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Tierwohl

Kastenstand: Bundesrat stimmt für Verbot

Josef Koch
Josef Koch
am Freitag, 03.07.2020 - 15:16

Im dritten Anlauf schafften die Bundesländer der Kastenstandsverordnung zuzustimmen. Das kommt auf die Sauenhalter zu.

Nutztierhaltungsverordnung

Die Bundesländer haben heute am 3. Juli 2020 nach dreimaligem Anlauf der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit einer deutlichen Mehrheit zugestimmt. Die Verordnung regelt die Haltung von Schweinen neu.

Die Kastenhaltung soll im Abferkelbereich nach einer Übergangsfrist von 15 Jahren höchstens 5 statt wie bisher 35 Tage um den Abferkelzeitraum betragen. Im Deckzentrum sind fürs Besamen 8 Tage für das Fixieren der Sauen statt bisher 4 Wochen erlaubt. Die Übergangsfrist beträgt hier aber nur maximal 8 Jahre.

Das bisher übliche lange Fixieren in engen Kästen schränke die Ausübung wesentlicher Grundbedürfnisse der Sauen stark ein und könne zu erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden führen - sie solle daher auf das unvermeidliche Maß reduziert werden, heißt es in der Verordnungsbegründung.

Mehr Platz in Kastenständen und Bewegungsbuchten

Die Verordnung regelt zudem die bauliche Anforderung an Kastenstände. Sie müssen mindestens 220 Meter lang und zwischen 65 und 85 Zentimeter breit sein, um dem Schwein genügend Platz zum Aufstehen, Hinlegen und Ausstrecken des Kopfes zu lassen.

In so genannten Bewegungsbuchten (Gruppenhaltung) von mindestens fünf Quadratmetern pro Sau sollen sich Muttersauen mit ihren Ferkeln frei bewegen können. Die Abferkelbuchten müssen mindestens 6,5 Quadratmeter groß sein.

Weitere Vorgaben betreffen die Beschäftigung der Tiere und den Schutz vor gegenseitigen Verletzungen, die Licht- und Luftverhältnisse im Stall.

Maximal 8 Jahre Umstellungszeit

Verschärft wurde der Vorschlag der Bundesregierung. Statt 15 Jahre Zeit für die Umstellung ist nun eine Übergangsfrist von acht Jahren beschlossen. Förderung erhalten die Landwirte dabei nur wenn sie früher als innerhalb der acht Jahre umstellen oder deutlich höhere Auflagen erfüllen, als die neue Verordnung vorsieht.

Wer fünf Jahre lang dagegen nichts unternimmt, keinen Förderantrag stellt, darf keine Sauen mehr halten. "Das verschärfe den Druck auf den Strukturwandel hin zu den großen Einheiten", gab Jan-Philipp Albrecht, grüner Agrarminister aus Schleswig-Holstein zu bedenken. "Wir Grüne wollen ja kleinere Strukturen erhalten. Aber im Sinne des Tierschutzes sei dies nötig", argumentierte er im Bundesrat.

Der Bund gab dabei zu Protokoll, dass er nicht nur für 2021 300 Mio € als Förderung vorsieht, sondern auch darüber hinaus. Die Mittel stammen aus dem Konjunkturpaket des Bunds.

Während der Übergangsfrist müssen Kastenstände so beschaffen sein, dass sich die Tiere nicht verletzen können, jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich in Seitenlage hinlegen sowie den Kopf ausstrecken kann.

Dritter Anlauf

Die Verordnung stand bereits zweimal zur Abstimmung auf der Tagesordnung des Bundesrates: am 14. Februar und 15. Juni 2020. Sie wurde jedoch jedes Mal kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt.

Während grünregierte Bundesländer wie Rheinland-Pfalz,  Schleswig-Holstein und Brandenburg zustimmten, verwehrte Sachsen-Anhalt die Zustimmung zur Verordnung. Die zuständige Agrarministerin  Prof. Dr. Claudia Dalbert (Bündnis90/Die Grünen) argumentierte, dass die Verordnung das Magdeburger Urteil nicht ausreichend umsetze. So sehe das Urteil keine Übergangsfristen vor.

Als "Zeitenwende" in der Sauenhaltung bezeichnete Thrüringens Agrarminister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff die Kompromisslösung. Er begrüßte zudem die Entscheidung des Bundestags zum Umbau der Nutztierhaltung nach den Empfehlungen der Borchert-Kommission. Die Kommission empfiehlt eine Tierwohlabgabe von 40 Cent/kg Fleisch und 2 CentKg Milch. Außer CDU/CSU und SPD stimmten im Bundestag auch AfD, Linke und Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff für den Antrag. Die weiteren Abgeordneten der Grünen sowie die FDP enthielten sich.

Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung soll überwiegend am Tag nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Damit dies geschehen kann, muss das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Änderungsmaßgaben des Bundesrates vollständig umsetzen. Ob und wie schnell dies geschieht, entscheidet das Ministerium.

BBV: Bauern zahlen hohen Preis für Rechtssicherheit

„Die heute beschlossenen Vorgaben stellen unsere Betriebe vor äußerst große Herausforderungen. Mit den massiven Verschärfungen durch den Bundesrat bezahlen Sauenhalter einen schmerzhaft hohen Preis für die notwendige Wiederherstellung der Rechtssicherheit“, sagt der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl.

Besonders problematisch ist laut Heidl, dass die Übergangsfrist für den Umbau des Deckzentrums in bestehenden Ställen mit acht Jahren bzw. in Härtefällen zehn Jahren extrem kurz ausfällt. Ein Stallneubau in der Landwirtschaft amortisiere sich erst nach einer  Nutzungsdauer von 20 bis 25 Jahren.

Sorge um kleine und mittlere Betriebe

Die sehr hohen Anforderungen an die Ausgestaltung des Deckzentrums nach der Übergangsfrist insbesondere Platzvorgabe von fünf Quadratmeter pro Sau, erfordern in jedem Betrieb größere Baumaßnahmen. Das wird nach Auffassung des Präsidenten  kaum noch über Umbauten gelingen, sondern macht in der Regel einen Neubau von zumindest einem Teil des Stalls mit entsprechend hohen Kosten notwendig.   

Heidl hat daher große Sorgen, dass gerade kleine und mittlere Betriebe, die Politik und Gesellschaft sich doch stets wünschen, diese Anforderungen und die damit verbundenen Investitionskosten nicht stemmen können und die Sauenhaltung aufgeben.

Umso wichtiger sei es daher, dass jetzt zumindest die derzeit vielfach bestehenden umwelt- und immissionsschutzrechtlichen Hürden für Stallbaugenehmigungen umgehend beseitigt werden, um Investitionen überhaupt wieder zu ermöglichen.