.

Die Höhe, wie die Umwelt- und die sogenannten Opportunitätskosten (Kosten für den Ausgleich) bewertet werden, sind durchaus strittig. Doch darum, sagt Ströbel, gehe es ihm weniger, als dass die Studie die die Kosten für die Ersatzbeschaffung durch die Mindererträge gar nicht berücksichtigt. Er sagt deshalb, dass eine sorgfältige und umfassende Folgenabschätzung nötig gewesen wäre, bevor die EU ihre Agrarreform mit massiver Förderung des Ökolandbaus beschlossen hatte.