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Freihandelsabkommen

Mercosur: Totschnig und Özdemir sind sich uneins

Totschnig-Özdemir
Josef Koch
Josef Koch
am Montag, 20.03.2023 - 16:05

Österreich beharrt auf striktes Nein zum Freihandelsabkommen, Deutschland setzt dagegen auf gleiche Produktionsstandards.

Bei der Einschätzung über das Mercosurabkommen gibt es zwischen Deutschland und Österreich große Meinungsverschiedenheiten. Das wurde bei dem heutigen Treffen der EU-Agrarministerin Brüssel deutlich. Während der grüne Agrarminister aus Deutschland, Cem Özdemir, auf einen zügigen Abschluss drängt, hat Österreichs Agrarminister Norbert Totschnig sein Nein bekräftigt.

Aus Özdemirs Sicht hat das vergangene Jahr hat deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, Handelsbeziehungen zu diversifizieren. „Europa braucht strategische Partnerschaften mit Staaten, mit denen wir grundlegenden Werte teilen. Es ist nicht in unserem Interesse, das Feld autoritären Staaten zu überlassen, denen ein nachhaltig orientierter Handel sowie etwa der Schutz des Regenwaldes herzlich egal ist“. Für Özdemir ist deshalb klar, dass der Schutz der natürlichen Ressourcen im Mercosurabkommen verbindlich verankert sein muss. Dazu gehören auch gleiche Standards bei der landwirtschaftlichen Produktion, ließ er wissen.

Özdemir: Mercosur als Hebel für Nachhaltigkeit

Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) auf Nachfrage des Wochenblatts mitteilt, müssen Nachhaltigkeitsziele und Handelspolitik kohärent gestaltet werden. Freihandelsabkommen dürften nicht Produktionsverlagerungen zu Standorten mit geringeren Nachhaltigkeitsanforderungen befördern. Das Mercosurabkommen kann laut BMEL den Freihandel stärken und ist gleichzeitig ein Hebel für globale Fortschritte bei den Nachhaltigkeitszielen. Derzeit sondiert die EU-Kommission nachhaltigkeitsbezogene Zusatzvereinbarungen zum Abkommen.

Das BMEL sieht zudem kaum Nachteile für deutsche Bauern. Laut Thünen-Institut wird es auch bei vollständiger Umsetzung des Abkommens (im Jahr 2030) nur zu sehr geringen Produktionsrückgängen von weniger als einem Prozent in Deutschland kommen. Zudem wären die Zollkontingente begrenzt, so dass es keine mengenmäßig unbegrenzten Agrarexporte aus den Mercosur -Staaten in die EU geben wird, argumentiert das BMEL.

Totschnig: Abkommen untergräbt EU-Standards

Österreich sieht das ganz anders. Nach Auffassung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig würde das Mercosurabkommen europäische Produktionsstandards untergraben und bäuerliche Familienbetriebe weiter unter Druck bringen. Er fordert klare Antworten der EU-Kommission hinsichtlich Importkontrollen, finanzielle Wettbewerbshilfen und Schutzmechanismen bei stark steigenden Importen. „Die EU-Kommission sollte ihren Fokus auf eine starke europäische Landwirtschaft und einen funktionierenden Binnenmarkt bei Lebensmitteln innerhalb Europas richten,“ forderte Totschnig.

Lückenlose Herkunftskennzeichnung gefordert

Er vermisst zudem, eine lückenlose EU-Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln. Einen Entwurf hat die Kommission immer noch nicht vorgelegt, was zu einer zusätzlichen Wettbewerbsverzerrung führt. Unausgewogene Handelsabkommen können laut Totschnig schwere Auswirkungen auf die europäische Lebensmittelproduktion haben, wodurch ein Ungleichgewicht im Wettbewerb entsteht. Er warnt vor Druck auf Erzeugerpreise, Verlust an Marktanteilen oder ein Rückgang der Eigenversorgung. Zudem entsprechen Rückstandskontrollen und Tierkennzeichnungsregeln entsprechen nicht den EU-Standards.

Nach Einschätzung Totschnigs können die Südamerikaner Rindfleisch und Rohrzucker aufgrund geringerer Auflagen und Inputkosten bis zu 50% günstiger produzieren. Die Rindfleischproduktion in der EU ist 2021 bereits um 1,1% gesunken. Die Rindfleisch-Produktion in Brasilien stieg zwischen 2010 und 2020 von 8,37 Mio. Tonnen auf 9,39 Mio. Tonnen. Dass in den Mercosur-Ländern insgesamt rund 292 Mio. Rinder gehalten werden, zeigt das enorme Exportpotential. Im Vergleich dazu leben in der EU rund 75 Mio. Rinder. Daher müsste die EU-Kommission alles daransetzen, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, so Österreichs Agrarminister. Laut einer Auswirkungsanalyse der EU-Kommission werden mit dem Mercosurabkommen die EU-Rindfleischimporte um 30 bis 64 % zunehmen.

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