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Tierschutz

Was Landwirte und Verbände vom geplanten Verbot des Kükentötens halten

Josef Koch
Josef Koch
am Donnerstag, 21.01.2021 - 05:00

Der verabschiedete Gesetzesentwurf zum Verbot des Kükentötens stößt bei Praktikern auf Unverständnis. Auch Tierschützer sind unzufrieden.

Küken

Der Gesetzesentwurf zum Verbot des Tötens männlicher Küken sorgt für unterschiedliche Reaktionen bei Landwirten, Verbänden und Bundesländern. Gestern hatte das Bundeskabinett einen entsprechenden Entwurf von Bundesagrarministerin Julia Klöckner verabschiedet.

Michael Häsch, Landwirt und Stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Geflügelhalterverbands, beklagt in einem Offenen Brief an Bundesagrarministerin Klöckner und Umweltministerin Schulze, dass bei den heutigen Möglichkeiten zur Geschlechtsbestimmung im Ei aber nur die Aufzucht der Bruderhähne mit ihren unabsehbaren Folgen für die deutschen Legehennenhalter und die deutsche Eierproduktion verbleibe. Häsch verdeutlicht: „Ich bin für die Geschlechterbestimmung im Ei, bevor das Schmerzempfinden des Embryos einsetzt. Ich bin aber gegen die Tötung des voll entwickelten Kükens im Ei“. Der Entwurf sieht derzeit die Geschlechtsbestimmung ab dem 9. Tag ab 2022 vor.

Nachteile für deutsche Eiererzeuger

Laut Häsch steht der Aufwand für die Aufzucht der Bruderhähne in keinem Verhältnis zu dem erzeugten Produkt. Zudem werde es vom Handel bisher nicht angenommen und lediglich in der Verarbeitung eingesetzt. Doch auch dies ist laut Häsch nur möglich, da die eigentlichen Produktionskosten über den Verkauf der Eier finanziert werden.

„Wir haben also erneut ein Produkt am Markt, bei dem die wahren Produktions- und Umweltkosten nicht abgebildet werden. Die Aufzucht der Bruderhähne wird die Produktionskosten pro Ei wesentlich erhöhen“, schildert der Direktvermarkter die Folgen. Er fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Eierproduzenten gegenüber ihren Mitbewerbern aus den Nachbarländern.

Geflügelwirtschaft ist gegen Alleingang

Die deutsche Geflügelwirtschaft findet den Ausstieg aus dem Kükentöten im Prinzip richtig. Bereits seit rund 15 Jahren investiere man viel Geld und Know-how in Verfahren, die diesen Weg möglich machen – mit realen und praktikablen Lösungsansätzen, so Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. (ZDG).

Allerdings sieht er in dem Gesetzesentwurf wieder einmal einen nationalen Alleingang der Bundesregierung. Das Gesetz habe keine ausreichende Faktenbasis und geltet nicht im europäischen Ausland. Das seien zwei schwerwiegende Mängel, kritisiert der Verband. Ripke erwartet immense Wettbewerbsnachteile für die deutsche Geflügelwirtschaft, weil innerhalb der EU weiter Eier aus Brütereien verkehren, die männliche Küken am ersten Lebenstag töten. Diese Eierprodukte stehen laut ZDG ganz legal im deutschen Lebensmitteleinzelhandel oder werden im Großverbrauchersegment verarbeitet. Hinzu kommt, dass weibliche Küken aus ausländischen Brütereien, die Kükentöten praktizieren, weiterhin in Deutschland als angehende Junghennen eingestallt werden dürfen.

„Diese Tatsache wird kleinere deutsche Brütereien die Existenz kosten. Gerade die deutschen Züchter und Brüter sind es aber, die maßgeblich zum aktuellen Tierwohlfortschritt beigetragen haben“, macht der ZDG-Präsident deutlich.

Tierschützer für Zweinutzungshühner

Derweil moniert der Deutsche Tierschutzbund, dass zwischen dem Töten des Hühnerembryos und dem Töten des Kükens kein wesentlicher Unterschied bestehe. Bis zum siebten Bebrütungstag sei das Schmerzempfinden des Hühnerembryos nicht auszuschließen. Sinnvoller sei die Förderung der Haltung von Zweinutzungshühnern.

Die Tierschützer glauben auch ein Schlufploch ausgemacht zu haben. Durch einen neu hinzugefügten Passus, der eine Ausnahme für die Aufzucht von Stubenküken vorsieht, bestehe nun die Gefahr, dass das Verbot der Kükentötung ausgehebelt werden könnte.

Wenn die männlichen Embryonen oder Küken als zukünftige Stubenküken deklariert würden, könnten sie nach Auffassung des Verbands unter Berufung auf die Ausnahme wie bisher getötet werden.

Heinen-Esser: Wirtschaft soll schnell umsteigen

Nordrheins-Westfalens Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser begrüßt die Gesetzespläne: "Endlich wird dieser tierschutzwidrigen Praxis ein Ende gesetzt. Ziel muss es sein, dass die Wirtschaft schnellstmöglich auf tierschützende Praktiken bei der Legehennen-Erzeugung wie der Geschlechtsbestimmung im Ei umsteigt."

Vorausgegangen waren verschiedene Initiativen aus Nordrhein-Westfalen in den zurückliegenden Jahren, um das Ende der tierschutzwidrigen Praxis des Kükentötens zu forcieren.

Ministerin Heinen-Esser ruft Verbraucherinnen und Verbraucher dazu auf, bereits jetzt mit ihrem Einkaufsverhalten Einfluss zu nehmen. "Schon heute gebe es Alternativen im Lebensmitteleinzelhandel wie etwa die Mast von Bruderhähnchen oder die Aufzucht von Hühnern, die Eier legen und Fleisch ansetzen."