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EU-Recht

Hindernisse für Kälbertransporte

Josef Koch
Josef Koch
am Dienstag, 28.12.2021 - 13:56

EU-Ausschuss fordert Transportverbot für 35 Tage junge Tiere, Pflicht für Überwachungskameras, aber keine Mehrheit für Beschränkung auf acht Stunden.

Tiertransport

Die Vorschriften der Europäischen Union für Tiertransporte sind „veraltet, irreführend und werden zudem nur unzureichend durchgesetzt“. Zu diesem Schluss kommt der Abschlussbericht des Sonderausschusses des Europaparlaments für Tiertransporte, den dieser nach 18-monatiger Tätigkeit im Dezember vorgelegt hat. Wie die beiden Berichterstatter des Reports, Isabel Carvalhais und Daniel Buda, darlegten, raten die Ausschussmitglieder generell zu weniger Lebendtiertransporten und stattdessen zur Beförderung von Schlachtkörpern.

Keine Mehrheit im Ausschuss gab es für das Beschränken des Tiertransportes auf acht Stunden. 15 Parlamentarier sprachen sich für die Obergrenze aus, 15 waren dagegen und einer enthielt sich. Besonders Berichterstatter Daniel Buda von den Christdemokraten aus Rumänien hatte sich gegen die Acht-Stunden-Grenze ausgesprochen. Eine Abstimmung über die Empfehlungen im Parlamentsplenum soll im Januar 2022 stattfinden.

Fahrzeuge überwachen

Konkret plädiert der Sonderausschuss dafür, Überwachungskameras in den Transportfahrzeugen vorzuschreiben, um das Einhalten der Vorgaben beim Be- und Entladen zu überprüfen. Ferner sollten die Behörden Tiertransporte künftig nur dann genehmigen, wenn die vorgeschriebene Temperatur zwischen fünf und 30 Grad auch tatsächlich gewährleistet werden könne. Zudem sollte die Kommission neue Vorschriften für das Installieren von Temperatur-, Feuchtigkeits- und Ammoniakmessgeräten in den Fahrzeugen beschließen.
Die Abgeordneten des Sonderausschusses fordern die Kommission ebenfalls auf, Transportzeitbeschränkungen für alle Tierarten und Altersgruppen festzulegen. Für Säugetiere im Alter von weniger als 35 Tagen sollte der Transport gänzlich untersagt werden. Außerdem sollte die Beförderung von nicht abgesetzten Tieren, die älter als 35 Tage sind, weitgehend vermieden werden und in Ausnahmefällen höchstens zwei Stunden dauern.
Allerdings sollte es laut Buda und Carvalhais Sonderregeln für den Tiertransport von Inselgruppen geben, bei denen sich aufgrund geografischer Gegebenheiten eine Transportdauer von acht Stunden nicht unterschreiten lässt. Beide Abgeordnete verlangten zusätzliche EU-Gelder, um die Straßeninfrastruktur in den ländlichen Gebieten der Union zu verbessern.
Der Sonderausschuss drängt darauf, die Ausfuhr lebender Tiere aus der EU nur noch dann zu genehmigen, wenn diese bis zum Zielort gemäß den europäischen Tierschutzstandards erfolgen. Dabei sind aus ihrer Sicht vor allem der Zugang der Tiere zu ausreichend Futter und Wasser, das Funktionieren der Tränkevorrichtungen, das Platzangebot und die Kopffreiheit der Tiere wesentlich. Des Weiteren sprechen sich die Ausschussmitglieder für einen Übergang zu „einem effizienteren und ethischeren System“ aus, das die Lieferung von Embryonen oder Spermien gegenüber dem Transport von Zuchttieren bevorzugt. Die Kommission wird in dem Abschlussbericht aufgefordert, bis spätestens 2023 dazu einen Aktionsplan vorzulegen. Darin eingeschlossen sein muss laut dem Sonderausschuss ein Vorschlag für einen speziellen Fonds, um die sozioökonomischen Auswirkungen abzufedern, die mit der Verschärfung der Transportvorschriften verbundenen sind.

Verfahren gefordert

Die stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Marlene Mortler, zeigte sich zufrieden: „Unser Ziel war es, mutmaßliche Verstöße bei der Anwendung von EU-Tierschutzvorschriften beim Transport innerhalb und außerhalb der EU zu untersuchen“, so die CSU-Politikerin. Obwohl bereits seit 15 Jahren eine gemeinsame europäische Tiertransportverordnung existiere, seien Schwachstellen bei der Umsetzung erkennbar, etwa bei der Ausstattung der Transportfahrzeuge oder bei der Plausibilität der Routen. „Gut ist, dass die Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen an guten Lösungen statt an pauschalen Verboten interessiert war“, betonte Mortler.
Die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl, die ebenfalls dem Sonderausschuss angehört hatte, erwartet von der Kommission, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, sollten die Mitgliedstaaten die Vorgaben weiter ignorieren. Der Agrarsprecher der Grünen/EFA im Europarlament, Martin Häusling, betonte, dass Transporte oft großes Leid für Tiere bedeuteten. Der Bericht des Sonderausschusses stellt für den Grünen-Politiker zwar einen Fortschritt dar. Eine zentrale Forderung, nämlich die Transportzeit auf maximal acht Stunden zu begrenzen, sei aber von der Mehrheit des Ausschusses verworfen worden, beklagte Häusling.
Die EU-Ausschüsse der Bauern- und Genossenschaftsverbände (Copa/Cogeca) stellen sich im Großen und Ganzen hinter den Bericht des Sonderausschusses. Ihrer Meinung nach gehörten die EU-Tierschutzstandards bereits zu den höchsten der Welt. Dies sollte den EU-Bürgern besser vermittelt werden. Der Transport von Lebendtieren sei ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaftstätigkeit in strukturarmen Gebieten.

Für den Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, fehlt im Bericht die klare Empfehlung, Langstreckentransporte insbesondere in Länder außerhalb Europas zu beenden. Ein solches Bekenntnis fordert er nun von der neuen Bundesregierung.

 

Mit Material von AgraEurope