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Teller oder Trog-Diskussion

Misereor gegen die Landwirtschaft

Ärger über Misereor: Schweinebauer Johannes Scharl aus Eichstätt ruft zum Spendenboykott auf. Er fühlt sich von der katholischen Hilfsorganisation als Tierhalter diffamiert.
Barbara Höfler
am Freitag, 02.09.2022 - 13:57

Ferkelerzeuger Johannes Scharl rief zum Boykott des katholischen Hilfswerks auf, das auch nach einer Aussprache dabei bleibt: „Kein Essen in Trog und Tank“.

Eichstätt Am meisten ärgert Johannes Scharl die „absolute Unkenntnis“ der Landwirtschaft. Selbst am Grundverständnis fehle es den Verantwortlichen bei Misereor, so der Eichstätter Ferkelerzeuger. Die Erfahrung machte Scharl bei einer Videokonferenz vergangene Woche mit drei Vertretern der katholischen Hilfsorganisation. Seit Mai hatte er um das Gespräch gebeten.

Es fehlt am grundlegenden Verständnis

Thema der Aussprache war eine Petition, die das bekannte katholische Hilfswerk zusammen mit der Umweltorganisation Greenpeace damals gestartet und schon 21 800 Unterschriften gesammelt hat. Titel: „Kein Essen in Trog und Tank“. Gefordert wird unter anderem der „Abbau der Tierzahlen in der deutschen und europäischen Landwirtschaft“, damit statt Futter- Brotgetreide angebaut werden könne, um eine weltweite Hungerkrise infolge des Ukrainekrieges zu verhindern.

Für Scharl eine „Diffamierung der Landwirtschaft“, insbesondere Tierhalter. Der überzeugte Christ und Kreisobmann von Eichstätt-Ingolstadt rief daraufhin zum Spendenboykott gegenüber Misereor auf.

Am Montag, 29. August, klappte schließlich eine Videokonferenz mit dem Misereor-Agrarexperten Markus Wolter und Kathrin Schröder, Expertin für Klima und Energiefragen. Mit dabei war auch Gerhard Rott von der Diözese Eichstätt, der Verwaltungsrat von Misereor Deutschland sitzt. Überzeugen habe man sich nicht können, so Scharl. Er versuchte, in der Runde zu erklären, dass die Petition auf falschen Annahmen basiert. Die Rede ist darin vom „Einsatz von Brotweizen und Mais als Futtermittel zur Erzeugung von Fleisch- und Milchprodukten für die reichen Länder“. So würden 60 % des in Deutschland angebauten Getreides Futter- statt Lebensmittel. Scharl legte dar, dass es sich beim Großteil der 60 % nicht um Getreidearten und -qualitäten handle, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Von diesen könnten „mit ganz viel Anstrengung“ auch höchstens 10 % überhaupt je in Backgetreide umgewandelt werden. Um das zu wissen, „muss man die Grundsätze der Fruchtfolge kennen“, so Scharl. Ob Getreide in Backqualität produziert werden könne, hänge auch von vielen weiten Faktoren wie Lage, Bodenbeschaffenheit und Wetter ab. Die Misereor-Vertreter habe er alternativ zu Gersten- und Triticale-Semmeln eingeladen. „Aber gegangen wird erst, wenn aufgegessen ist.“

0,6 GV jetzt auch noch halbieren?

Zur Forderung der staatlichen Reduzierung der Tierhaltung um 50 % meint Scharl: „Bei 0,6 Großvieheinheiten pro Hektar im Landkreis Eichstätt müsste man sich fragen, welche Relevanz man als Tierhalter noch hat.“ Die gleiche Menge Schweine, die in Deutschland in den vergangenen vier Jahren abgebaut worden sei, habe Spanien im selben Zeitraum aufgebaut – nur ohne Tierwohlstandards. Den eigenen Betrieb mit 300 Muttersauen baute Scharl 2017 tierwohlgerecht um. „Kopfschütteln und Unverständnis“ erntete die Petition auch bei BBV-Präsident Walter Heidl. Auch er bat bei Misereor um ein Gespräch.