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Folgenabschätzung

Green Deal: Für Bayern eigene Studie gefordert

Agrarlandschaft-Bayern-Winter
Jürgen Umlauft
am Samstag, 11.02.2023 - 08:00

Agrarausschuss im Landtag debattierte über die Folgen des Green Deals.

München Der von der EU geplante Green Deal, mit dem die Union bis 2050 klimaneutral werden soll, könnte erhebliche Auswirkungen auf die bayerische Landwirtschaft und die Verbraucher im Land haben. Das geht aus der Auswertung mehrerer Studien hervor, die der leitende Ministerialrat Anton Hübl aus dem Landwirtschaftsministerium für den Agrarausschuss des Landtags vornahm. Die im Green Deal vorgeschlagenen Maßnahmen könnten nach einhelliger Meinung der Studien zu einem spürbaren Rückgang der Agrarproduktion und zu höheren Verbraucherpreisen in der EU führen, erklärte Hübl. Da es noch keine auf die besonderen Agrarstrukturen Bayerns abgestimmte Untersuchung gebe, könnten die genauen Auswirkungen auf den Freistaat noch nicht beziffert werden.

10% der Flächen sollen unter Schutz

Für den Bereich Landwirtschaft schlägt die EU im Green Deal eine Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln um 50 % und bei Düngemitteln um 20 % vor. Zudem soll der Öko-Landbau auf 25 % der Agrarfläche ausgeweitet werden. Diese Ziele entsprechen in etwa auch den Plänen, die die bayerische Staatsregierung im Freistaat bis 2030 erreichen will. Zudem will die EU 10% der Fläche in den Mitgliedsstaaten unter strengen Schutz stellen. Vor allem dieser Punkt ist laut Hübl europaweit umstritten, weil er eine „de-facto-Enteignung“ der Landwirte bedeuten könne.

Zu den möglichen Folgen hat Hübl fünf Studien ausgewertet, die allerdings noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine und dessen Folgen für die globale Ernährungssicherheit entstanden sind. Je nach Studienansatz hätte der Green Deal demnach Rückgänge bei der Getreide- und Ölsaatenproduktion sowie bei Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch von 10 bis 20 % zur Folge. Bei Milch könnte es ein Minus von rund 10 % geben. Einzelne Studien haben daraus Mindereinnahmen für die Landwirte von bis zu 16 Prozent errechnet, sowie erheblich höhere Verbraucherpreise. Bei Rindfleisch könnten diese um bis zu 50 Prozent steigen, bei Milch bis zu 30 Prozent und bei Getreide um rund zehn Prozent.

In den Studien werde allerdings auch betont, dass diese Annahmen nur für den Fall gelten, dass die EU die Maßnahmen des Green Deal in der Landwirtschaft alleine umsetzen würde, erläuterte Hübl. Je mehr Handelspartner sich weltweit den Zielen anschlössen, desto geringer würden die Einbußen für die Landwirte. Sollten sich zum Beispiel alle Staaten anschließen, mit denen die EU bereits Freihandelsabkommen habe, könnten sich die Erlöse der EU-Bauern sogar um 7,5 Prozent erhöhen, weil ein global höheres Preisniveau auch den europäischen Landwirten zugute käme.

Höhere Standards in Freihandelsabkommen

Vor diesem Hintergrund werde in einigen Studien empfohlen, vor der Umsetzung des Green Deal bestehende Freihandelsabkommen entsprechend anzupassen und weitere mit hohen Standards abzuschließen. Ohne solche Schutzmechanismen für den europäischen Markt hätte der Green Deal demnach keinen globalen Klimaeffekt, weil sich klimaschädliche CO2-Emissionen nur in andere Regionen der Erde verlagern würden, wo dann deutlich billiger als in Europa produziert werden könnte, führte Hübl aus. Zudem rücke in diesem Fall die gewünschte Ernährungssouveränität in Deutschland und Europa in weite Ferne. Als weitere mögliche Folge des Green Deal würden in den Studien noch größere Versorgungsengpässe in Ländern mit einer schon jetzt akuten Mangellage genannt.

Eigener Bericht für Bayern nötig

Einhellige Meinung der Fraktionen war als Reaktion auf den Bericht, dass eine bayerische Folgenabschätzung des Green Deal dringend erforderlich ist. Ansonsten aber wurden aus Hübls Ausführungen unterschiedliche Schlüsse gezogen. Gisela Sengl (Grüne) erklärte, dass durch eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten sowie eine Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zahlreiche Folgen der notwendigen ökologischen Umstellung abgefedert werden könnten. Ihr Fraktionskollege Paul Knoblach verwies aus Studien, wonach die Umweltkosten der Landwirtschaft in Deutschland jährlich bei rund 90 Mrd. € lägen. Dies müsse mit den vom Green Deal ausgelösten Verbesserungen in der Öko-Bilanz gegengerechnet werden.

Ruth Müller (SPD) sprach sich für entsprechend angepasste Handelsabkommen der EU mit ihren globalen Partnern aus. Ziel müssten weltweit ähnliche Standards bei Produktion und Arbeitsbedingungen sein, um europäische Bauern und Verbraucher vor ökologisch und sozial bedenklichen Billigimporten zu schützen.

Weitere Stilllegungen vermeiden

Für die CSU stellte Martin Schöffel zwar nicht die grundlegenden Ziele des Green Deal in Frage, aber das dorthin führende Maßnahmenpaket. Vor dem Hintergrund weltweiter Nahrungsmittelknappheit auch wegen des Kriegs in der Ukraine sei eine Strategie mit weiteren Ertragsrückgängen und Flächenstilllegungen ein „völliger Fehler“. Europa dürfe nicht abhängig von Lebensmittelimporten werden. Der „bayerische Weg“ in der Landwirtschaft zeige, dass Biodiversität und Nahrungsmittelproduktion in Einklang gebracht werden könnten.

Nikolaus Kraus (Freie Wähler) nannte die Ernährungssicherheit als „oberstes Ziel der Agrarpolitik“. Dazu gehöre auch die Milch- und Fleischproduktion, weil der Mensch von Gras nicht leben könne. „Besorgniserregend“ nannte Ralf Stadler (AfD) die möglichen Folgen des Green Deal. Er warnte vor neuen Abhängigkeiten durch Lebensmittelimporte und hohen Preissprüngen für die Verbraucher. Christoph Skutella (FDP) sah im Green Deal grundsätzlich einen „Innovationsmotor“ für die landwirtschaftliche Produktion in der EU. Wegen des Kriegs in der Ukraine und dessen Folgen müsse das Programm aber überarbeitet und an die neuen Begebenheiten angepasst werden.

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