Die bayerische Wolfsverordnung ist geprägt von Formfehlern und „massiven Verstößen“ gegen deutsches und europäisches Naturschutzrecht. Zu diesem Schluss kommt die Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß von der Leipziger Kanzlei Baumann Rechtsanwälte. Sie erstellt im Auftrag des Bund Naturschutzes Bayern (BN) derzeit die Normenkontrollklage gegen die Verordnung selbst sowie gegen die Ausführungsverordnung. Der BN wird diese Klage in Kürze beim Verwaltungsgerichthof München (VGH) vorlegen. Gegenüber Journalisten zählte die Juristin eine Reihe von Punkten auf, die nach ihrer Ansicht ausreichen, um die Wolfsverordnung für unwirksam zu erklären. Obwohl der VGH in der Regel sehr schnell arbeite, rechne sie aber dieses Jahr nicht mehr mit einer Entscheidung.
Anwältin erkennt klaren Formfehler
Als klaren Formfehler wertet Heß, dass die Umweltverbände nicht zur Verordnung angehört wurden. Das Argument der Staatsregierung, wegen des nahenden Weideauftriebs, müsse die Wolfsverordnung zum 1. Mai in Kraft treten und ein Verbändeanhörung nicht möglich, wertet sie als Scheinargument. Als Verstoß gegen europäisches Recht sieht die Juristin zudem, dass Bayern bereits das Durchstreifen von Ortschaften durch Wölfe als pauschale Gefahrensituation wertet. Auch reiche nur ein Wolfriss für eine Abschussanordnung nicht aus. Defizite sieht die Verwaltungsjuristin auch bei der Definition nicht zäunbarer Gebiete. Hier seien viele Flächen pauschal eingeschlossen, die durchaus zäunbar wären. BN-Vorsitzender Richard Mergner wirft der Staatsregierung sogar Wortbruch vor. „Beim Aktionsplan Wolf hatten alle Länder zudem festgelegt, dass nicht zäunbare Gebiete kein alleiniger Grund für Abschussgenehmigungen seien. „Diese Vereinbarung hebelt Bayern damit aus“, kritisiert er.
Fehlender DNA-Nachweis verstößt gegen EU-Recht
Weiterhin vermisst Heß in der Verordnung eine nachvollziehbare, wissenschaftliche Begründung, warum in bestimmten Regionen Herdenschutzmaßnahmen nicht durchführbar sein sollen. Als besonders schwerwiegenden Verstoß stuft sie den Verzicht auf eine notwendige Individualisierung des Wolfes ein. Nach dem EU-Recht sei es nicht erlaubt , einfach irgendein Tier zu töten. Fazit der Anwältin: Die strengen Anforderungen an die Tötung einer streng geschützten Art werden mit der Bayerischen Wolfsverordnung nicht nur unterlaufen, sondern es wird der weiträumige Abschuss zugelassen und zwar auch für Exemplare, die kein auffälliges Verhalten gezeigt haben. „Dies lässt das geltende Recht nicht zu.“
BN lässt Klagen gegen Abschussanordnungen offen
Für die Weidetierhalter könnte damit eine weitere Saison der Unsicherheit beim Wolfsabschuss drohen. Zwar hat BN-Vorsitzender Mergner gegenüber dem Wochenblatt offengelassen, ob der Verband gegen künftige Abschussanordnungen der Landratsämter vorgehen wird. Angesichts der juristischen Schwächen der Wolfsverordnung, dürfte der BN pauschale Wolfsabschüsse wohl nicht bieten lassen. „Sollten Wölfe aber Herdenschutzmaßnahmen überwinden, ist das ein Grund für einen Abschuss“, macht BN-Wolfsexperte Uwe Friedel klar. Man darf gespannt sein, ob Bayern vor der Landtagswahl die Wolfsverordnung nachbessern wird.
Friedel ist sich bewusst, dass es Weideflächen gibt, die durch ihre Topografie nicht schützbar sind. Hier könnten gezielte Entnahmen helfen. Er verlangt von der Regierung, die Kriterien für die Nicht-Schützbarkeit deutlich einzugrenzen. Dazu seien Karten nötig, die diese Gebiete realistisch wiedergäben. Er plädiert für eine Diskussion mit Praktikern und Fachleuten, die im Herdenschutz erfahren sind.